SPD zu Gesprächen mit Union bereit Mützenich fordert Mäßigung in Migrationsdebatte
In der Migrationsdebatte plädiert SPD-Fraktionschef Mützenich für ein Abwägen der Worte - und zeigt sich offen für Gespräche mit der Union. Die Länder sind derweil bemüht, sich bei der Lastenverteilung gegen den Bund durchzusetzen.
Die Diskussion über die Migrationspolitik geht weiter: Bund, Länder und Kommunen ringen um ein gemeinsames Vorgehen angesichts der im Vergleich zum Vorjahr um rund 66 Prozent gestiegenen Anzahl an Asylanträgen. Nun scheint es zwischen Opposition und Ampel Bereitschaft zum Dialog zu geben. So erklärte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zu Gesprächen mit der Opposition über die Migrationspolitik bereit. Wenn die Union "endlich davon lässt, nur über einzelne Fragen zu reden, sind wir sehr offen dazu", sagte Mützenich vor einer Fraktionssitzung in Berlin.
Die eigene Koalition rief der SPD-Politiker zur Mäßigung in der Auseinandersetzung auf. Konkret nahm er auf eine Äußerung des FDP-Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai Bezug, der die Grünen wegen ihrer Migrationspolitik als "Sicherheitsrisiko" für das Land bezeichnet hat. "Auch Generalsekretäre müssen in der Lage sein, ihre Worte zu wägen", sagte Mützenich.
Djir-Sarai hatte am Wochenende gesagt: "Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer: Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen."
Mützenich für stationäre Grenzkontrollen
Auch inhaltlich positionierte sich Mützenich. Er begrüßte die Pläne von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu stationären Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen, um Schleuserkriminalität zu unterbinden. Allerdings sei "auch das kein Allheilmittel", sagte der SPD-Fraktionschef. Aber die Kontrollen könnten "ein Teil eines konstruktiven Weges" sein.
Lange hatte Faeser die stationären Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien abgelehnt. Nun kündigte sie aber an, diese als vorübergehende Maßnahme - zusätzlich zur Schleierfahndung - in Absprache mit beiden Ländern vorzubereiten.
Mützenich erinnerte auch daran, dass man sich darauf verständigt habe, dass es vor allem um den Schutz der EU-Außengrenzen gehen müsse. Zugleich müssten "vor dem Hintergrund des zusammenwachsenden Binnenmarkts die Grenzen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten geöffnet bleiben", fügte der SPD-Fraktionschef hinzu.
Weil: Ministerpräsidenten beraten Mitte Oktober
Ein Streitpunkt in der Debatte ist die Lastenverteilung bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten zwischen Bund und Ländern. Offenbar wollen sich die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer für Verhandlungen mit dem Bund wappnen und früher über weitere Schritte beraten als bisher geplant. "Dieses Thema wird mit Sicherheit schon auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Mitte Oktober intensiv behandelt werden", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil dem Magazin "Stern".
Bislang sollte das Thema erst bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 6. November mit Bundeskanzler Olaf Scholz besprochen werden. Zuvor, am 12. Oktober, kommen die Länderchefinnen und -chefs zu ihrer internen Jahrestagung ohne Scholz zusammen, bei der Weil auch den MPK-Vorsitz an die hessische Landesregierung übergeben wird.
"Brauchen eine faire Kostenverteilung"
Eine verlässliche Mitfinanzierung des Bundes bei den Flüchtlingskosten sei "überfällig, um die Lasten der Kommunen auf ein erträgliches Maß zu bringen", betonte Weil. Die Unterbringung und Versorgung der vielen Geflüchteten müsse noch stärker als bislang als eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen angesehen werden. Es brauche eine faire Kostenverteilung.
"Es ist irreführend und gefährlich, wenn man den Menschen vormacht, es gäbe einige wenige schnell umsetzbare Maßnahmen, um die Zahl der allwöchentlich zu uns Kommenden wesentlich zu reduzieren", fügte Weil hinzu. Stationäre Kontrollen an der polnischen Grenze hält der niedersächsische Ministerpräsident allerdings für "sinnvoll".
Stübgen: "Zeit drängt" bei den Grenzkontrollen
Ähnlich sieht das Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen. Der CDU-Politiker dringt auf eine schnelle Einführung der festen Kontrollen. "Die Kehrtwende von Nancy Faeser in Sachen stationäre Grenzkontrollen begrüße ich grundsätzlich - besser spät als nie", sagte Stübgen. "Jetzt muss es aber darum gehen, wie genau die Grenzkontrollen ausgestaltet werden. Bisher ist da noch nicht viel bekannt - aber die Zeit drängt." Der Innenminister fordert bereits seit mehreren Monaten feste Grenzkontrollen und erhofft sich davon Entlastung.
Die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburg zählte laut Innenministerium im September bisher mehr als 1.900 Zugänge von Geflüchteten. Das seien im Durchschnitt 77 Menschen pro Tag, darunter seien 55, die irregulär eingereist und von der Bundespolizei weitergeleitet worden seien.
Gewerkschaft der Polizei gegen stationäre Grenzkontrollen
Während Faesers Initiative aus der Politik einigen Zuspruch erhält, zeigt sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) skeptisch. In der polizeilichen Arbeit sehe man diese als "nicht effektiv" an, sagte die Vizevorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Erika Krause-Schöne, der "Rheinischen Post". Dauerhafte stationäre Grenzkontrollen seien auch eine "dauerhafte Belastung" und "sehr personalintensiv". Die Bundespolizei wolle lieber "agil auf der Grenzlinie" agieren können.
Auch aus der Wirtschaft kommt Widerstand. Der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, warnte im "Handelsblatt" vor den Folgen für Geschäftsleute, Dienstleister, Handwerker oder Touristen. "Stationäre Kontrollen bringen den Reise- und Warenverkehr zwar nicht zum Erliegen, führen aber zwangsläufig zu Verzögerungen", warnte Treier. Daher müsse die Politik hier "sehr sensibel" vorgehen.