Konflikt um Finanzierung Kostenrisiko Bürgergeld?
Das Bürgergeld ist die wohl größte Sozialreform der Ampel. Trotz geplanter Nullrunde und verschärften Sanktionen gilt es vielen als zu großzügig. In der Ampelkoalition sorgt vor allem die Finanzierung für Streit.
Christian Lindner beherrscht die Signale der Körpersprache. Am Dienstag vergangener Woche zum Beispiel konnte man im Bundestag beobachten, wie sich der Bundesfinanzminister gleichzeitig einen schlanken Fuß und ein sehr breites Kreuz machte. Was passiert eigentlich, wurde Lindner gefragt, wenn der Bundesarbeitsminister im nächsten Jahr nicht mit seinen Milliarden für das Bürgergeld auskommt?
Lindner antwortete: "Sollte sich herausstellen, dass die bisher vorgesehenen Mittel im Haushaltsentwurf nicht ausreichend sind, so wird Herr Heil zusätzliche Vorschläge machen müssen, wie er mit dem Geld auskommt." Also an anderer Stelle sparen.
Heil: Menschen nicht gegeneinander ausspielen
Lindner weiß, dass das seinem Kabinettskollegen Hubertus Heil besonders schwer fällt, denn die meisten Ausgaben in Heils Ressort sind gesetzlich festgeschrieben, da kann man nicht so ohne Weiteres kürzen.
Heil will das auch gar nicht. Wenn er zum Beispiel das Argument hört, das Bürgergeld sei zu hoch, deshalb lohne sich für manche Bezieher eine Arbeit gar nicht, dann kann sich der Bundessozialminister richtig in Rage reden: "Arbeit ist für diese Gesellschaft zentral. Arbeit muss einen Unterschied machen und wir müssen darüber reden, dass sich Arbeit mehr lohnt in Deutschland. Aber Menschen im Niedriglohnsektor auszuspielen gegenüber Menschen, die hilfsbedürftig sind, ist nicht nur unanständig, es löst kein Problem."
Union fordert Änderungen
43 Milliarden Euro musste der Bund in diesem Jahr für das Bürgergeld aufwenden, fast 10 Prozent des gesamten Haushalts. Für nächstes Jahr hat Heil die Kosten auf 36 Milliarden Euro veranschlagt, er setzt darauf, dass viele Menschen wieder in Arbeit kommen und dann kein Bürgergeld mehr brauchen.
Die Union wirft Heil Teilzahlentrickserei vor, er kalkuliere die Bürgergeldkosten auf Basis unrealistischer Hoffnungswerte. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz nennt das Bürgergeld - immerhin die wichtigste Sozialreform der Ampelkoalition - völlig verunglückt, deswegen seien Änderungen überfällig. "Wir wollen ganz einfach dafür sorgen, dass diejenigen, die in unserem Land arbeiten, die Sozialversicherungsbeiträge zahlen und Steuern zahlen am Ende des Monats mehr haben als diejenigen, die nicht arbeiten und Transferleistungen bekommen."
Grünen-Politikerin rät zu Gelassenheit
Aber viele Bürgergeldempfänger arbeiteten doch - als Aufstocker zum Beispiel, hält Hubertus Heil dieser Kritik entgegen. Alleinerziehende Mütter zum Beispiel seien oft auf das Bürgergeld angewiesen.
Heils Ministerium wies auch Berichte zurück, nach denen das Bürgergeld im nächsten Jahr rund neun Milliarden Euro teurer werde. Klar ist zumindest schon, dass die Regelsätze für den einzelnen 2025 nicht erhöht werden.
Britta Haßelmann, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, rät beim ganzen Thema Bürgergeld zu Gelassenheit. "Alle, die den Etat des Bundesarbeitsministeriums kennen, wissen ja, dass wir oft im Verlaufe eines Jahres erst wissen, wie viel Geld geben wir für die Sozialgesetzbuchleistung 2 und 3 aus und wie viel haben wir auch über Arbeitsmarktmaßnahmen und Förderung auf der anderen Seite einsparen können."
Auf die Wirtschaft kommt es an
Entscheidend wird dabei sein, ob sich die wirtschaftlichen Erwartungen der Bundesregierung erfüllen. Denn die schlechte Lage in vielen Industrieunternehmen schlägt längst auch auf den Arbeitsmarkt durch.
Kommende Woche präsentiert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Herbstprognose zur konjunkturellen Entwicklung. Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute hatten ihre Erwartungen zuletzt nach unten korrigiert. Danach kann die Bundesrepublik 2025 gerade mal mit 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum rechnen.