Entwurf zum Urheberrecht Kritik von allen Seiten
Zehntausende protestierten 2019 gegen die EU-Pläne zur Reform des Urheberrechts. Im Fokus der Kritiker: die Uploadfilter. Nun liegt ein deutscher Gesetzentwurf vor. Und wieder gibt es massive Kritik.
Es liegt in der Natur von Kompromissen, dass am Ende keiner so richtig zufrieden ist. Für den Gesetzentwurf zur Umsetzung der europäischen Urheberrechtsrichtlinie gilt das auf jeden Fall. Im Fokus: Artikel 17 - der ursprünglich mal Artikel 13 hieß und der Zehntausende Menschen deutschlandweit im Frühjahr 2019 auf die Straßen brachte, weil sie befürchten, dass durch ein neues Urheberrecht die Netzkultur massiv eingeschränkt werden könnte.
Im Zentrum der Debatte: sogenannte Uploadfilter, also Programme, die automatisiert Inhalte erkennen und aussortieren können - aus Sicht vieler Digitalaktivistinnen und -aktivisten eine Gefahr für die Kunst- und Meinungsfreiheit.
Die Regierungsparteien - besonders CDU und SPD - standen damals massiv in der Kritik. Die Bundesregierung war deshalb um Schadensbegrenzung bemüht. Das zuständige Justizministerium hat nun in mehreren Entwürfen versucht, die Interessen möglichst vieler zu berücksichtigen. Dafür soll das Urheberrechtsgesetz geändert und ein neues Regelwerk eingeführt werden: das "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz". Dennoch ist die Kritik auch jetzt wieder groß.
Kritik von allen Seiten
Die Musikindustrie fürchtet um ihre Werke, selbst wenn es nur um kleinste Ausschnitte geht, die Verleger sehen ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt, die großen Netzplattformen wie YouTube, Facebook und Co. kritisieren rechtliche Unsicherheiten, Digitalkreative sorgen sich um Nutzerrechte und den Einsatz der berüchtigten Uploadfilter. Denn diese könnten trotzdem weiter und vermutlich auch verstärkt zum Einsatz kommen.
Es geht auch ums Geld
Es geht vor allem aber auch ums Geld. Grundsätzlich sieht das Gesetzespaket vor, dass Plattformen für Inhalte, die Nutzerinnen und Nutzer hochladen, urheberrechtlich verantwortlich sind und verpflichtet sind, Nutzungsrechte zu erwerben, also zu bezahlen. Das soll über Lizenzen geschehen, die sie direkt mit großen Rechteinhabern wie Plattenfirmen oder indirekt mit Verwertungsgesellschaften wie zum Beispiel der Gema aushandeln müssen.
Dabei gibt es Ausnahmen - allen voran: für "nicht gewinnorientierte" Online-Enzyklopädien, wie zum Beispiel Wikipedia sowie für nicht-kommerzielle Bildungs- beziehungsweise Wissenschaftsplattformen. Sie sind von den Verpflichtungen des "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz" ausgenommen. Auch sogenannte Online-Marktplätze und Cloud-Dienste für Unternehmen oder bei denen Nutzer für den Eigengebrauch Inhalte hochladen, sind nicht betroffen.
Wie groß dürfen die Schnipsel sein?
Gerungen wurde in den vergangenen Monaten vor allem um die Frage, wie groß die Schnipsel sein dürfen, die ein User hochladen darf, ohne gleich blockiert zu werden, weil möglicherweise die Rechtefrage nicht geklärt ist. Im aktuellen Entwurf des Gesetzes wurden die Grenzen dieser "geringfügigen Nutzung" nochmals heruntergeschraubt. Bis zu 15 Sekunden Film oder Ton, 160 Zeichen Text und 125 Kilobyte einer Foto- oder Grafikdatei sollen nun als geringfügig und mutmaßlich erlaubt gelten. Das zielt auf Inhalte, die Nutzer zu nicht-kommerziellen Zwecken selbst erstellen, also zum Beispiel Videos.
Es gibt dabei noch weitere Bedingungen: Ein Upload darf nur weniger als die Hälfte eines fremden Werkes enthalten und muss mit anderen Inhalten kombiniert werden. Per se legal ist dieser Inhalt damit nicht, aber er darf erst mal hochgeladen werden und wird nicht automatisch blockiert. Geht es um längere Ausschnitte, die also nicht als geringfügige Nutzung gelten, sollen User markieren können, dass ihr Beitrag aus ihrer Sicht nicht gegen das Urheberrecht verstößt - zum Beispiel, weil es sich um ein Zitat oder eine Parodie handelt.
