Regierungsreisen zur EM Sechs Flüge für eine halbe Million Euro
Mehr als 500.000 Euro für Regierungsflüge zur EM: Die Linken-Gruppe im Bundestag findet das "völlig verantwortungslos". Das Verteidigungsministerium hingegen spricht von einkalkulierten Posten.
Regierungsflüge zu Spielen der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft (EM) haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums 531.000 Euro gekostet. Dabei geht es um sechs Einsätze der Flugbereitschaft der Bundeswehr, die Bundeskanzler Olaf Scholz und mehrere Mitglieder seines Kabinetts zu Spielbesuchen flog. Die teuerste Reise - von Berlin nach Stuttgart und zurück, zum Spiel Deutschland-Ungarn am 19. Juni - kostete 114.487,41 Euro.
Die Zahlen und Daten gehen aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Frage des Vorsitzenden der Linken-Gruppe im Bundestag, Sören Pellmann, hervor. Die Antwort liegt dem ARD-Hauptstadtstudio vor. Pellmann kritisiert die Flüge und spricht von einer "abgehobenen Kaste, die sich die Flugbereitschaft gönnt." Wer für sechs "angebliche Dienstreisen" Kosten von mehr als einer halben Million Euro verursache, sei "entweder völlig verantwortungslos oder endgültig abgehoben", sagte der Linken-Abgeordnete der Zeitung Welt, die zuerst über die Anfrage berichtet hatte.
Die Flugbereitschaft dürfe "nicht die alternative Reisemöglichkeit für ein abendliches Unterhaltungsprogramm der Bundesregierung sein", so Pellmann. "Vermutlich aber ist die Flugbereitschaft aufgrund der kaputtgesparten Bahn für die Ministerinnen und Minister und den Kanzler das angenehmere Reisemittel." Eine Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios hatte bereits während der EM ergeben, dass viele Minister mit dem Auto oder auch mit dem Zug zu Spielen angereist sind.
Verteidigungsministerium verweist auf "Vollkostenkalkulation"
Insgesamt sechsmal nahm die Bundesregierung bei der EM Regierungsflieger in Anspruch. Kanzler Scholz nahm bei seinen vier Flügen weitere Ministerinnen und Minister mit. Zusätzlich nutzten je einmal Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Außenministerin Annalena Baerbock die Flugbereitschaft im Umfeld der EM.
Für Faeser ging es von Frankfurt nach München und weiter nach Berlin, für Baerbock von Frankfurt nach Luxemburg, von wo die Außenministerin weiter in den Nahen Osten flog. Der vom Innenministerium veranlasste Flug zum Spiel Deutschland-Schottland - mit Stopps in Frankfurt am Main, München und Berlin - schlug den Angaben nach mit 55.306,97 Euro zu Buche. Die Reise Baerbocks von Frankfurt nach Luxemburg nach dem Spiel Schweiz-Deutschland kostete 47.039,98 Euro, wie es hieß. Kritik an der Reise Baerbocks gab es zuletzt auch, weil diese in den Zeitraum des Nachtflugverbots fiel.
Das Verteidigungsministerium weist in seiner Antwort darauf hin, dass es sich um eine "Vollkostenkalkulation der jeweils eingesetzten Luftfahrzeuge (inklusive Personalkosten)" handele. Die Flugstunden seien im Jahresprogramm der Bundeswehr abgedeckt und "werden zum Zwecke des Lizenzerhalts-/erwerbs der Luftfahrzeugführer eingesetzt". Gemeint ist: Einige Kosten und Flugstunden wären wohl ohnehin nötig geworden.
Ehrenkarte als "tradierte Staatspraxis"?
Der Linken-Abgeordnete Christian Görke kritisierte auch, dass Kanzler Scholz sich von Ehefrau Britta Ernst zu Spielen begleiten lassen und dafür "Ehrenkarten" genutzt habe. "Während echte Fans tief in die Tasche greifen mussten, saß die Kanzler-Gattin mehrfach auf Premiumplätzen - und das kostenlos beziehungsweise auf Kosten der Allgemeinheit", so Görke. Er forderte Ernst auf, die Kosten auszugleichen.
In der Antwort der Regierung auf eine schriftliche Anfrage Görkes dazu heißt es indes: "Es ist seit Jahrzehnten tradierte Staatspraxis, dass sich die Spitzen der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland bei Veranstaltungsbesuchen von Ihren Partnern oder Partnerinnen begleiten lassen können. Auf Grundlage dieser Staatspraxis hat Frau Ernst den Bundeskanzler zu den Spielen der Fußballeuropameisterschaft begleitet."
Mit Informationen von Uli Hauck, ARD-Hauptstadtstudio