Unfallflucht-Paragraf Polizei und Justiz sehen Lockerung skeptisch
Soll Unfallflucht künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn es lediglich Sachschaden gab? Die Reaktionen aus Justiz und Polizei auf diese Überlegung des Justizministeriums fallen eher kritisch aus.
Der Vorstoß von Bundesjustizminister Marco Buschmann für eine Reform der gesetzlichen Regelungen bei Unfallflucht wird von Vertretern von Polizei und Justiz kritisch bewertet. "Ich sehe die Gefahr, dass nun der Eindruck erweckt wird, die Unfallflucht sei bloß ein Kavaliersdelikt", sagte Michael Mertens, der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Auswirkungen für Geschädigte könnten gravierend sein - "gerade für Autobesitzer ohne Vollkaskoversicherung", erklärte Mertens gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Den "Westfälischen Nachrichten" sagte er, eine Neuregelung würde Staatsanwaltschaften entlasten, aber "Bußgeldstellen belasten, weil sie Ordnungswidrigkeiten bearbeiten".
Das FDP-geführte Justizministerium erwägt, Fahrerflucht in Fällen zu entkriminalisieren, bei denen kein Mensch zu Schaden kommt. Das Ministerium hat ein entsprechendes Papier an Fachverbände geschickt - mit der Bitte um Stellungnahme. Im Kern geht es um den Vorschlag, dass das Verlassen des Unfallortes in Fällen, in denen es ausschließlich Sachschaden gab, künftig von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden soll. Für Fälle, bei denen Menschen verletzt wurden, soll dies ausdrücklich nicht gelten.
Richterbund: Option der Meldepflicht "erwägenswert"
Die unerlaubte Entfernung Beteiligter vom Unfallort kann laut Paragraf 142 des Strafgesetzbuchs mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Bislang gilt, dass Unfallbeteiligte eine "angemessene Zeit" am Unfallort warten müssen. Als Alternative dazu bringt das Justizministerium nun die Einrichtung einer Meldepflicht ins Spiel, etwas "über eine standardisierte Online-Maske".
Ähnlich wie die GdP äußerte sich auch der Deutsche Richterbund (DRB) skeptisch. "Die Strafvorschrift hat sich bewährt und gibt den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen", sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Auch sei "zu befürchten, dass die Warte- oder Meldebereitschaft nach Unfällen durch die geplante Reform weiter sinken würde". Lediglich die Option einer Meldepflicht nannte Rebehn "erwägenswert".
"Überlegungen noch in einem frühen Stadium"
Den Versicherern ist es vor allem wichtig, die Möglichkeiten der Beweissicherung nicht einzuschränken. "Unfallursache und -hergang müssen sich zweifelsfrei feststellen lassen", sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Das gelte etwa für die Frage, ob Alkohol oder Drogen mit im Spiel waren.
Ziel des Schreibens aus dem Bundesjustizministerium ist es offensichtlich, mit Experten und Verantwortlichen zu möglichen Reformvorschlägen frühzeitig ins Gespräch zu kommen. Die Angeschriebenen wurden bis zum 23. Mai um Stellungnahme gebeten. Eine Sprecherin des Ministeriums betont jedoch am Dienstag, die Überlegungen seien noch in einem frühen Stadium.