NRW-Wahlkampf Bitte recht freundlich
Die CDU setzte auf ein "Weiter so", die SPD auf etwas Kanzlerglanz. Die Grünen blieben maximal flexibel und die FDP mühte sich. In NRW endet ein höflicher Wahlkampf - nur einmal drohte die Stimmung zu kippen.
Ein Wahlkampf ist immer auch ein Spiegelbild seiner Zeit. Das haben die Wahlkämpfenden in den vergangenen Wochen in NRW deutlich gespürt. So wie sich auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise alles um solide Finanzen drehte oder im Zuge der Flüchtlingsbewegungen Integration und Innere Sicherheit in den Fokus kamen, stellt in diesen Tagen der Krieg in der Ukraine alles andere in den Schatten. Corona, das Klima, Bildungspolitik - alles rückt in den Hintergrund.
Das gilt auch für die wohl wichtigste Landtagswahl in diesem Jahr. Zwar kann die Politik in Düsseldorf nicht über Krieg und Frieden in der Ukraine entscheiden. Doch im Wahlkampf überlagerten die Kriegsfolgen trotzdem alles andere. All die landespolitischen Wahlkampfthemen und Kampagnen, die sich die Parteistrategen über Monate ausgedacht hatten, waren seit dem Kriegsbeginn Ende Februar kaum noch brauchbar.
Scholz-Plakate im ganzen Land
Das bekam auch die SPD zu spüren. Nach dem Sieg bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst wollten die Genossen in NRW mit einer Kopie der Scholz-Kampagne auch an Rhein und Ruhr punkten. "Mehr Gerechtigkeit" hieß es von Spitzenkandidat Thomas Kutschaty. Dahinter versteckten sich sozialdemokratische Evergreens wie "Bildung für alle" oder "bezahlbare Mieten".
Doch angesichts eines drohenden Energieboykotts aus Russland und steigenden Preisen hierzulande drangen die Sozialdemokraten damit kaum durch. Um trotzdem ein bisschen Glanz vom SPD-Kanzler abzubekommen, wurde Scholz im Endspurt überall im Land plakatiert. Nur blöd, dass zeitgleich die Zustimmungswerte des Kanzlers wegen seiner von vielen als zögerlich kritisierten Haltung im Ukraine-Konflikt sanken.
So richtig in die Enge treiben konnte die SPD die in NRW regierende CDU mit ihren Wahlkampfthemen nicht. Zeitweise schien es eher verkehrte Rollen zu geben. Da griff die CDU in bester Oppositionsmanier die SPD an, indem sie ihr unter anderem eine "Russland-Connection" andichten wollte.
CDU-Botschaft: Das ist Hendrik Wüst
Ansonsten war der CDU-Wahlkampf von einem klassischen "Weiter so" geprägt: NRW gehe es seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte vor fünf Jahren kontinuierlich besser. Diese Arbeit solle fortgesetzt werden - so die Erzählung. Stellenweise wirkte es so, als wolle die CDU nicht für das gewählt werden, was sie noch tun will - sondern für das, was sie bereits getan hat.
Vieles drehte sich aber auch darum, den eigenen Spitzenmann bekannt zu machen. Hendrik Wüst bestritt zwar den Wahlkampf als amtierender Ministerpräsident. Doch da er erst im Herbst ins Amt gekommen war, nachdem Armin Laschet aus der Staatskanzlei in den Bundestag umgezogen war, musste sich Wüst erst einen Namen machen. Statt allzu vieler Inhalte lautete daher die simple Botschaft: Das ist Hendrik Wüst.
Plötzlich stand das Thema Energie im Mittelpunkt
Der Ukraine-Krieg führte dazu, dass zuletzt vor allem das Thema Energie im Fokus stand. Für ein Industrieland wie NRW ist es schließlich besonders wichtig, dass zuverlässig genug Energie da ist, die dann auch bezahlbar bleibt. Vorschläge dazu kamen aus allen Richtungen.
