Karl Lauterbach Der Rolle-Rückwärts-Minister
Was ihm als Professor noch gelang, will Karl Lauterbach im Ministeramt nicht mehr so recht gelingen. Dabei ist er durchaus aktiv. Und genau das ist das Problem.
Krankenhausreform. Corona-Herbst-Konzept. Digitalisierung. Cannabis-Legalisierung. Triage-Gesetz. Karl Lauterbach wirbelt unverdrossen weiter. Dabei könnte der rastlose Gesundheitsminister - jetzt wo der Krieg in der Ukraine das Dauerthema Corona aus den Schlagzeilen einstweilen vertrieben hat - doch auch mal zur Ruhe kommen. Jedenfalls wünschen sich das manche seiner Begleiter in Politik und Gesundheitsbranche.
Andere ätzen, der Karl agiere erratisch. Die Rolle rückwärts sei seine Parade-Disziplin. Böse Zungen unken, der könne Ministerium einfach nicht, haben wir doch immer schon gesagt.
Entwurf zum Triage-Gesetz
Jüngstes Beispiel: das Triage-Gesetz. Zum Wochenende kursierte ein Referentenentwurf aus dem Gesundheitsministerium, abgestimmt mit dem Justizressort. Darin versteckt: ein Medizin-ethischer Tabubruch. Das Gesetz soll regeln, wer den Beatmungsplatz bekommt, wenn die Kapazitäten knapp werden und nicht mehr für alle Patienten ausreichen.
Besonders brisant: die Ex-Post-Triage. Die sieht vor, dass ein Patient mit geringerer Überlebenschance von den Maschinen abgeschaltet wird, um einen Patienten mit besserer Heilungschance versorgen zu können. Drei Ärzte sollen das einvernehmlich entscheiden.
Entsetzen, Unverständnis, Kritik
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Ungläubiges Entsetzen bei Grünen und SPD, hatte man sich doch mit Lauterbach eigentlich abgestimmt und klar gegen die Ex-Post-Triage votiert. Unverständnis auch bei Intensivmedizinern und Strafrechtlern, scharfe Warnungen schickte der Caritas-Verband nach Berlin: "Schleichend verändert sich unter dieser Überschrift die Diskussion um die Triage - von einem Instrument der medizinischen Abwägung in akuten Notfallsituationen zu einer Legitimation von Rationierung medizinischer Leistungen nach Nützlichkeit und Lebenswert", befindet Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Zu Wochenbeginn dann ruderte Karl Lauterbach zurück. "Ex-Post-Triage ist ethisch nicht vertretbar und weder Ärzten, Patienten noch Angehörigen zuzumuten. Deshalb werden wir es auch nicht erlauben", ließ der Minister über seinen Sprecher ausrichten.
Nicht die erste Kehrtwende
Da war sie also wieder, die Kehrtwende, Lauterbachs druckbetankte Rolle-Rückwärts. Es ist nicht die erste. Live im Fernsehen kassierte Lauterbach Anfang April auch die Quarantäne-Ordnung, die er tags zuvor mit den Ländern noch einvernehmlich beschlossen hatte. Sehr kurzfristig muss ihm klar geworden sein, dass das Ende der verpflichtenden Isolation bei hohen Infektionszahlen keine so gute Idee war. Ach ja, und auch die Genesenen-Ordnung erfreute sich nur kurzer Lebensdauer, nachdem die Länder Lauterbach in die Zange genommen hatten.
Zu viel, zu schnell, zu wenig durchdacht?
Lauterbach, der rastlose Minister, macht Fehler. Der süße Zauber des Neubeginns ist der Schwere der Regierungslast gewichen. Was dem Professor in Opposition und von der Außenlinie noch gelang - die Dinge zu erklären und die Menschen mitzunehmen - will im Amt so recht nicht mehr gelingen.
Das Scheitern der Impfpflicht, für die er so flehentlich warb, ist auch seine Niederlage. Und im Ringen um die richtige Corona-Politik leuchtet die Ampel mehr gelb als rot.
Oder wie es einer formuliert, der ihm eigentlich wohlgesonnen ist: Der Karl habe gegenüber der FDP überhaupt keine Durchsetzungsfähigkeit. Er wirke getrieben, Dinge und Prozess passierten zu oft unabgestimmt. Und dass FDP-Justizminister Marco Buschmann die Ex-Post-Triage wohl habe durchsetzen wollen. Doch kaum jemand habe gedacht, dass er es jemals ins Ministeramt schaffen würde und so solle man ihn auch jetzt nicht zu früh abschreiben.