Brandbrief der Digitalbranche "Brauchen erkennbaren Kurswechsel"
Die Digitalisierung in Deutschland kommt nur schleppend voran. Vor der Kabinettsklausur in Meseberg fordern mehrere Branchenverbände von der Bundesregierung entschiedenes Handeln. Deutschland drohe sonst den Anschluss zu verlieren.
Auf der Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg steht heute nicht nur die wirtschaftliche Lage, sondern auch die Digitalisierung Deutschlands auf dem Programm. Im Zentrum der Gespräche sollen dabei der Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Verwaltungsdigitalisierung und das Thema "Datennutzbarkeit und Datenschutz" stehen.
Die Ampelkoalition hatte sich Ende 2021 ein strammes Programm zur Digitalisierung des Landes vorgenommen. Im Koalitionsvertrag im Dezember 2021 und einer gesonderten Digitalisierungsstrategie wurden nicht nur eine flächendeckende Breitbandversorgung via 5G-Mobilfunknetz und Glasfaserleitungen in Aussicht gestellt. Versprochen wurden auch verbesserte Technik in den Schulen, die elektronische Patientenakte, komplett digitalisierte Verwaltungsvorgänge und vieles mehr. Bei der Umsetzung hapert es aber weiterhin.
Vor diesem Hintergrund hat der KI Bundesverband mit anderen Verbänden aus der Digitalbranche einen Brandbrief verfasst, in dem sie an die Bundesregierung appellieren, die Digitalisierung in Deutschland "entschieden voranzutreiben". Deutschland brauche "klare Zuständigkeiten in der Digitalpolitik, den Ausbau einer dedizierten Infrastruktur für die Entwicklung von Schlüsseltechnologien und die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele wie das Digitalbudget".
Zu den Verfassern gehören neben dem KI Bundesverband, der Mittelstand BVMW e.V, der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi), der Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V, eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).
Wirtschaft auf digitale Transformation angewiesen
Die deutsche Wirtschaft sei mehr denn je darauf angewiesen, den technologischen Fortschritt zu nutzen und die digitale Transformation vorantreiben, warnen die Verbände. Leider müsse in Deutschland zurzeit "ein Trend in die entgegengesetzte Richtung beobachtet werden". Die Kürzungen in den jeweiligen Digitalhaushalten der Bundesministerien entwickelten sich zu einem "chronischen Trend", die überfällige Digitalisierung der Verwaltung drohe mit den angekündigten Mittelkürzungen Schiffbruch zu erleiden.
Durch blockierte Gesetzesvorhaben würden keine dringend benötigten Anreize für die Wirtschaft geschaffen, die digitale Transformation in den Unternehmen voranzutreiben. Zudem drohe Deutschland in Schlüsseltechnologien wie der Künstlichen Intelligenz "eine gefährliche Abhängigkeit von ausländischen und außereuropäischen Anbietern".
Die im Koalitionsvertrag verankerten digitalpolitischen Ziele stünden gegenwärtig auf unsicherem Grund. Sollten diese Maßnahmen tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden, "braucht es einen erkennbaren Kurswechsel". Digitalisierung müsse "zu den Top-Prioritäten auf der Regierungsagenda gehören". Vorhandene Mittel für die Digitalisierung müssten effizient eingesetzt werden.
"Deutschland droht den Anschluss zu verlieren"
Aktuelle Zahlen zeigten, dass sich die digitale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den letzten Jahren deutlich verschlechtert habe, so die Verfasser. Während europäische Nachbarländer und internationale Partner milliardenschwere digitalpolitische Investitionsinitiativen starteten, "droht Deutschland bereits im nächsten Jahr den Anschluss zu verlieren".
Deutschland müsse in den Bereichen Digitalisierung und technologischer Fortschritt "wieder zur Weltspitze zählen". Auch die Europäische Kommission halte im DESI-Länderbericht 2022 fest, dass Deutschland eine zentrale Rolle bei der digitalen Transformation Europas spiele. "Investitionen in die Digitalisierung sind deswegen eine unabdingbare strategische Notwendigkeit für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die entsprechende Infrastruktur." Große Sorgen bereite immer noch die Digitalisierung der Verwaltung. "Sie bleibt eine Daueraufgabe und wird uns somit auch in Zukunft beschäftigen."
Bereits gestern hatten die Digitalverbände Bitkom und eco eine Zwischenbilanz der digitalpolitischen Vorhaben der Bundesregierung gezogen, die teils verheerend ausfiel. Der Bitkom-Studie zufolge hat die Ampelkoalition nur elf Prozent der insgesamt 334 versprochenen Digitalvorhaben bislang umgesetzt. Jedes vierte Projekt wurde dem "Monitor Digitalpolitik" zufolge noch nicht angepackt. Zwei Drittel der Vorhaben befänden sich in der Umsetzung.