Polizisten bringen einen jungen Mann zur Abschiebung zum Flughafen.
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Rückführungsgesetz Wie Abschiebungen erleichtert werden sollen

Stand: 19.01.2024 14:13 Uhr

Der Bundestag hat das "Rückführungsverbesserungsgesetz" beschlossen, mit dem Abschiebungen vereinfacht werden sollen. Die Bundesregierung reagiert damit auf gestiegene Asylbewerberzahlen und Forderungen der Kommunen. Was genau sieht das Gesetz vor?

Angesichts überlasteter Kommunen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz im Herbst gefordert, abgelehnte Asylbewerber "im großen Stil" abzuschieben. Innenministerin Nancy Faeser legte daraufhin einen Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Rückführung" vor.

Der Bundestag hat das Gesetz nun beschlossen - mit den Stimmen der Ampelkoalition. Union und AfD stimmten gegen das Gesetz, weil es ihnen nicht weit genug geht. Auch einige Abgeordnete der Grünen, denen die Verschärfung zu weit geht, votierten bei der Abstimmung mit Nein. Ein Überblick über die Kernpunkte:

Bundestag beschließt strengere Abschieberegeln

Claudia Kornmeier, ARD Berlin, tagesschau, 18.01.2024 20:00 Uhr

Welche zusätzlichen Befugnisse soll die Polizei erhalten?

Durchsuchungsmöglichkeiten für die Polizei sollen erweitert werden. Das gilt einerseits für die Suche nach Dokumenten und Daten zur Identität des Betroffenen, um etwa seinen Heimatstaat festzustellen.

Andererseits sollen Beamte in Gemeinschaftsunterkünften künftig auch andere Räume als das Zimmer des Abschiebepflichtigen durchsuchen dürfen. Auch die Abholung von Betroffenen zur Nachtzeit soll fortan möglich sein, etwa wenn ein durch einen anderen Staat organisierter Abschiebeflug am frühen Morgen startet.

Auch sollen Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden müssen, sofern nicht Familien mit Kindern unter zwölf Jahren betroffen sind. Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen keine aufschiebende Wirkung mehr haben.

Was gilt für die Haft von Ausreisepflichtigen?

Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit 10 auf 28 Tage verlängert werden. Dies gibt Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten, und soll das "Untertauchen des Abzuschiebenden" verhindern.

Darüber hinaus wird ein eigenständiger Haftgrund bei Verstößen gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote geschaffen. Dies betrifft Ausländer, die zunächst erlaubt nach Deutschland eingereist sind und später ausreisepflichtig geworden sind. Zudem wird die Möglichkeit der sogenannten Mitwirkungshaft auf Fälle ausgeweitet, bei denen ein Ausländer Angaben zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit unterlässt.

Neu ist auch, dass Minderjährige grundsätzlich nicht in Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam genommen werden sollen. Zudem muss den Betroffenen für beides ein Pflichtverteidiger an die Seite gestellt werden.

Wie soll die Abschiebung von Schleusern beschleunigt werden?

Im Aufenthaltsgesetz sollen Regelungen geschaffen werden, die die Ausweisung von Schleusern erleichtern. Ein "besonders schweres Ausweisungsinteresse" soll dabei künftig vorliegen, wenn es zu einer Verurteilung wegen Schleusung von mindestens einem Jahr kam. Strafen für Schleuser sollen zudem generell verschärft werden.

Können Clanmitglieder abgeschoben werden?

Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah vor, dass ein neuer Ausweisungstatbestand für ausländische Angehörige von Banden oder kriminellen Clans geschaffen werden soll - und dieser auch "unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung" greifen soll.

Hierzu kommt es nun voraussichtlich nicht. Ein Änderungsantrag der Ampelparteien setzt vielmehr vor allem bei innerhalb eines Jahres "mehrfach rechtskräftig" verurteilten Intensivtätern an.

Wie sieht es mit antisemitischen Straftaten aus?

Nach den Änderungsplänen der Ampel wird ausdrücklich festgehalten, dass ein in einem Urteil festgestellter antisemitischer Beweggrund für eine Tat ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründet. Dies gilt demnach auch für rassistische, fremdenfeindliche, geschlechtsspezifische oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe.

Wie viele Menschen waren zuletzt ausreisepflichtig?

Ende Dezember waren laut Bundesinnenministerium 242.642 Menschen ausreisepflichtig. Allerdings hatten davon 193.972 eine Duldung zum Verbleib in Deutschland. Damit war die Abschiebung in vier von fünf Fällen vorerst ausgesetzt.

Gründe dafür können die Sicherheitslage im Herkunftsland, Kinder mit Aufenthaltserlaubnis, eine begonnene qualifizierte Berufsausbildung, Krankheit oder das Fehlen von Pass- und Reisedokumenten sein.

Wie viele Abschiebungen gab es 2023?

Im vergangenen Jahr wurden laut Innenministerium 16.430 Menschen abgeschoben. Das waren 27 Prozent mehr als 2022. Damals hatte es 12.945 Abschiebungen gegeben - acht Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Warum scheitern Abschiebungen?

Im vergangenen Jahr sind 31.770 geplante Abschiebungen gescheitert. Damit waren zwei Drittel der vorgesehenen Rückführungen nicht erfolgreich. Gründe waren unter anderem ausgefallene Abschiebeflüge, dass ausreisepflichtige Ausländer nicht auffindbar waren, der Zielstaat die Aufnahme verweigerte oder medizinische Probleme.

Wird das Paket Abschiebungen tatsächlich beschleunigen?

Das Innenministerium rechnet nicht mit einer massiven Zunahme von Abschiebungen. "Es wird angenommen, dass durch die Verschärfung der Ausreisepflicht die Anzahl der Abschiebungen um rund 600 (fünf Prozent) steigen wird", heißt es im Gesetzentwurf.

Auch die Bundesregierung ist sich bewusst, dass ein verschärftes Abschieberecht nur eine Seite der Medaille ist. Denn ohne aufnahmebereite Herkunftsländer sind Abschiebungen nicht möglich. 

Michael Weidemann, ARD Berlin, tagesschau, 18.01.2024 20:14 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Januar 2024 um 19:00 Uhr.