Qin Gang und Annalena Baerbock

Chinas Außenminister in Berlin Nur begrenztes gegenseitiges Verständnis

Stand: 09.05.2023 18:01 Uhr

Beim Treffen von Außenministerin Baerbock mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang wurde klar: Der Redebedarf zwischen Deutschland und China ist groß - für beide Seiten oft keine angenehmen Gespräche.

Von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

China und Annalena Baerbock. Ein schwieriges Feld. Bei ihrem jüngsten Peking-Besuch war ihrem sonst so beherrschten chinesischen Amtskollegen irgendwann das Wort Schulmeisterei eingefallen, als er über den Westen und Baerbock sprach. Die deutsche Außenministerin begann deshalb heute in Berlin erst einmal mit Freundlichkeiten.

Sie erinnerte daran, dass sie beide ja erst gerade zusammen bei ihrem Chinabesuch in einem Hochgeschwindigkeitszug mit Tempo 330 Richtung Peking gesaust seien. "Es freut mich, dass wir dieses Tempo des Zuges in unserem Austausch halten können", sagte Baerbock. Qin Gang nahm den Ball höflich auf, erinnerte daran, dass Berlin schließlich die erste Station seiner Europareise sei und man sich bereits zum dritten Mal in drei Monaten treffe. So weit - so diplomatisch.

Chinesischer Außenminister zum Gegenbesuch bei Außenministerin Baerbock in Berlinf

Dominic Hebestreit, ARD Berlin, tagesthemen, 09.05.2023 22:33 Uhr

Taiwan, freier Handel, Menschenrechte

Das gegenseitige Verständnis aber scheint trotz der Mehrfachbegegnungen in der jüngsten Zeit nicht unbedingt größer geworden zu sein. Manches Problem dagegen schon. "Unsere Themenliste war bereits in Peking lang", sagte Baerbock dazu. Und sie sei nicht kürzer geworden, schob sie nach.

Taiwan, freier Handel, Menschenrechte und vor allem der russische Angriffskrieg. Baerbock wurde da sehr schnell sehr deutlich und sagte, China könne als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für die Beendigung des Krieges eine bedeutende Rolle spielen, "wenn es sich dafür entscheidet", so die Ministerin auffordernd. Der Chinese aber entschied sich offenbar dafür, vorführen zu wollen, wie schulmeisterlich China sein kann.

"Ehrlicher Dialog" bei Regierungskonsultationen

Das Wort "Krieg" ging Qin Gang auch heute nicht über die Lippen. China spricht offiziell ja lieber von "Krise". Die sei hochkomplex. Vereinfachungen und Emotionalisierungen seien da keine Lösung. "Man soll Nüchternheit und Vernunft behalten", sagte Qin und meinte wohl die deutsche Ministerin, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zuvor eine Schändung des gerade stattfindenden Weltkriegsgedenkens vorgeworfen hatte.

Baerbock stand daneben und behielt zumindest die Nerven. Sie erinnerte daran, dass, sollte Russland die Kämpfe einstellen, Verhandlungen möglich seien. Sollte die Ukraine aufhören zu kämpfen, höre die Ukraine auf, zu existieren. "Ich glaube nicht, dass das im Sinne eines Mitglieds des Sicherheitsrates ist", sagte sie spitz. Das wäre dann das Ende der Charta der Vereinten Nationen, wenn man als Weltgemeinschaft einen Angriffskrieg einfach hinnehme.

Nichts, was ein chinesischer Außenminister gern öffentlich hört. Der schaute unbewegt und hörte dann, dass Baerbock einen gemeinsamen ehrlichen Dialog ankündigte - auch für die demnächst stattfindenden siebten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die ersten der Ampelregierung.

Dünnes diplomatisches Eis

Und zu einem ehrlichen Dialog gehört bei Außenministerin Baerbock eben auch das Stichwort Menschenrechte. Deshalb spreche sie offen an, dass während ihres letzten Peking-Besuchs der Träger des deutsch-französischen Menschenrechtspreises von den chinesischen Behörden verhaftet worden sei. "Wir fordern gemeinsam dessen Freilassung", sagt die Ministerin kühl.

Spätestens da war der echte und ehrliche Dialog auf sehr dünnem diplomatischen Eis angekommen. Der chinesische Außenminister mahnte Respekt und Gleichberechtigung an, um dann via Übersetzerin Baerbock mit auf den Weg zu geben, dass China als souveräner Staat nach seinen Gesetzen handele und keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dulde.

Als die Ministerin dann auch noch das Konzept des "De-Risking" erklärte, den deutschen Versuch, künftig weniger abhängig von einzelnen globalen Lieferketten oder Ländern, in diesem Fall China zu sein, wurde es vollends sehr, sehr nüchtern. China verfolge das "De-Risking" mit großer Besorgnis, so der Chinese. Man exportiere schließlich Chancen statt Krisen und Sicherheit statt Risiken.

"Herr Lindner ist weiter sehr willkommen"

Viel zu besprechen bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die die beiden Außenpolitiker heute eigentlich vorbereiten sollten. Morgen trifft der chinesische Außenminister dazu übrigens noch einen Abteilungsleiter aus dem Kanzleramt. Den deutschen Finanzminister trifft Qin Gang nicht. Den hatte China gerade - wegen angeblicher Terminschwierigkeiten - ausgeladen.

Christian Lindner (FDP) wollte eigentlich auch zur Vorbereitung der Regierungskonsultationen in Peking seinen Amtskollegen treffen. Die Ausladung, eine "rein technische Frage", beschwichtigt der chinesische Außenminister heute, die man nicht überbewerten dürfe. "Herr Lindner ist weiter sehr willkommen", sagt Qin Gang. Herr Lindner aber ist offenbar sauer.

In einem Podcast von "The Pioneer" forderte er ein weniger samtpfötiges Auftreten, als es die Vorgängerregierungen mit China an den Tag gelegt hätten. "Wir lassen uns unsere liberalen Werte nicht für gute Geschäfte abkaufen", so der deutsche Finanzminister. Die FDP hatte zuvor von einem respektlosen Affront gesprochen.

Der Redebedarf bleibt groß

Das deutsch-chinesische Verhältnis ist kompliziert. Kein Wunder, dass die China-Strategie der Bundesregierung weiter auf sich warten lässt. Der Kanzler hatte heute in seiner Rede vor dem Europaparlament in Sachen China dafür geworben, dass die EU zu einer "geopolitischen Europäischen Union wird, die es mit Russland, aber auch mit China aufnimmt".

Der chinesische Außenminister wird auch das heute mit Interesse gehört haben. Am Ende einer sehr öffentlichen und sehr deutlichen Pressekonferenz im Auswärtigen Amt gab es jedenfalls eine sehr ehrliche deutsche Außenministerin, die ihrem chinesischen Kollegen die Hand schüttelte und den Journalisten im Saal zurief: "Wie sie sehen, gibt es noch viel zu besprechen."

Georg Schwarte, ARD Berlin, tagesschau, 10.05.2023 05:27 Uhr