Doch oftmals wurde nur Handlungsfähigkeit simuliert. Denn wirklich entscheiden kann die Landespolitik wenig bis gar nichts. So blieb Amtsinhaber Wüst oftmals nur die Möglichkeit, Forderungen an den Bund zu stellen. Und Herausforderer Kutschaty verteidigte die Linie der Ampel-Regierung. Mal wieder verkehrte Rollen.
Grüne bleiben maximal flexibel
In einer neuen Rolle fanden sich auch die Grünen wieder. Sie könnten nach der Wahl als sogenannte Königsmacher gelten und maßgeblich mitentscheiden, welcher Ministerpräsident und welche Koalition künftig in NRW regiert.
Inhaltlich sind sie im Wahlkampf eher durch Pragmatismus aufgefallen, anstatt mit forschen Forderungen anzuecken. So sollen Solaranlagen auf Dächern lediglich Standard werden und keine Pflicht. Am Kohleausstieg 2030 soll zwar festgehalten werden, aber um unabhängig von Russland zu werden, wird nicht ausgeschlossen, dass so manch ein Kraftwerk bis dahin länger laufen kann. All das ist wenig überraschend: Denn wer sich demonstrativ offen hält, sowohl mit CDU als auch mit SPD regieren zu wollen, kann sich inhaltlich nicht zu sehr einmauern.
FDP hat Mühe
Für die FDP war der Wahlkampf eher mühsam. Vor fünf Jahren hatte sie mit Christian Lindner noch ein starkes Zugpferd, der seiner Partei das beste Ergebnis in NRW einbrachte. Seinem Nachfolger Joachim Stamp gelingt es hingegen nicht, Lindners große Fußstapfen auszufüllen. Auch inhaltlich schwächelte die Kampagne. Der Slogan "Von hier aus weiter" übertünchte eigentlich nur ein müdes "Weiter so". Und mit dem Drängen auf Corona-Lockerungen, mit dem sich die Liberalen in den vergangenen Monaten innerhalb der NRW-Regierung von der CDU absetzten, ließ sich angesichts zunehmender Corona-Müdigkeit nicht mehr groß punkten.
Mit diesem Problem hatte auch die AfD zu kämpfen. Sie hatte über zwei Jahre lang die größte Distanz zur gängigen Corona-Politik gesucht. Doch im Wahlkampf spielte die Pandemie keine Rolle mehr. Auch für andere klassische AfD-Themen wie Migration und Kriminalität fehlte die große Aufmerksamkeit.
Unter einem Mangel an Aufmerksamkeit hat auch die Linkspartei zu leiden. Seit zehn Jahren ist sie nicht mehr im Düsseldorfer Landtag vertreten und so wird es immer schwieriger, die eigenen Themen öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Auch die Querelen und Skandale in der Bundespartei dürften kaum hilfreich gewesen sein.
Bis auf eine Ausnahme dahingeplätschert
So neigt sich in NRW ein Wahlkampf dem Ende zu, der eher so vor sich hingeplätschert ist, als dass er polarisiert hätte. Selbst das TV-Duell mit den beiden Spitzenkandidaten am Donnerstagabend veränderte den harmonischen, mitunter einschläfernden Charakter des Wahlkampfs nicht.
Nur kurzzeitig drohte die Stimmung zu kippen. Die Enthüllungen rund um die Mallorca-Reise von Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser kurz nach der Flutkatastrophe 2021 sorgten für empörte Aufregung. Mitten in der heißen Wahlkampfphase musste die CDU-Politikerin zurücktreten. Als dann noch von einer "Ausspäh-Aktion" der SPD die Rede war, drohte es endgültig schmutzig zu werden.
Am Ende besannen sich alle Beteiligten aber wieder und es ging gesittet weiter. Auch das dürfte ein Spiegelbild dieser Zeit sein.