Proteste im Iran Wo es bei den Iran-Sanktionen hakt
Seit Wochen protestieren Menschen im Iran gegen das Regime, das gewaltsam zurückschlägt. Die EU verhängte Sanktionen, die aber vergleichsweise milde ausfallen. Warum geht Deutschland nicht voran? Wo hakt es?
Welche Sanktionen gab es schon?
Bereits in den vergangenen Jahren sind verschiedene restriktive Maßnahmen gegen den Iran in die Wege geleitet worden, teils von den Vereinten Nationen, teils von der EU, teils aus einzelnen Ländern wie den USA. Dabei ging es meistens um das Atomabkommen, mindestens seit 2012 bestehen deswegen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran.
Nach dem Tod von Gina Mahsa Amini am 16. September 2022 wurden sogenannte Menschenrechts-Sanktionen erlassen. Die EU hat am 17. Oktober elf iranische Personen und vier Organisationen sanktioniert. Außerdem sind als Reaktion auf den Einsatz iranischer Drohnen in der Ukraine im Angriffskrieg Russlands am 20. Oktober 2022 drei weitere Personen und eine Organisation sanktioniert worden.
Ein gern genanntes Gegenbeispiel: Kanada hat etwa 10.000 Personen sanktioniert, die bei den iranischen Sicherheitskräften arbeiten. Dagegen wirken die elf europäischen Sanktionen sehr blass.
Hakt es wegen des Atomabkommens?
Offenbar nicht, denn das spielt aktuell wohl nur eine untergeordnete Rolle. Die Atomgespräche zwischen Deutschland, Russland, China, Frankreich und Großbritannien mit dem Iran stecken seit Monaten fest. Die USA nehmen an den Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015 nur indirekt teil. Das Abkommen sollte verhindern, dass Teheran Atomwaffen entwickelt. Es liegt seit dem Austritt der USA 2018 auf Eis.
Deswegen spiele es keine Rolle bei der momentanen Frage nach strengeren Sanktionen, meinte zum Beispiel Grünen-Chef Omid Nouripour. Die Zeiten, in denen westliche Staaten sich hinter dem Atomabkommen verstecken konnten, um nicht über die Menschenrechtslage sprechen zu müssen, seien vorbei. Dafür stehe er als Bundesvorsitzender der Grünen, und dafür stehe auch die Außenpolitik Annalena Baerbocks.
Hakt es wegen wirtschaftlicher Interessen?
Nein. Deutschland ist innerhalb der EU zwar wichtigster Handelspartner für den Iran. Aber umgekehrt steht der Iran aus deutscher Sicht nur auf Rang 71 aller weltweiten Handelspartner. Insbesondere in den vergangenen Jahren ist der Handel mit dem Iran stark eingebrochen. Das Auswärtige Amt teilte mit, dass Deutschland momentan auf niedrigem Niveau vor allem humanitäre Güter wie Medikamente und Lebensmittel liefere.
Trotzdem möchte Außenministerin Baerbock wirtschaftliche Kontakte wo möglich weiter reduzieren. Denn auch auf kleinem Niveau sind solche Sanktionen sehr effektiv, das zeigt eine neue Untersuchung zweier deutscher Wirtschaftsinstitute. Demnach ist wegen der schon länger bestehenden Sanktionen der Wohlstand im Land deutlich spürbar zurückgegangen.
Welche Sanktionsmöglichkeiten kann es überhaupt geben?
Da die wirtschaftlichen Sanktionen größtenteils ausgereizt sind, bleiben der EU noch drei Möglichkeiten, die stets personengebunden sind und sich nur gegen die Menschen richten würden, die das Mullah-Regime unterstützen.
- Man könnte das Vermögen von Iranerinnen und Iranern im Ausland einfrieren, sodass sie keinen Zugriff mehr auf ihre ausländischen Konten hätten.
- Man könnte ihnen die Einreise verbieten. Beispielsweise ist bekannt, dass viele Iraner für medizinische Behandlungen nach Europa reisen.
- Man könnte ein Bereitstellungsverbot erlassen. Das bedeutet, dass das Bereitstellen weiterer finanzieller wie wirtschaftlicher Ressourcen oder technischer Hilfen verboten würde.
Kann Deutschland auch allein handeln?
Zuletzt kündigte Baerbock an, den Kurs gegen Teheran wegen des harten Vorgehens gegen die Protestbewegung zu verschärfen. Es könne kein "Weiter so" in den bilateralen Beziehungen geben. Über die auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen hinaus sollen demnach zusätzliche nationale Einreisebeschränkungen verhängt werden. Doch die volle Schlagkraft könnten solche Sanktionen nur entfalten, wenn sie auf EU-Ebene durchgeführt würden, betont Baerbock immer wieder. So wirkt natürlich ein Einreiseverbot für die ganze EU erheblich härter, als wenn es nur für ein einzelnes Land gilt.
Wann beschließt die EU schärfere Sanktionen?
Man arbeite an einem weiteren Menschenrechts-Sanktionspaket, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Dazu braucht es einen Konsens aller EU-Länder, der bei den letzten Sanktionen im Oktober immer schnell gegeben war. Auch für ein neues Sanktionspaket wird mit einem EU-Konsens fest gerechnet. Sollten die Vorschläge ohne Verzögerung durch alle Gremien gehen, könnten weitere Sanktionen gegen den Iran auf EU-Ebene in den nächsten Tagen und Wochen folgen.
Mehr zum Thema und ein Gespräch mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sehen Sie am Sonntagabend im Ersten und auf tagesschau.de.