Flugblatt-Affäre in Bayern Söder hält an seinem Vize Aiwanger fest
Bayerns Ministerpräsident Söder belässt seinen Stellvertreter Aiwanger trotz der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt im Amt. Eine Entlassung wäre "unverhältnismäßig". Auch nach der Landtagswahl setzt Söder auf die Freien Wähler.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält an Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fest. Eine Entlassung aus dem Amt wäre "nicht verhältnismäßig", sagte er auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in München. Söder entschied sich damit gegen die von Teilen der Opposition geforderte Entlassung Aiwangers wegen dessen Verhalten im Zusammenhang mit einem antisemitischen Flugblatt aus den 1980er-Jahren.
Söder begründete das Ergebnis seiner Abwägung damit, dass es keine Beweise dafür gebe, dass Aiwanger das kritisierte Flugblatt verfasst oder verbreitet habe. Zugleich liege der Vorfall 35 Jahre zurück, und seither sei nichts Vergleichbares bekannt geworden. Aiwanger habe in seiner Jugend wohl schwere Fehler gemacht und das auch zugestanden. Er habe sich dafür "entschuldigt, davon distanziert und auch Reue gezeigt." Aiwangers Entschuldigung sei "spät", aber "nicht zu spät" gekommen. Die Entschuldigung sei richtig und notwendig gewesen.
Söder machte zugleich deutlich, dass die Vorwürfe rund um das Flugblatt Bayern geschadet hätten. Zugleich kritisierte er die Krisenkommunikation seines Vizes als "nicht sehr glücklich". Aiwanger hätte demnach die Vorwürfe früher, entschlossener und umfassender aufklären müssen.
Er legte dem Chef der Freien Wähler zugleich nahe, zur Aufarbeitung und zum Beleg ernsthafter Reue Gespräche mit jüdischen Gemeinde zu suchen. Es sei wichtig, dass Aiwanger nun "daran arbeitet, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen", sagte Söder. Vor seiner Entscheidung habe er mit Josef Schuster und Charlotte Knobloch gesprochen, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Söder bekennt sich zu den Freien Wählern
In einem Interview mit dem ZDF sprach sich Söder für eine Fortsetzung des Koalition mit den Freien Wählern aus. Auf die Frage, ob er das Bündnis auch nach der bayerischen Landtagswahl fortsetze und ob dann auch Aiwanger einem möglichen Kabinett angehöre, sagte Söder: "Ich gehe da fest davon aus." Gleichzeitig betonte er, "Schwarz-Grün in Bayern, das wollen wir nicht".
Söder kritisierte zudem die Medienberichterstattung rund um die Causa Aiwanger. Es stellten sich Fragen im medialen Umfeld, so der CSU-Chef um ZDF. Er glaube, dass es sehr viele Bürger gebe, die "auch ein bisschen kritisch sind", wie der Umgang des Journalismus mit vielen Themen sei.
Fragen und Antworten veröffentlicht
Der Ministerpräsident hatte zuvor öffentlich Aufklärung von Aiwanger verlangt und ihm einen Katalog von 25 Fragen übermittelt. Von deren schriftlicher Beantwortung wollte Söder seine Entscheidung über weitere Schritte abhängig machen. Die Antworten schickte der Vize-Regierungschef dann am Freitag an die bayerische Staatskanzlei.
Sowohl die Fragen als auch die Antworten wurden im Anschluss an die Pressekonferenz veröffentlicht. Söder machte deutlich, dass Aiwanger alle Fragen beantwortet habe. Auch wenn vieles bereits bekannt gewesen und wenig Neues enthalten sei, habe Aiwanger deutlich gemacht, dass die damaligen Ereignisse rund um das Flugblatt einschneidend gewesen seien. Auch wenn nicht alle Antworten befriedigend seien, halte er Aiwanger zugute, dass er sich erneut von dem Flugblatt distanziert habe, sagte Söder.
Auf Basis von Aiwangers Antworten und öffentlichen Ausführungen sowie unter dem Eindruck eines langen persönlichen Gesprächs am Samstagabend habe er seine Entscheidung getroffen, führte Söder aus. Das Ergebnis sei die Abwägung eines fairen und geordneten Verfahrens.
Aiwanger: "Schmutzkampagne gescheitert"
Kurz nach Söders Pressekonferenz äußerte sich Aiwanger bei einem Wahlkampfauftritt in einem Bierzelt in Grasbrunn erneut zu den Vorgängen. "Das war ein schmutziges Machwerk", sagte er. "Die Freien Wähler sollten geschwächt werden." Doch die Partei sei durch die Vorwürfe "gestärkt worden", fügte er hinzu. Seine Gegner seien mit ihrer "Schmutzkampagne" gescheitert. "Ich freue mich, dass wir politisch weiterarbeiten können und in diesem Sinne arbeite ich für Bayern weiter".
Parallel schrieb Aiwanger auf der Plattform X, ehemals Twitter: "Jetzt bestätigt sich, was ich von Anfang an gesagt habe: Es gibt keinen Grund, mich zu entlassen, die Kampagne gegen mich ist gescheitert. Wir müssen jetzt wieder zur Tagesarbeit für unser Land zurückkehren, damit Bayern ab Herbst stabil und vernünftig weiterregiert werden kann." In aller Regel verfasst der Freie-Wähler-Chef sämtliche Posts selbst. Ob das auch diesmal der Fall war, dafür gab es zunächst keine Bestätigung.
Hubert Aiwanger betonte, er sehe keinen Grund für einen Rücktritt oder eine Entlassung.
Aiwanger durch Vorwürfe seit Tagen unter Druck
Gegen Aiwanger waren seit dem vergangenen Wochenende verschiedene Vorwürfe laut geworden. Am Samstag vor einer Woche hatte er zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien" ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf erklärte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben. Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich. Ehemalige Mitschüler belasteten Aiwanger in den vergangenen Tagen aber weiter.