Nach monatelanger Debatte Kabinett beschließt Rentenpaket
Angesichts einer alternden Gesellschaft mit immer mehr Rentnern hat die Bundesregierung eine Reform angestoßen. Die erste Hürde ist nun mit dem Kabinettsbeschluss genommen.
Die Bundesregierung hat das sogenannte Rentenpaket II auf den Weg gebracht. Das Kabinett billigte den gemeinsamen Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Damit soll gesetzlich garantiert werden, dass das Rentenniveau in den Jahren bis 2039 nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns fällt.
Zudem wird mit dem vor allem von der FDP geforderten Generationenkapital eine Aktienrente eingeführt. Diese soll ab Mitte der 2030er-Jahre durch die Erträge eines überwiegend aus Krediten finanzierten 200-Milliarden-Euro-Fonds die Rentenversicherung entlasten.
"Zeichen für Leistungsgerechtigkeit"
"Mit dem Rentenpaket II stabilisieren wir das Rentenniveau dauerhaft und schaffen ein Generationenkapital, um zukünftige Beitragszahler zu entlasten", erklärte Bundesarbeitsminister Heil. Damit setze die Koalition "ein klares Zeichen für Leistungsgerechtigkeit".
"Weitere Rentenpakete werden folgen"
FDP-Chef Christian Lindner hält auch nach dem Beschluss des Rentenpakets weitere Reformen in der gesetzlichen Rente für nötig. "Die Beiträge in der gesetzlichen Rente werden aufgrund der Alterung der Gesellschaft voraussichtlich bis in die 30er-Jahre steigen, wenn sich nichts ändert", sagte der Bundesfinanzminister in Berlin. "Und deshalb ist das Rentenpaket II von heute der Vorläufer des Rentenpakets III und des Rentenpakets IV, des Rentenpakets V - jedenfalls weiterer Anstrengungen, die Beiträge für die Bürgerinnen und Bürger in den 30er-Jahren zu begrenzen", so Lindner.
Wahlversprechen stabiler Renten
Das Rentenpaket ist ein sozialpolitisches Kernvorhaben der Ampelkoalition, mit dem die SPD ihr Wahlversprechen stabiler Renten umsetzen will. Die FDP setzte sich mit ihrer Forderung nach einem Einstieg in die Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente durch. Dennoch übte vor allem die FDP in den vergangenen Monaten Kritik, dass vor allem jüngere Generationen zu stark belastet würden.
CSU: Rohrkrepierer und Mogelpackung
Heftige Kritik entzündete sich an den hohen Kosten der Rentenpläne. Laut Gesetzentwurf steigen die Rentenausgaben mit der Reform bis 2045 von 372 auf 802 Milliarden Euro. Der Unions-Arbeitsmarktexperte Stephan Stracke (CSU) sagte: "Mit dem Rentenpaket II kündigt die Bundesregierung den Generationenvertrag in der Rente auf."
Zusätzlich zu den massiven Beitragssatzsteigerungen infolge des demografischen Wandels bringe die Bundesregierung Milliarden-Mehrbelastungen für Beschäftigte und Unternehmen auf den Weg. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, bezeichnete das Paket als "Rohrkrepierer". Es sei "absolut keine Lösung für die Herausforderung des demografischen Wandels in der Rentenversicherung". Die sogenannte Kapitaldeckung sei eine reine Mogelpackung.
Grimm: Generationenkapital geht nicht weit genug
Kritik kommt auch von Ökonomen. Die Chefin der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, nannte das Rentenpaket II "nicht generationengerecht". Es sei "nicht der benötigte große Wurf, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren", sagte sie der Rheinischen Post.
Schnitzer forderte, die Renten nicht wie bisher an die Lohnentwicklung zu koppeln, sondern an die Preisentwicklung. Auch kritisiert sie, dass das geplante Generationenkapital nicht weit genug gehe. Es bleibe "weit hinter dem Vorschlag des Sachverständigenrats zur Aktienrente zurück und wird das Rentensystem nicht wesentlich entlasten".
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisierte die geplante Ausgestaltung des Generationenkapitals ebenfalls. "Besser wäre es tatsächlich, wenn man ein verpflichtendes kapitalgedecktes Verfahren einführt", sagte sie im WDR. Dieses würde jungen Menschen ermöglichen, "anzusparen, um dann später im Alter dadurch einen Teil ihrer Rente abdecken zu können".
DIW-Chef Fratzscher: Tropfen auf den heißen Stein
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält das Paket auch für einen Fehler. Es sei "eine gute Nachricht für die Babyboomer", sagte er dem Sender ntv. "Aber konkret heißt das auch, dass eine noch stärkere Umverteilung von Jung zu Alt stattfindet." Denn um das Rentenniveau stabil zu halten, müssten die Beiträge der Beschäftigten "von im Augenblick 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent im Jahr 2035" steigen.
Das Generationenkapital sieht der DIW-Chef wie die beiden Wirtschaftsweisen kritisch. Es werde "nicht genug Rendite generieren, um die gesetzliche Rente spürbar zu entlasten", mahnte er. Es gehe um zehn Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen pro Jahr. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein."