Linkspartei vor Spaltung Besser ohne Wagenknecht?
Teile der SPD werben schon um Politiker der Linkspartei. Nach dem jüngsten Streit um Wagenknecht und Partei-Austritten droht der Linken die Spaltung. Die Parteiführung wiegelt ab.
Die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner wirkt frisch und aufgeräumt in ihrem Berliner Büro - bis man sie fragt, was es mit ihr macht, dass die AfD lautstark applaudiert für die heftig kritisierte Bundestagsrede ihrer Parteikollegin Sahra Wagenknecht. "Das tut so richtig weh", meint die ehemalige Vize-Parteivorsitzende. Renner engagiert sich seit mehr als 30 Jahren für den Kampf gegen Rechts, saß für die Linke als Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss. Nun muss sie beobachten, wie die AfD und die aus Renners Sicht zum Teil ebenfalls rechte Querdenker-Szene Wagenknecht Beifall zollt.
Wagenknecht hat erst im Sommer ein Parteiausschlussverfahren unbeschadet überstanden. Da ging es um ihr Buch "Die Selbstgerechten", in dem sie besonders beim Umgang mit Geflohenen eine Haltung vertritt, die eher der AfD entspricht als der Linkspartei. Nun die Rede im Bundestag, bei der sie der Ampel-Regierung vorgeworfen hat, einen "beispiellosen Wirtschaftskrieg" gegen Russland vom Zaun gebrochen zu haben.
Seitdem werden die Rufe nach einer Spaltung der Linkspartei wieder lauter. Auf Twitter denken auch Parteimitglieder unter dem Hashtag #DieLinke laut darüber nach, ob eine Trennung nicht das Beste für alle wäre. Dass solche Überlegungen nicht ganz an den Haaren herbeigezogen sind, zeigt eine parteiinterne SMS, die das Magazin "Der Spiegel" schon vor Monaten veröffentlicht hat. Darin schrieb Wagenknecht: "Natürlich kann man das alles widerspruchlos hinnehmen. Man darf sich dann nur nicht beschweren, wenn zumindest ich mit diesem Laden nichts mehr zu tun haben will."
Rauer Ton
Martina Renner geht davon aus, dass es zur Spaltung kommen wird - auch, wenn sie das Wort nicht mag, weil es ihrer Meinung nach falsche Mehrheitsverhältnisse suggeriere. Die Wagenknecht-Fans seien eine Minderheit innerhalb der Partei, die Mehrheit bekenne sich zu den gemeinsamen, progressiven Grundsätzen. Aber der Ton dieser Minderheit sei rauer geworden. Die Dreistigkeit, mit der agiert werde, zeige, dass ihnen Fraktion und Partei sowieso längst egal geworden seien.
Renner sieht den Austritt von Oskar Lafontaine kurz vor der Saarland-Wahl im Frühjahr als Blaupause: Man suche den richtigen Moment, um maximalen Schaden zu erreichen. Nach Lafontaines Austritt verlor die Linke an der Saar rund zehn Prozent und zog nicht mehr in den Landtag ein.
Parteiführung wiegelt ab
Co-Parteichef Martin Schirdewan glaubt indessen nicht, dass die Fraktion zerbricht: "Ich gehe davon aus, dass die Bundestagsfraktion natürlich bis zum Ende der Legislatur diese Arbeit auch umsetzen wird", sagte er im SWR-Interview. Auch Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch teilt die Idee einer Spaltung ausdrücklich nicht. Für ihn sei die gesamtdeutsche Existenz der Linken eine historische Leistung, mit der niemand leichtfertig spielen solle.
Nur ist die Linkspartei halt traditionell keine sonderlich autoritätshörige Partei.
Eine mögliche Abspaltung von Wagenknecht und ihrer Anhängerschaft hätte für die verbliebene Linkspartei erhebliche Konsequenzen: Die Partei wäre wohl den Fraktionsstatus und damit Geld für Ressourcen und Personal los. Sie hätte wahrscheinlich weniger Redezeit und kaum noch Rechte in den Ausschüssen. Was wären also die Vorteile einer Linken ohne Wagenknecht? Renner meint, sicherlich ginge man erst durch ein paar Monate der Tränen. "Aber dann kommen vielleicht ein paar Ausgetretene zurück und wir gewinnen Glaubwürdigkeit und Eindeutigkeit und vielleicht kann das ein Moment sein, in dem wir uns wieder zusammenrappeln."