Laumann soll CDU-Vize werden Ganz anders als Merz
Vor dem Parteitag der CDU in Berlin haben die Strategen die personellen Weichen gestellt. Der Chef des Arbeitnehmerflügels und NRW-Sozialminister Laumann dürfte neuer Bundesvize werden. Er steht für völlig andere Themen als CDU-Chef Merz.
Friedrich Merz und Karl-Josef Laumann stammen beide aus Westfalen, sind katholisch, Christdemokraten und gehören der gleichen Generation an. Merz wird in diesem Jahr 69, Laumann 67. Doch ansonsten könnten zwei Unionspolitiker kaum unterschiedlicher sein. Während Merz mit seiner berühmten Steuererklärung in Kurzform gezeigt hat, dass Bierdeckel auch für die Theorie taugen, steht bei Laumann die praktische Seite des Pappuntersetzers im Vordergrund.
In der Corona-Pandemie sorgte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister und bekennende Schützenfest-Fan für viel Heiterkeit, als er den Menschen riet, bei privaten Feiern etwas kürzer zu treten. Gegen Bier, so befand er, sei nichts einzuwenden. "Man kann ja mit dem Schnaps mal etwas vorsichtiger sein." Damit hatte er in ernsten Zeiten die Lacher auf seiner Seite. Ein typischer Laumann, gerade heraus und unorthodox.
Auch wenn sie in derselben Partei sind, stehen der Sauerländer Merz und der Münsterländer Laumann für denkbar andere Themen: Merz, der Jurist und Wirtschaftsmann, Laumann, der Maschinenschlosser und Sozialpolitiker. Mittelstandsunion (MIT) gegen Christdemokratische Arbeitnehmerschaft (CDA). Blackrock gegen IG Metall. Hier scharfe Rhetorik, dort eine bodenständige Originalität, wie sie in der deutschen Politik nur noch selten zu finden ist.
Laumann als soziales Gewissen der Union
Seit Merz Parteichef ist und Carsten Linnemann Generalsekretär, auch er aus Westfalen und Mitglied des Wirtschaftsflügels, reifen in der CDU Pläne, den Sozialpolitiker Laumann ganz vorn in die Parteispitze zu hieven. Aus dem Arbeitnehmerflügel ist zu hören, dass nur so die Breite der Union als Volkspartei sichtbar werde. Laumann soll das soziale Gewissen der Partei verkörpern. Anders als Merz traut man ihm zu, im Wahlkampf die sozialpolitische Flanke zu schließen.
Die Union habe drei Wurzeln, ist immer wieder zu hören: die konservative, die liberale und die christlich-soziale. Letztere droht nach Auffassung mancher in der Partei zu verkümmern. Das soll Laumann jetzt richten. "Poltern für die soziale Sache", hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung seinen Politikstil einmal beschrieben. Auf dem Sozialflügel, wo ohnehin eine gewisse Merz-Skepsis vorhanden ist, traut man Laumann zu, dass er dort punktet, wo Merz sich erkennbar schwertut.
Auch bei den Gewerkschaften genießt Laumann hohes Ansehen. "Er ist ein verlässlicher und loyaler Gewerkschafter", sagt Anja Weber, DGB-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, über ihn. Regelmäßig sei man mit ihm in Kontakt. "Es gibt wenige von seinem Schlag in der CDU."
Sie attestiert ihm ein gutes Gespür für Sozialthemen und ist sicher, dass Laumann sich nicht nur als Feigenblatt für Soziales im CDU-Vorstand verstehen wird. Mit ihm "bekommen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der CDU die Bedeutung, die ihnen zusteht".
Der Weg für Laumann ist frei
Vor dem Parteitag stellt sich Sozialpolitiker Laumann ganz in den Dienst der Sache: "Merz ist jemand, der einen Plan für Deutschland hat", sagt er. Aber Laumann weiß auch, dass in der Partei offen über die Defizite des Vorsitzenden geredet wird. "Es geht darum, auch Wechselwähler für die Union zu gewinnen," sagt er selbstbewusst über seine künftige Rolle. "Eine gute Sozialpolitik gibt den Leuten Sicherheit, das muss eine CDU verkörpern." Dass er sich damit meint, versteht sich von selbst.
Der Weg für Laumann, auf dem Bundesparteitag zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt zu werden, ist frei. Ein Gedrängel um die Vize-Posten, nach dem es vorübergehend aussah, ist von den Strategen abgeräumt worden. Ines Claus, Fraktionsvorsitzende der CDU im hessischen Landtag, verzichtet auf eine Kandidatur. Auch Gitta Connemann aus Niedersachsen, die Bundesvorsitzende der Mittelstandsunion, tritt nicht an.
Wider die Dominanz der Mittelstandsunion
Auf die fünf Stellvertreter-Positionen werden sich neben Laumann die bisherigen Vizes und Bundestagsabgeordneten Silvia Breher (Niedersachsen) und Andreas Jung (Baden-Württemberg) bewerben, außerdem Ministerpräsident Michael Kretschmer (Sachsen) und Landesministerin Karin Prien (Schleswig-Holstein). Laumann wäre der einzige im Bundesvorstand, der dem Arbeitnehmerflügel angehört, alle anderen "zahlen ihre Beiträge bei der MIT", wie ein CDA-Mann sagt.
Bislang hat die CDU stets Wert darauf gelegt, dass die führenden Köpfe auch aus möglichst vielen Ecken der Republik kommen. Man sei eine "föderale Partei". Derzeit herrscht aber ein personelles Überangebot aus Nordrhein-Westfalen: Merz, Linnemann, Jens Spahn und Ina Scharrenbach, Kabinettskollegin von Laumann in Düsseldorf, sind Mitglieder im Präsidium, der Düsseldorfer Ministerpräsident Hendrik Wüst ist als beratendes Mitglied auch Teil der Parteispitze.
Instinktpolitiker mit schnörkellosem Stil
Trotzdem kann Laumann mit einem guten Ergebnis rechnen. Das dürfte auch daran liegen, dass der kantige Münsterländer als durchsetzungsstark gilt. Öffentlichkeitswirksam bietet er etwa Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Stirn, wenn es um die zwischen Bund und Ländern umstrittene Krankenhausreform geht. Seiner eigenen Partei hat er vor Jahren den Mindestlohn schmackhaft gemacht, auch hat er am neuen Grundsatzprogramm mitgewirkt.
"Laumann ist ein Instinktpolitiker", sagt ein führender Christdemokrat. Eines der auffälligsten Merkmale ist sicherlich seine schnörkellose Sprache. Klar, direkt, auch mal deftig. Staatstragende Reden sind ihm fremd. Dass die Menschen ihn verstehen, ist ihm dabei wichtiger als fehlerfreie Grammatik.
Manchmal kann Laumann mit seiner Art Freund und Gegner gleichermaßen amüsieren. Kurz vor Weihnachten trat er im Düsseldorfer Landtag ans Rednerpult und wünschte dem versammelten Plenum ein frohes Fest. Um dann mit spitzbübischer Freude hinzuzufügen: "Ich freue mich richtig darüber, dass Jesus Christus geboren ist. Denn wenn er nicht geboren wäre, gäb's keine CDU." Da musste auch die SPD lachen.