Kritik vom Apothekertag Lauterbach will Apothekengründungen erleichtern
Die Zahl der Apotheken in Deutschland schrumpft stetig. Bundesgesundheitsminister Lauterbach will daher Neueröffnungen erleichtern und größere Flexibilität ermöglichen. Doch der Apothekerverband geht auf die Barrikaden.
Um den Apothekenmangel in vielen Regionen zu bekämpfen, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Neueröffnungen erleichtern. Auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf sagte Lauterbach, er wolle noch in diesem Jahr eine entsprechende Gesetzesänderung in den Bundestag einbringen.
So wolle er eine Strukturreform durchsetzen, um vor allem auf dem Lande das Apothekennetz zu sichern. Ein wichtiges Ziel ist es dabei, die Gründung von Filialapotheken zu erleichtern. Das System solle liberaler und wirtschaftlicher werden.
Apotheken ohne Apotheker
Dort muss nach den Vorstellungen Lauterbachs dann kein approbierter Apotheker mehr vor Ort sein. Stattdessen könnten pharmazeutisch-technische Assistenten den Apotheker in den Filialen vertreten und Beratungen allein anbieten, "wenn sie digital an die Hauptapotheke angebunden sind", sagte der Minister der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Zweigstellen müssten auch keine Labore vorhalten und weder an Not- noch an Nachtdiensten teilnehmen.
Um Lieferengpässe von Kindermedikamenten aufzulösen, dürften die Apotheken zudem künftig ohne Arztrücksprachen andere Darreichungsformen ausgeben oder eigene Rezepturen erstellen. Auch Öffnungszeiten könnten flexibler gehandhabt werden.
Doch betonte der Minister, dass das Mehrbesitzverbot, wonach Apotheker nicht beliebig viele Apotheken eröffnen können und Ketten verhindert werden sollen, nicht zur Debatte stehe. Es sollten aber ein bis zwei zusätzliche Filialen zugelassen werden, so dass sie auch dort aufgebaut werden könnten, wo sonst keine neue Apotheke mehr entstünde. "Das sind auch Maßnahmen, mit denen wir verhindern wollen, dass die Apotheke der Zukunft die Versandhandelapotheke ist", sagte Lauterbach.
Scharfe Kritik von Apothekern
Für seine Vorschläge wurde der online zugeschaltete Minister allerdings von den Apothekerinnen und Apothekern in Düsseldorf ausgebuht. Die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Overwiening, übte scharfe Kritik. Als erster Bundesgesundheitsminister sei der SPD-Politiker offenbar bereit, "das Apothekensystem, das unsere Bevölkerung seit Jahrzehnten sicher versorgt, gänzlich zu zerstören", sagte Overwiening.
Die Annahme des Ministers, dass seine Pläne zu mehr Filialgründungen insbesondere auf dem Land führen würden, sei an den Haaren herbeigezogen, sagte Overwiening. Vielmehr zeige die Erfahrung aus anderen Ländern, dass die von Lauterbach geplanten neuartigen Filialapotheken fast ausschließlich in stark frequentierten Lagen und in Stadtnähe gegründet würden. "Auf dem Land wird das Apothekensterben zunächst unbegrenzt weitergehen."
Im November solle es einen "Protestmonat" geben, erklärte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Regina Overwiening.
November soll Protestmonat werden
Nach dem bundesweiten Protesttag heute haben die Apotheker eine Fortsetzung ihres Widerstands gegen die Reformpläne Lauterbachs angekündigt. Im November solle es einen "Protestmonat" geben, bei dem es an jedem Mittwoch "regionale Apothekenschließungen und zentrale Kundgebungen geben" werde, sagte Overwiening.
Schon heute hatte die ABDA ihre Mitglieder aufgerufen, drei Stunden lang zu streiken. Den Teams sollte damit auch die Möglichkeit gegeben werden, die Rede Lauterbachs beim Apothekertag online live zu verfolgen. Die Apothekerverbände fordern unter anderem eine Erhöhung der Apothekenvergütung um 2,7 Milliarden Euro pro Jahr.
Miese Stimmung in der Branche
Die Stimmung in der Branche ist schlecht. Bei einer aktuellen, repräsentativen ABDA-Umfrage gaben mit rund zwei Drittel der befragten Apothekenbetreiber an, sie befürchteten, dass sich die wirtschaftliche Lage ihrer eigenen Apotheke in den nächsten zwei bis drei Jahren verschlechtern werde.
Für die Branche sahen sogar über 80 Prozent der Befragten düstere Zukunftsperspektiven. Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt seit Jahren. Ende Juni gab es bundesweit noch 17.830 Apotheken. Damit ging die Zahl der Apotheken im Vergleich zum Jahresende 2022 um 238 zurück.