Polizeiwappen von Mecklenburg-Vorpommern
Analyse

Mecklenburg-Vorpommern Was am Polizeigesetz verfassungswidrig ist

Stand: 01.02.2023 13:43 Uhr

Das Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern ist laut Bundesverfassungsgericht teils verfassungswidrig. Etliche Maßnahmen seien unzulässig, stellten die Richter fest. Der Beschluss hat bundesweite Bedeutung.

Eine Analyse von Klaus Hempel, ARD-Rechtsredaktion

Im Jahr 2020 bekam die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche neue Befugnisse, um Straftaten schon im Vorfeld zu verhindern. Erleichtert wurde zum Beispiel der Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten, die eingesetzt werden, um Informationen bei verdächtigen Personen abzuschöpfen. Ermittler sollen auch heimlich die Wohnung von Verdächtigen betreten können, um dort Spähsoftware auf Computern oder Smartphones installieren zu können. Zudem wurde das heimliche Abhören von Handygesprächen oder das Abschöpfen von Textnachrichten erleichtert.

Gegen diese Regelungen gingen in Karlsruhe mehrere Verfassungsbeschwerden ein, unter anderem von einer Rechtsanwältin und einem Journalisten. Unterstützt wurden sie dabei von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF). Ihre Kritik: Die neuen Vorschriften würden zu stark in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, vor allem in die Privatsphäre, ohne dass eine konkrete Gefahr vorliegen müsse.

Claudia Kornmeier, SWR, zur Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts

tagesschau24 18:00 Uhr

Etliche Maßnahmen sind verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Entscheidung vielen Kritikpunkten gefolgt und hat etliche der neuen Maßnahmen für verfassungswidrig erklärt. So seien beim Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen worden, um die Privat- und Intimsphäre von Verdächtigen zu schützen.

Der Landesgesetzgeber habe es versäumt zu verbieten, dass verdeckte Ermittler und V-Leute eine intime Beziehung mit einer verdächtigen Person eingehen. Es müsse auch ausgeschlossen werden, dass höchst private Details abgeschöpft werden, die zum Kernbereich der privaten Lebensführung gehören. Wenn die Polizei abgeschöpfte Informationen auswerte, müsse sichergestellt werden, dass dabei ebenfalls höchst private Details außen vor bleiben. Im Zweifel müsse ein unabhängiger Datenschutzbeauftragter hinzugezogen werden.

Bundesverfassungsgericht kippt Polizeigesetz von Mecklenburg-Vorpommern teilweise

Frank Bräutigam, SWR, tagesschau, tagesschau, 01.02.2023 20:00 Uhr

Onlinedurchsuchung nur in Ausnahmefällen

Zu weit geht den Verfassungsrichterinnen und -richtern auch die Befugnis von Ermittlern, heimlich Wohnungen betreten zu können, um dort Spähsoftware auf Computern oder Smartphones für eine anschließende Onlinedurchsuchung zu installieren. Dies sei nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt, nämlich dann, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass schwerste Straftaten begangen werden und die Maßnahme von einem Richter angeordnet wird.

Gekippt hat das Bundesverfassungsgericht auch gesetzliche Vorschriften zur Rasterfahndung. Das gleiche gilt für die Ermächtigung der Polizei, bestimmte verdächtige Personen zur Beobachtung auszuschreiben. Hierfür fehle dem Land die Gesetzgebungskompetenz, sprich: Mecklenburg-Vorpommern hätte eine solche Vorschrift schon aus formellen Gründen gar nicht erlassen dürfen. Dem Landesgesetzgeber gab Karlsruhe bis Ende dieses Jahres Zeit, das Polizeigesetz nachzubessern.

Entscheidung hat bundesweite Bedeutung

David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V., betonte in einer Stellungnahme die weitreichende Bedeutung der Entscheidung aus Karlsruhe: "Das Urteil ist ein Erfolg für die Freiheitsrechte und wird über Mecklenburg-Vorpommern hinaus Auswirkungen haben."

Tatsächlich ist die Entscheidung bundesweit bedeutsam. Denn die Beschränkungen der polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen, die der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss formuliert hat, müssen von allen Bundesländern beachtet werden.

Aktenzeichen: 1 BvR 1345/21

Klaus Hempel, Klaus Hempel, SWR, 01.02.2023 13:45 Uhr