"Völlig weltfremd"
Eine Löschung durch den Rechteinhaber ist dann allerdings immer noch möglich. Sollte dies zu Unrecht erfolgen, soll es einen Mechanismus geben, der Usern erlaubt, dagegen vorzugehen. Julia Reda begrüßt das im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Die ehemalige EU-Abgeordnete ist Projektleiterin für Urheberrecht bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte und sieht ansonsten viele Teile der Ausgestaltung des Gesetzes kritisch. Die 15-Sekunden-Regel findet Reda "noch einigermaßen praxistauglich", die 160-Zeichen-Schranke allerdings "völlig weltfremd und unpraktikabel".
Vor Blockierung geschützt sind und gesetzlich erlaubt sind neben Zitaten und Parodien, auch Karikaturen und Pastiches, "sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist". Was das in der Praxis genau bedeutet, könnte noch die Gerichte beschäftigen. Vor allem wenn es um Pastiches geht, denn damit zielt der Gesetzentwurf auf Netzphänomene wie zum Beispiel Memes, GIFs, Remixes, Mashups oder Fan Art. Reda kritisiert, dass gerade auch Parodien durch das neue Gesetz künstlich eingeschränkt werden könnten, denn eigentlich, so Reda, dürfte bei Parodien laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Umfang gar keine Rolle spielen.
Plattformen müssen zahlen
Wichtig aber in jedem Fall: Egal ob nur kurzer Schnipsel, ob Zitat, Meme oder Karikatur - die Plattformen müssen künftig dafür zahlen. Urheberrechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sehen das zumindest im Fall von Zitaten und Parodien kritisch. In einer im November veröffentlichten Stellungnahme von 19 Universitätsprofessorinnen und -professoren befürchten die Verfasserinnen und Verfasser, dass eine Vergütungspflicht für Netzplattformen auch auf Presse, Film und Rundfunk ausgeweitet werden könnte - "mit unüberschaubaren Risiken für die Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit".
Kritik gibt es auch von den Branchenverbänden. Der Digitalverband Bitkom kritisiert, das neue Gesetz sei "an Komplexität nicht mehr zu überbieten". Zudem würden neue Strukturen zur Rechteklärung "Transaktionskosten derart in die Höhe treiben, dass in der Summe weniger Einnahmen bei den Kreativen ankommen".
Der Bundesverband der Musikindustrie fordert seinerseits ganz aktuell, die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie zumindest teilweise zu vertagen: Andernfalls bestünde die Gefahr, dass übereilt Gesetze geschaffen werden, die tiefgreifend negative Auswirkungen auf die digitale Lizenzarchitektur mehrerer Branchen hätten.
CDU: "Overblocking" verhindern
Der digitalpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von CDU/CSU, Tankred Schipanski (CDU), verteidigt den Gesetzentwurf. Es gehe darum "Overblocking" zu verhindern und Netzkultur zu erhalten, so Schipanski gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Wichtig beim Update des Urheberrechts sei ein Interessensausgleich und dabei gehe es nicht nur um die Interessen von Kreativ- beziehungsweise Kulturindustrie und Plattformen, sondern auch um die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer.
Das betont auch der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, der das Gesetz lobt. Es enthalte zahlreiche Verbesserungen für Künstlerinnen und Künstler. Man sei aber bereit im parlamentarischen Verfahren weiter mit den Verbänden zu verhandeln und zu überlegen, was noch optimiert werden könnte.
Die Zeit drängt
Eigentlich sollte das neue Urheberrecht schon vergangene Woche im Kabinett beschlossen werden, um dann im Bundestag behandelt zu werden. Allerdings wurde der Gesetzentwurf kurzfristig von der Agenda genommen, nun gibt es heute einen erneuten Anlauf, die Zeit drängt. In Kraft treten müssen die Änderungen im Urheberrecht nämlich bis Juni. So sieht es die EU-Richtlinie vor.
Abgesehen davon läuft derzeit noch eine Klage beim Europäischen Gerichtshof, die Polen gegen die Urheberrechts-Richtlinie angestrengt hat. Das Urteil könnte in der zweiten Jahreshälfte kommen und auch Auswirkungen auf das deutsche Gesetz haben.