Vorstandsklausur der CDU Warten auf höhere Aufgaben
Nein zum Bürgergeld, ja zur Atomkraft: Die CDU bereitet sich auf ein mögliches Scheitern der Ampel vor und diskutiert bei ihrer zweitägigen Vorstandsklausur inhaltliche Schwerpunkte. Eine Frage dürfte aber außen vor bleiben.
Noch Mitte der Woche postete Friedrich Merz' Social-Media-Team Hochglanzbilder des Parteivorsitzenden von dessen Besuch in Skandinavien: Der CDU-Chef händeschüttelnd mit der finnischen Außenministerin. Im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten Schwedens. Merz beim Ausstieg aus einer deutschen Regierungsmaschine, auf die er als Parteivorsitzender auch zurückgreifen kann.
Die Fotos des Oppositionsführers wirken staatstragend, als ob da einer schon mal für den Job des Kanzlers übt. Dass die CDU sich für regierungsfähig hält, ist kein Geheimnis. Vor ein paar Wochen bei der Vorstellung des Entwurfs zum neuen Grundsatzprogramm verkündete Generalsekretär Carsten Linnemann, dass man bereit sei.
Noch deutet zwar wenig darauf hin, dass die Ampelregierung tatsächlich hinwirft, allen politischen Pannen zum Trotz. Dennoch will man im Fall der Fälle in der CDU-Parteizentrale vorbereitet sein. In Schubladen des Konrad-Adenauer-Hauses dürften seit Wochen Notfallpläne bereit liegen.
Einen Einblick, welche Schwerpunkte eine CDU in Regierungsverantwortung setzen würde, gibt zumindest schon mal die "Heidelberger Erklärung", also das Beschlusspapier zur Klausurtagung des CDU-Vorstandes, die am Freitag und Samstag in Baden-Württemberg stattfindet.
Acht Seiten Abrechnung mit der Ampel
Das acht Seiten lange Papier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, liest sich wie eine Abrechnung mit der Ampel-Regierung. "Das Vertrauen in die Regierung ist auf dem Tiefpunkt. Die Stimmung in unserem Land ist so schlecht wie selten zuvor", heißt es gleich im ersten Absatz. So will die CDU, dass die geplanten Kürzungen für die Bauern vollständig rückgängig gemacht werden.
Der schrittweise Wegfall der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bis 2026 soll vom Tisch. Bei einer Protestkundgebung am Montag im Sauerland hatte Merz allerdings noch eingeschränkt, dass er nicht versprechen könne, dass das mit Kfz-Steuerbefreiung und Dieselsteuer auf alle Zeiten so bleibt.
Beim Bürgergeld dagegen lässt die CDU keinen Raum für Spekulationen. Mit ihr in der Regierung soll es wieder abgeschafft werden, was die Latte für eine Koalition mit der SPD hochlegen würde. Die Christdemokraten versprechen stattdessen, dass für langjährig Versicherte in den ersten Monaten einer nicht selbst verschuldeten Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld höher sein soll als derzeit. Für Empfänger des Arbeitslosengeldes II, früher Hartz IV, soll es "erhöhte Mitwirkungspflichten und Sanktionsmöglichkeiten" geben.
Verpasstes Signal bei der Ortswahl
Dass die Vorstandsklausur zum Auftakt eines Jahres mit drei Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im Süden Deutschlands stattfindet, finden einige in den ostdeutschen Landesverbänden unglücklich gewählt. Ansonsten ist man im Osten mit der CDU-Bundesspitze vielerorts zufrieden, denn die zunehmend konservativen Positionen beispielsweise beim Thema Migration sind dort gern gesehen.
In Heidelberg steht auch eine Debatte über das neue Grundsatzprogramm der Partei auf dem Programm, aus dem sich viele Punkte der "Heidelberger Erklärung" speisen. Kontroverse Diskussionen werden nicht erwartet, zumindest noch nicht. Denn viele der Vorstandsmitglieder haben selbst an dem Programm mitgearbeitet. Einige der Formulierungen sind hart erarbeitete Kompromisse, die wahrscheinlich auf dem Parteitag Anfang Mai in Berlin noch einmal von den Delegierten auf den Prüfstand gestellt werden.
Beispiel Atomkraft: Im Entwurf zum Grundsatzprogramm steht, "Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten". Ein Satz mit viel Interpretationsspielraum. In der Wirtschafts- und Mittelstandsunion erkennt man darin, die Forderung Atomkraftwerke der neuesten Generation zu bauen, sobald sie entwickelt sind. In der Klimaunion ist man dagegen der Ansicht, dass Atomkraft die fossilen Energien nicht ersetzen kann.
Kanzler-Frage nicht akut?
Auch eine andere ungemütliche Frage wird wohl in Heidelberg ausgespart werden, die allerdings im Laufe des Jahres beantwortet werden muss: die nach der Kanzlerkandidatur. Dabei geht es gar nicht um das Wer, sondern das Wann und Wie. CDU-Chef Merz gilt mittlerweile bei vielen als Favorit.
Zumindest "derzeit", wie der CSU-Vorsitzende Markus Söder am vergangenen Wochenende bei einer Tagung seiner Partei im Kloster Seeon betonte. Beim Zeitpunkt geht es um die Abwägung, ob man sich vor oder nach den Landtagwahlen im Osten entscheidet. Davor hätte den Vorteil, dass die K-Frage vor den Wahlkämpfen abgeräumt wäre. Dagegen spricht das Risiko, dass die CDU bei den Wahlen schlechter abschneidet als erhofft und ein möglicher Kanzlerkandidat dadurch beschädigt wird.
Feuerproben für die CDU
Auch das Verfahren der Kanzler-Kür ist unbesprochen: Söder und Merz betonen stets, dass die Vorsitzenden der Unionsparteien die Frage zu gegebener Zeit klären werden. Große CDU-Landesverbände wie der in Nordrhein-Westfalen beharren allerdings auf einem Mitspracherecht.
Dieses Jahr könnte also ein aufreibendes Jahr für CDU werden. Würde die Partei die Europa- und Ostwahlen erfolgreich bestehen und die K-Frage reibungslos beantworten, wären bis zur Bundestagswahl 2025 wichtige Feuerproben bestanden.