Wahl in Schleswig-Holstein Nord-CDU triumphiert, SPD stürzt ab
Die CDU von Ministerpräsident Günther triumphiert bei der Wahl in Schleswig-Holstein und kann sich ihren Koalitionspartner aussuchen. Die SPD stürzt dramatisch ab. Die Grünen feiern Platz 2, auch der SSW jubelt. Die FDP verliert, die AfD zittert.
Überragender Wahlsieg für die CDU in Schleswig-Holstein: Die Partei von Ministerpräsident Daniel Günther kommt laut ARD-Hochrechnung auf 43,4 Prozent und lässt damit die gesamte politische Konkurrenz weit hinter sich. Die CDU dürfte dabei von der Zufriedenheit mit der bisherigen Jamaika-Regierung und vor allem vom "Günther-Bonus" profitiert haben. Der 48-jährige Regierungschef ist außerordentlich beliebt im Land, auch über Parteigrenzen hinweg. Entsprechend war der CDU-Wahlkampf auch sehr auf Günther zugeschnitten. "Der Wahlsieger sind wir", sagte Günther am Abend vor jubelnden Anhängern.
Er führt das Bundesland seit 2017 - damals kam seine CDU auf 32,0 Prozent. Ob Günther weiter mit Grünen und FDP in einem Jamaika-Bündnis regiert, gehört zu den spannenden Fragen an diesem Wahlabend.
Vize-Landeschefin Karin Prien ließ offen, ob die CDU in Kiel künftig mit den Grünen oder der FDP regieren will.
SPD stürzt ab
Ganz anders die Situation bei der SPD: Rund sechs Wochen nach dem Wahlerfolg im Saarland, erleben die Sozialdemokraten im Norden nun eine historische Niederlage. Die Partei um Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller stürzt ab auf 16,0 Prozent und unterbietet damit ihr bisher schlechtestes Ergebnis von 25,4 Prozent aus dem Jahr 2009 deutlich. Der Wahlkampf der Nord-SPD litt unter einem weithin unbekannten Kandidaten, der gegen den beliebten Amtsinhaber schon früh als chancenlos galt. Doch auch inhaltlich hatten die Sozialdemokraten aus Sicht der Wählenden offenbar wenig Überzeugendes anzubieten. Umfragen von Infratest dimap ergaben massive Kompetenzverluste auch bei SPD-Kernthemen wie sozialer Gerechtigkeit.
"Wir haben es nicht geschafft, unsere Themen zu setzen", räumte Losse-Müller enttäuscht ein.
Grüne gewinnen, FDP verliert
Die Grünen schneiden mit 18,3 Prozent erheblich stärker ab als vor fünf Jahren (12,9 Prozent). Sie schaffen es sogar, die schwache SPD von Platz 2 zu verdrängen. Im Wahlkampf setzten sie auf Finanzministerin Monika Heinold, die im Duo mit Landtagspräsidentin Aminata Touré um Stimmen warb. Heinold ist ein bekanntes Gesicht im Land, seit zehn Jahren führt sie in wechselnden Koalitionen das Finanzministerium. Diesmal wollte sie Günther in der Staatskanzlei ablösen, das gelang jedoch nicht.
Aber mitregieren wollen die Grünen gerne weiterhin: "Die Menschen im Land wollen, dass wir weiter Regierungsverantwortung tragen", sagte Heinold am Abend. "Ob es so kommt, werden wir sehen."
Die FDP muss Verluste hinnehmen. Sie kommt mit Wirtschaftsminister Bernd Buchholz als Spitzenkandidat auf 6,4 Prozent. Vor fünf Jahren lag sie bei 11,5 Prozent, was aber wohl auch viel mit dem populären und omnipräsenten damaligen Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki zu tun hatte. Seit 2017 regiert die FDP als kleinster Partner in einer Jamaika-Koalition mit, das Bündnis würde sie gern fortsetzen - oder: noch lieber ein Zweierbündnis mit der Günther-CDU schmieden.
AfD auf der Kippe, SSW gewinnt
Die AfD, die vor fünf Jahren mit 5,7 Prozent in den Kieler Landtag einzog, kommt nun laut Hochrechnung nur noch auf 4,4 Prozent - und wäre damit raus aus dem Landesparlament. Angetreten war sie erneut mit Jörg Nobis als Spitzenkandidat. "Wir zittern noch", sagte Nobis. Alle Parteien hätten gegen die Beliebtheit des Ministerpräsidenten schwer zu kämpfen gehabt.
Zu den Wahlgewinnern darf sich auch der SSW zählen. Die Partei der dänischen und friesischen Minderheit legt deutlich zu und erreicht nun 5,7 Prozent. Der Südschleswigsche Wählerverband ist eine Besonderheit der schleswig-holsteinischen Landespolitik, von der Fünfprozenthürde ist er ausgenommen. Die Partei mit Spitzenkandidat Lars Harms setzte im Wahlkampf auf soziale Themen und dürfte auch von der Schwäche der SPD profitiert haben. Von einem "Hammerergebnis" sprach Harms am Abend in der ARD.
Von 2012 bis 2017 war der SSW an einer SPD-Regierung beteiligt, diesmal würde er sich wohl auch an einer Koalition mit Günthers CDU nicht verschließen.
Wie weiter im Norden?
Aber ob Günther den SSW überhaupt braucht, ist unwahrscheinlich. Das hängt auch davon ab, ob die AfD den Wiedereinzug in den Landtag schafft. Als wahrscheinlich gilt hingegen, dass es eine Neuauflage von Jamaika im nördlichsten Bundesland wohl nicht geben wird. Denn Ministerpräsident Günther schneidet mit seiner CDU so stark ab, dass es für ein Zweierbündnis reicht. Und weder Grüne noch FDP wollen ein nicht benötigter dritter Partner sein.
Signalwirkung für NRW nächste Woche?
Insgesamt waren 2,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. In Schleswig-Holstein dürfen auch 16-Jährige bereits wählen.
Aus bundespolitischer Sicht ist die Wahl im nördlichsten Bundesland insofern von Bedeutung, als dass sich die Parteien eine Dynamik für die wichtige Landtagswahl nächste Woche im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen erhoffen. Anders als in Kiel zeichnet sich in Düsseldorf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Hendrik Wüst von der CDU und SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty ab. Ein Machtverlust in NRW wäre für die Merz-CDU ein herber Rückschlag bei dem Versuch, nach der verlorenen Bundestagswahl als Opposition Tritt zu fassen. Schließlich steckt der Partei noch das Wahldebakel im Saarland in den Knochen. Der klare Wahlsieg in Kiel kommt aus CDU-Sicht daher genau richtig.
Für die SPD um Kanzler Scholz ist die Niederlage in Schleswig-Holstein ein erwarteter Dämpfer, das Ausmaß des Absturzes der Nord-Genossen dürfte aber vor allem nach dem grandiosen Erfolg im Saarland umso schmerzhafter sein. Doch damit dürften sich die Sozialdemokraten kaum lange aufhalten wollen. Gelänge ihnen nächste Woche ein Machtwechsel am Rhein, könnte Scholz dies auch als eine Bestätigung für die Politik der Bundesregierung im Ukraine-Konflikt werten.