Scholz zurück aus dem Urlaub Krisen haben keine Sommerpause
Bundeskanzler Scholz ist zurück aus dem Urlaub. Die Krisen und Probleme sind indes nicht weniger geworden. Krieg, Corona, steigende Preise - und nun auch noch Cum-Ex.
Olaf Scholz war wandern. Im Allgäu. Fotos zeigen den Kanzler mit kurzer Hose, Rucksack und manchmal auch mit Handy am Ohr. Denn so richtig im Urlaub ist ein Regierungschef natürlich nie. Und als hätte der Kanzler nicht schon genug Probleme, wartet nun ein weiterer unangenehmer Termin - Ende kommende Woche in der alten Heimat, in Hamburg.
Da ist Olaf Scholz vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft geladen. Dort liegen die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und viele Fragen auch an den ehemaligen Ersten Bürgermeister, der heute der Bundeskanzler ist. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagt, Scholz werde sich in Hamburg dem Ausschuss stellen. "Dort wird alles, was sachdienlich zu behandeln ist, behandelt werden." Diskutiert wird in Berlin auch über mehr als 200.000 Euro, die in einem Schließfach des ehemaligen Bundestags-Abgeordneten Johannes Kahrs gefunden worden sein sollen. Hier gibt es aber keinerlei Belege für einen Zusammenhang zum Cum-Ex-Skandal.
Cum-Ex wird Scholz und SPD noch länger beschäftigen
Bei Cum-Ex ließen sich Banken Steuern erstatten, die sie nie gezahlt haben. Ein Geschäft, das sehr kompliziert ist, und den Staat viele Milliarden kostet. In Hamburg hatte die Finanzbehörde 2016 darauf verzichtet, 47 Millionen Euro von der Hamburger Privatbank Warburg zurückzufordern. Damals war Olaf Scholz der Erste Bürgermeister der Hansestadt.
Haben führende SPD-Politiker Einfluss auf den Steuerfall genommen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss in Hamburg. Schon einmal wurde Olaf Scholz befragt. Der hatte sich 2016 mit dem Miteigentümer der Warburg Bank, Christian Olearius, getroffen. Warburg und Olearius bestreiten, Einfluss auf politische Entscheidungen genommen zu haben. Scholz sagte immer wieder, er könne sich an vieles nicht erinnern.
Die zuständige Staatsanwaltschaft in Köln prüft den Verdacht, ob in der Hamburger Finanzbehörde E-Mails gelöscht worden sein könnten. Zuletzt hatten die Ermittler außerdem WhatsApp-Nachrichten beschlagnahmt. Nach Recherchen des WDR schrieb eine Finanzbeamtin im November 2016 - wenige Stunden nachdem die Finanzbehörde auf die Steuernachzahlung verzichtet hatte - ihr teuflischer Plan sei aufgegangen. Scholz' Nachfolger in Hamburg Peter Tschentscher, der damals Finanzsenator war, bezeichnete den Verdacht der politischen Einflussnahme als "völlig haltlos". Doch Cum-Ex wird Hamburg, die SPD und damit auch den Kanzler noch länger beschäftigen.
Energiepreise, Übergewinnsteuer - viele Debatten warten
Mehrfach hat der Kanzler seinen Urlaub unterbrochen. Einmal, um zum EM-Finale der Frauen zu reisen. Trotz der Niederlage sicher einer der angenehmeren Termine. Ein anderes Mal reiste Scholz nach Berlin mit einem Versprechen. "You'll never walk alone", erklärte der Kanzler. Heißt, dass die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger mit hohen Energiepreise nicht allein lassen wird.
Doch schon kurze Zeit darauf verkündete sein Wirtschaftsminister, Robert Habeck, eine bittere Nachricht. Auf die Haushalte kommen mehrere Hundert Euro mehr im Jahr für die Gasrechnungen zu - eine Gasumlage, damit Energieversorger überleben. Sofort entspann sich eine Debatte: Ist es eigentlich gerecht, dass zum Beispiel Konzerne wie Shell oder BP ihre Gewinne vervielfachen - könnten die nicht mehr abgeben?
Eine Übergewinnsteuer sei kein Thema, ließ Scholz über seinen Regierungssprecher erklären. Doch in der Kanzlerpartei SPD ist sie das sehr wohl. Vorsitzende Saskia Esken sagt, es gehe um Unternehmen, die ohne eigene Leistung und Innovation übermäßige Gewinne machten, "also eben aus der Krise Profit schöpfen". Diesen sollte der Staat abschöpfen, um Bürger und auch kleine Unternehmen zu entlasten.
Eine Partei, wie die SPD, die sich soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, wird im Herbst und Winter Farbe bekennen müssen. Wenn die Energiepreise steigen und das Gas nicht für alle reicht. Wenn Arbeitslosigkeit droht und Menschen vielleicht zu Hause frieren müssen. Doch die SPD ist im aktuellen Deutschlandtrend abgerutscht. Nur noch 17 Prozent würden die Partei von Olaf Scholz wählen, das ist Platz drei hinter CDU und Grünen.
Das Ende der Selfie-Romantik
Die Ampel ist längst raus aus der Selfie-Romantik, der Streit wird nicht einmal mehr versteckt. Arbeitsminister Heil will die Hartz-IV-Sätze erhöhen, Finanzminister Christian Lindner lehnt das ab. Die Grünen wollen eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket. Finanzminister Lindner lehnt das ab.
In der Corona-Politik holperte es zuletzt heftig zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Justizminister Marco Buschmann. Am Ende stellten sie einen Entwurf für ein neues Infektionsschutzgesetz vor, der bereits jetzt Gegenwind bekommt. Aus den Ländern - aber auch aus der Koalition. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDP fordert, dass nachgearbeitet wird: "Das darf der Deutsche Bundestag nicht so beschließen."
Spricht der Kanzler ein Machtwort?
Und dann ist da noch der Krieg in der Ukraine und die Sorge vor steigenden Preisen in Deutschland. Der Kanzler besichtigte vergangene Woche die berühmte Gasturbine in Mülheim an der Ruhr. Ihre Wartung war ein Grund, warum Gazprom die Lieferungen reduziert hatte. Scholz ließ sich vor der Turbine ablichten, doch es war zu sehen, dass er nicht recht wusste, wie er vor dieser riesigen Maschine posieren soll.
Es ging ihm um eine klare Botschaft an Putin: Die Turbine ist fertig und könne jederzeit geliefert werden. "Es ist offensichtlich, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts dem Weitertransport dieser Turbine und ihrem Einbau in Russland entgegensteht", sagte Scholz. Doch Putin hat das bislang wenig beeindruckt.
Die Energiekrise beschert der Regierung einen weiteren Streit. Es läuft eine Debatte, ob der Ausstieg aus der Atomenergie verzögert werden könnte. Das grüne Wirtschaftsministerium hat bereits den zweiten Stresstest gestartet. Die FDP drängt schon jetzt zur Eile und zur Entscheidung. Der Bundeskanzler sagt, er könne es sich zumindest vorstellen, Kernkraft länger zu nutzen.
Spricht der Kanzler ein Machtwort? Gibt er die Richtlinien vor? Am Mittwoch leitet der Bundeskanzler zum ersten Mal nach dem Urlaub wieder das Kabinett. Und nur einen Tag später stellt er sich in der Bundespressekonferenz den Hauptstadtjournalistinnen und -journalisten. Das ist der Termin, den seine Vorgängerin Angela Merkel immer vor den Urlaub legte und wo sich die Kanzlerin oft launig und locker gab. Scholz macht es anders, doch es sind auch andere Zeiten.