Scholz im ARD-Sommerinterview "Das Menschliche funktioniert"
Seine Ampel-Regierung hat zuletzt viel gestritten, vor allem ums Heizungsgesetz. Aber "das Menschliche funktioniert" in der Koalition, sagte Kanzler Scholz im ARD-Sommerinterview. In der John-Wayne-Rolle sieht er sich nicht.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Kritik am Heizungsgesetz zurückgewiesen, auch was die Dauer des Entstehungsprozesses angeht. "Es musste so lange gefeilt werden", sagte der SPD-Politiker im ARD-Sommerinterview des Berichts aus Berlin. Nun sei "Land in Sicht". Das Gesetzgebungsverfahren sei seriös, sagte er mit Blick auf die Kritik der Union am Zeitplan.
Er wünsche sich zwar, dass manche Dinge in der Ampel leiser diskutiert würden. Aber: "Das Menschliche funktioniert in der Koalition", unterstrich Scholz. Und das sei ja eine gute Grundlage. Es herrsche sehr viel Vertrauen. "Das ist immer sehr freundlich, sogar bei ganz lange dauernden Koalitionsausschüssen."
"Wir können die Klimaziele erreichen"
Inhaltliche Kritik am Heizungsgesetz ließ Scholz nicht gelten. "Es stand von Anfang an fest, dass es einen sozialen Ausgleich geben wird", sagte er. Das sei nur nicht Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung gewesen, weil andere Dinge so intensiv diskutiert worden seien.
Scholz wies erneut auf die enormen Herausforderungen durch die Klimakrise hin und betonte: "Wir wollen die Klimaziele erreichen und wir können die Ziele auch erreichen. Aber wir machen das auf eine Weise, bei der die Bürgerinnen und Bürger mitgehen können", sagte er mit Blick auf das Heizungsgesetz.
Auch auf Nachfrage von ARD-Hauptstadtstudioleiterin Tina Hassel gab sich Scholz überzeugt, dass Deutschland die Klimaziele erreichen wird. Und dabei eine Vorreiterrolle in der Welt einnehmen werde.
Scholz will nicht John Wayne sein
Dem Kanzler wird immer wieder Führungsschwäche vorgeworfen. Scholz ließ das nicht gelten. Er gebe sehr viel Orientierung, sagte er. Das Standard-Modell für Führung, das manche Menschen super fänden, sei John Wayne. Aber so funktioniere das nicht. "Tatsächlich ist das hier eine Familie aus drei Parteien und über 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, die alle eine Meinung zu all den Themen haben, wie wir unsere Zukunft gewinnen können." Seine Aufgabe sei, dass alle mitmachen. Scholz warnte vor Effekthascherei und schnellen Schlagzeilen.
Rezept gegen die AfD
Angesprochen auf die hohen Umfragewerte der AfD sagte Scholz: "Rechte populistische Schlechte-Laune-Parteien hat es immer gegeben, in vielen europäischen Ländern und auch in Deutschland." Das Rezept dagegen sei, eine gute Zukunftsperspektive für das Land zu bieten. "Und die Frage des Respekts." Also für ein gutes Miteinander zu sorgen. Das gehe nur mit einem klaren Kurs.
Im thüringischen Kreis Sonneberg sei es richtig gewesen, dass alle demokratischen Parteien den CDU-Kandidaten unterstützt haben. "Denn die AfD ist eine Partei, in der sehr viele rechtsextremistische Positionen vertreten werden und mit der darf und kann es keine Zusammenarbeit geben." Diese Haltung sei dort zum Ausdruck gekommen.
Blick nach Frankreich
Angesprochen auf die Krawalle in Frankreich zeigte sich Scholz zwar besorgt, aber zugleich zuversichtlich, dass Frankreich nicht instabil werde. Auch dass es ähnliche Ausschreitungen in Deutschland geben könnte, erwartet der Kanzler nicht. "Es ist uns ja angekündigt worden von den Schlechte-Laune-Parteien, dass es einen Wutwinter und Wutherbst geben würde. Den gab es aber nicht", sagte Scholz. Es sei sehr viel getan worden, um die hohen Energiepreise abzufedern und die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten.
Kindergrundsicherung kommt
Im anschließenden Online-Format "Frag selbst" bekannte sich Scholz erneut zur Kindergrundsicherung. "Die Regierung hat sich verständigt, dass die Kindergrundsicherung kommt." Er rechne mit einer Einigung bis zum Ende der Sommerpause.
Ampel geht in die zweite Halbzeit
Kanzler Scholz und seine Ampel-Regierung gehen nach der parlamentarischen Sommerpause in die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Dass sie politisch ruhiger wird als die erste Halbzeit ist kaum zu erwarten, da die großen Herausforderungen bleiben: Umgang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine und dessen Folgen, hohe Inflation, der klimafreundliche Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Zuletzt gaben die drei Ampel-Parteien ein zunehmend zerstrittenes Bild ab, was einige wie Wirtschaftsminister Robert Habeck zu Selbstkritik veranlasste. Auch SPD-Chef Lars Klingbeil sagte mit Blick auf die Auseinandersetzungen in der Ampel etwa über das Heizungsgesetz: "Das war zu viel, das war zu laut."
Streit, Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Misstrauen - all das dürfte auch mit dazu geführt haben, dass die Zufriedenheit mit der Ampel Umfragen zufolge stark gesunken ist. Davon kann allerdings die größte Oppositionspartei, die CDU, kaum profitieren. Die AfD hingegen verzeichnet hohe Umfragewerte.