Regierungsstudie Suche nach Atommüllendlager verzögert sich weiter
Bis 2031 sollte ein Standort für ein Atommüllendlager in Deutschland gefunden werden. Doch schon länger ist klar, dass das nicht einzuhalten ist. Eine von der Regierung beauftragte Studie spricht nun von einer Verzögerung bis 2074.
Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle wird sich einer Regierungsstudie zufolge um Jahrzehnte verzögern. Das im Standortauswahl-Gesetz angepeilte Jahr 2031 sei keinesfalls zu erreichen, heißt es in der Untersuchung des Öko-Instituts, die vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in Auftrag gegeben wurde und dort abrufbar ist.
"Selbst bei einem idealen Projektablauf muss damit gerechnet werden, dass das Verfahren erst im Jahr 2074 abgeschlossen werden kann", heißt es darin. Es sei aber ein weniger idealer Verlauf zu erwarten.
Lemke: Gutachten bildet Fortschritte nicht ab
Das Bundesumweltministerium teilte in Berlin mit, die Endlagersuche sei ein "wissenschaftsbasiertes, transparentes sowie lernendes Verfahren, dessen Ansprüche darauf ausgerichtet sind, denjenigen Standort zu finden, der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet". Dass dieses Verfahren nicht bis 2031 abgeschlossen werden könne, sei seit Längerem bekannt.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke zufolge bildet das Gutachten die jüngsten Fortschritte nicht ab. "Diese Studie hat nicht alle aktuellen Informationen und Fakten einbeziehen können, weil wir in den letzten Monaten eine Entwicklung hatten, die dynamisch ist", sagte die Grünen-Politikerin der ARD. "Für mich bleibt das Petitum, dass wir so schnell wie möglich ein Endlager finden müssen, das so sicher wie möglich ist - für uns und auch für die kommenden Generationen."
Im November 2022 hatte das Ministerium mitgeteilt, dass der ursprüngliche Zeitplan bis 2031 nicht zu halten sein wird. Kurze Zeit später waren Unterlagen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) öffentlich geworden, wonach sich die Suche bis 2046 oder in einem anderen Szenario sogar bis 2068 hinziehen könnte.
Umweltministerium: Weitere Optimierungen
Eine Ministeriumssprecherin wollte sich auf Nachfrage zu konkreten Zeiträumen nicht äußern. Allerdings erklärte ein anderer Sprecher des Ressorts, dass die BGE in Zusammenarbeit mit dem BASE die in der Studie angenommenen langen Prüfzeiten stark verkürzen könne.
Erklärtes Ziel des Umweltministeriums seien "weitere Verfahrensoptimierungen - unter Wahrung des Primats der Sicherheit und der gebotenen Öffentlichkeitsbeteiligung". Als nächstes werde die BGE Ende 2027 mehrere Standortregionen vorschlagen, die in die nähere Auswahl kommen, hieß es weiter.
"Dies ist der richtige Zeitpunkt, umfassendere weitere Beschleunigung transparent zu diskutieren und zu regeln." Der Sprecher betonte: "Besonders bei der dann nach 2027 folgenden ober- und untertägigen Erkundung können große Zeiten eingespart werden." Dazu führe das Umweltministerium bereits jetzt "kontinuierliche Verfahrensevaluierungen" mit allen Beteiligten durch. "Auch diese Potentiale konnten in der Studie nicht ausreichend berücksichtigt werden."
Abfall lagert bislang in stillgelegten AKW
Bereits 2022 hatte das Umweltministerium aufgrund einer anderen Studie eingeräumt, das Datum 2031 sei wohl nicht zu halten. Damals wurde in der Untersuchung das Datum 2046 genannt. Über die Öko-Institut-Studie hatte zuerst der Deutschlandfunk berichtet. Das Umweltministerium äußerte sich bisher nicht.
Das Atommüllendlager sollte nach abgeschlossener Standortsuche eigentlich ab 2050 zur Verfügung stehen. Bislang lagert der hochradioaktive Abfall aus den stillgelegten Atomkraftwerken (AKW) in Zwischenlagern - meist an AKW-Standorten, deren Genehmigungen aber vor 2050 auslaufen.
Heftiger Widerstand wird erwartet
Die Standortsuche war in einem Gesetz detailliert in drei Phasen verankert worden. Dabei war man nach dem Aus für das einmal ins Auge gefasste Lager Gorleben von einer "weißen" Landkarte ausgegangen. Das heißt, theoretisch hätte überall in Deutschland ein Lager errichtet werden können. Eine erste Eingrenzung hatte es 2020 gegeben, doch es kamen immer noch weite Teile Deutschlands mit 90 möglichen Regionen infrage.
Das Öko-Institut regt nun zur Beschleunigung an, die Zahl der Regionen früher einzugrenzen und damit weniger Standorte intensiver zu untersuchen. Die Standortsuche ist brisant, da ein solches Lager in Deutschland erfahrungsgemäß auf heftigen Widerstand im jeweiligen Bundesland und der Region trifft.