Friedrich Merz und Hendrik Wüst
analyse

Bund-Länder-Gespräche Wer kompensiert die Steuerausfälle?

Stand: 18.06.2025 09:15 Uhr

Der von Schwarz-Rot geplante "Investitionsbooster" soll schnell kommen. Aber er wird teuer - für Bund, Länder und Kommunen. Wer zahlt? Darüber beraten die Ministerpräsidenten mit dem Kanzler.

Eine Analyse von Corinna Emundts, tagesschau.de

Diesmal sollte es klappen - zumindest mit der wahrhaftigen Teilnahme des Bundeskanzlers an der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK). Beim letzten Termin musste dieser kurzfristig absagen, ein Auftakt-Besuch beim US-Präsidenten kam Friedrich Merz dazwischen.

Unwahrscheinlich bleibt jedoch, dass diese MPK mit Merz bereits die große Nuss knackt: Es geht um den "Knackpunkt der Finanzierung", wie es SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nennt. Das sind nicht weniger als knapp 46 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen für die Jahre 2025 bis 2029, die das Finanzministerium beim Merz'schen "Investitionsbooster" für die Wirtschaft errechnet hat - für Bund, Länder und Kommunen. Davon entfallen allein 13,5 Milliarden auf der kommunalen Ebene.

Manuela Schwesig, SPD, zur Verteilung des Milliardenpakets an Länder und Kommunen

Morgenmagazin, 18.06.2025 07:00 Uhr

Deswegen gehe es jetzt wirklich ans Eingemachte, nicht nur um den üblichen Poker auf der Länderseite, wie einige Teilnehmer gegenüber tagesschau.de versichern: Es sei kein "Jammern auf hohem Niveau, sondern eine elementare Sache" - den meisten Bundesländern gehe es finanziell nicht gut, auf kommunaler Ebene sehe es noch schlechter aus.

Allein die Bundesstadt Bonn verliert laut ersten eigenen Schätzungen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in den Jahren 2025 bis 2029 rund acht Millionen Euro und bei der Gewerbesteuer rund 51 Millionen Euro.

Reihenweise Haushaltsnotlagen

Selbst in einem vergleichsweise reichen Bundesland wie Baden-Württemberg müssen Kommunen reihenweise Haushaltsnotlagen anmelden, so etwa die Universitätsstadt Tübingen. Grund dafür sind auch die ausgeweiteten Aufgaben, die der Bund auf Länder und Kommunen übertragen hat, zum Teil aber nur mit einer Anschubfinanzierung wie etwa im Kita-Bereich.

Merz braucht aber die Zustimmung der Länder. Die seiner Koalition eher sicheren 22 Bundesratstimmen von Schwarz-Rot reichen nicht für die nötige Mehrheit von 35 Stimmen. Da fehlt mindestens noch ein großes Bundesland wie Baden-Württemberg.

Doch gerade bei dessen grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ist davon auszugehen, dass er das "Booster"-Gesetz ablehnen wird, sofern es keine Kompensation der Steuerausfälle für Länder und Kommunen enthält. Er hatte bereits in der Vergangenheit öfter kritisiert, dass Länder und Kommunen durch neue Aufgaben des Bundes finanziell zu stark belastet wurden.

Aber auch die CDU-Länder machen Druck. Anfang Juni traf ein förmlicher Brief an Merz ein, genau einen Tag, bevor die MPK mit Merz stattfinden sollte. Sie verwiesen auf den gemeinsam vereinbarten Leitsatz: "Wer bestellt, bezahlt."

90 Prozent übernimmt der Bund?

Es ist sicher kein Zufall, dass ein mächtiger Ministerpräsident wie Hendrik Wüst genau einen Tag vor der MPK mit dem Vermittlungsausschuss droht. Das Gremium müsste angerufen werden, wenn sich Bundesrat und Bundestag beim "Booster"-Gesetz nicht einigen können.

Damit wäre jedoch der Plan der Bundesregierung dahin, schnell zu sein mit ihren Entlastungen für die Wirtschaft. Denn das hieße, alles noch vor der politischen Sommerpause hinzukriegen. Doch die Merz-Regierung steht unter hausgemachtem politischen Druck, jetzt Tempo machen zu wollen.

Das wiederum wissen die Länder und werden ihre Karte ausspielen. Wüst hat im Vorfeld bereits den Spielraum der Länder bereits abgesteckt: "Natürlich gehen wir mit dem Anspruch einer vollständigen Kompensation auf den Bund zu." Als möglichen Verhandlungsspielraum erwähnt er gerade mal zehn Prozent der Steuerausfälle, den die Länder tragen könnten. Das heißt im Umkehrschluss: 90 Prozent müsse der Bund übernehmen.

Lösung noch in weiter Ferne

Bei allem, was vorab zu vernehmen ist, liegt eine Lösung aber noch in weiter Ferne. Manche Länder würden die geplante Entlastung der Gastronomie opfern, die auch wieder Steuerausfälle für sie in dreistelliger Millionenhöhe bedeutet. CSU-Ministerpräsident Markus Söder ist dazu jedoch nicht bereit.

Doch auch der Bund kämpft stets darum, seinen Haushalt finanziert zu kriegen. Auch wenn die von Union und SPD zu Beginn überraschend beschlossenen und auch vom Bundesrat genehmigten, milliardenschweren schuldenfinanzierten Investitionspakete zur Verfügung stehen: Sie sollen ja für zusätzliche Investitionen, aber nicht für laufende Kosten genutzt werden. Ob etwa der Bund das 100-Milliarden-Paket, das er den Ländern an Investitionsvolumen zugesagt hat, nun für Kompensationszahlungen nutzen kann, dürfte bezweifelt werden.

Wirtschaft mahnt zur Eile

Dabei drängt nun die Zeit: Am 11. Juli soll der Bundesrat das Gesetz verabschieden. Wirtschaftsvertreter wie Christoph Ahlhaus, der Bundesgeschäftsführer des Mittelstandsverbandes, mahnen zur Eile: "Für Streit ist keine Zeit." Die Leistungsträger in diesem Land erwarteten ganz klar, dass man sich jetzt zusammenrauft und dieses Land in Ordnung bringt.

"Keiner will am Föderalismus rütteln, aber der Föderalismus darf auch nicht dazu führen, dass dieses Land handlungsunfähig wird", sagt Ahlhaus, der als CDU-Politiker selbst einmal kurzzeitig Erster Bürgermeister von Hamburg war.

Was an der wirklich vertrackten Verhandlungssituation überrascht, ist, dass das Finanzierungsproblem nicht unerwartet um die Ecke kam: Die Dimension der Steuerausfälle musste den Ländervertretern in den Koalitionsverhandlungen bereits klar gewesen sein. Auch sie wollten den "Booster" für die Wirtschaft, in der Hoffnung auf dadurch wieder mehr sprudelnde Steuereinnahmen. Fraglich, weshalb da nicht schon die Finanzierung konkreter mitverhandelt wurde.

Mit Informationen von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Hauptstadtstudio