Nach Angriff auf SPD-Politiker Tausende bei Demo gegen Gewalt in Dresden
Nach dem Angriff auf den SPD-Politiker Ecke sind in Dresden Tausende Menschen gegen Gewalt auf die Straße gegangen - unter ihnen auch SPD-Chefin Esken. Zuvor hatte sich ein 17-Jähriger der Polizei gestellt und die Tat gestanden.
Nach dem Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke haben nach Polizeiangaben rund 3.000 Menschen in Dresden für Demokratie und gegen Gewalt demonstriert. Sie versammelten sich am frühen Abend im Stadtteil Striesen. Dort war Ecke am Freitagabend von vier jungen Männern beim Aufhängen von Wahlplakaten zusammengeschlagen worden. Kurz zuvor hatte mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe bereits einen 28-jährigen Wahlkampfhelfer der Grünen angegriffen und verletzt.
Zum Auftakt sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Ostdeutschland habe 1989 die Demokratie erstritten und erkämpft. "Und wir werden nicht weichen gegen diejenigen, die die Demokratie verächtlich machen." Und man werde erst recht nicht weichen, "wenn einer von uns Gewalt erfahren muss", betonte die Politikerin.
"Gewaltbereitschaft fällt nicht vom Himmel"
Auch die Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken, nahm an der Versammlung am Pohlandplatz teil. In einem Statement kurz vor Beginn der Demonstration warnte sie vor einer Verharmlosung des Angriffs auf Ecke als Tat eines Einzelnen. "Es ist sehr deutlich, dass diese Gewaltbereitschaft nicht vom Himmel fällt", sagte Esken. Dies habe mit der Saat gesellschaftlicher Spaltung und Botschaften der Verächtlichmachung der Demokratie zu tun, die von der AfD und von anderen Rechtsextremisten ausgehe. Man werde sich das nicht gefallen lassen.
Auch in Berlin gingen nach Polizeiangaben mehr als 1.000 Menschen auf die Straße und zeigten ihre Solidarität mit Ecke. Zur Demonstration in der Hauptstadt kamen auch die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour, SPD-Chef Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, sowie die Ministerpräsidenten von Sachsen und Nordrhein-Westfalen, Michael Kretschmer und Hendrik Wüst (beide CDU).
17-Jähriger stellt sich und gesteht Angriff
Ecke war am späten Freitagabend von vier Menschen angegriffen worden, als er in Dresden Wahlplakate für die SPD angebracht hatte. Wie der Landesverband mitteilte, geht es dem 41-Jährigen den Umständen entsprechend gut. Ecke sei am heutigen Sonntag operiert worden, sagte Sachsens SPD-Chef Henning Homann in der Landeszentrale in Dresden. Er habe einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome im Gesicht erlitten.
In der Nacht zum Sonntag stellte sich ein Tatverdächtiger der Polizei. Laut Landeskriminalamt (LKA) Sachsen handelt es sich um einen 17-Jährigen, der gestanden habe, den Politiker attackiert zu haben. Der Jugendliche befinde sich nicht in Gewahrsam, da nicht davon auszugehen sei, dass er untertauche. Nach den drei weiteren Tatverdächtigen wird dem LKA zufolge noch gesucht. Es soll sich bei allen Verdächtigen um junge Männer im Alter zwischen 17 und 20 Jahren handeln.
Mehr als 100 Abgeordnete unterzeichnen "Striesener Erklärung"
Die Tat in Dresden reiht sich ein in eine bundesweite Folge von Angriffen auf Parteimitglieder vor den Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni. Parteiübergreifend ist die Empörung über die Taten groß. Unter dem Motto "Bis hierhin und nicht weiter" wandten sich Politiker fast aller großen Parteien in einer gemeinsamen Erklärung gegen Gewalt in der politischen Auseinandersetzung. Bis zum Nachmittag unterschrieben weit mehr als 100 Abgeordnete diverser Parlamente die sogenannte "Striesener Erklärung", darunter die Vorsitzenden von SPD, Grünen und Linken sowie Abgeordnete der Union. Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete, dass niemand von der AfD unterschrieben habe und dies auch nicht zugelassen werden solle.
Die Erklärung wendet sich gegen "die immer weiter eskalierende Gewalt gegen politisch engagierte Menschen im öffentlichen Raum". Darin heißt es: "Uns verbindet zuweilen inhaltlich politisch nicht viel - manchmal nichts. Wir sind in den Farben getrennt, aber in dieser Sache vereint. Darum sagen wir: Bis hierhin und nicht weiter. Der Schlag ins Gesicht von Matthias Ecke war ein Schlag gegen uns alle - und gegen die Demokratie selbst." Die Unterzeichner versprachen: "Wir sorgen mit einem respektvollen Umgang auch selbst dafür, dass die Stimmung nicht weiter aufgeheizt wird."
Wüst sieht sich an "finsterste Kapitel" der Geschichte erinnert
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte im Bericht aus Berlin, alle Demokraten müssten nun klar machen: "Ja, wir streiten. Ja, wir diskutieren. Aber Gewalt ist kein probates Mittel von Politik." Die Tat in Dresden, aber auch der Angriff auf zwei Grünen-Politiker in Nordrhein-Westfalen erinnerten an "finsterste Kapitel der deutschen Geschichte", so Wüst. Am Donnerstagabend waren in Essen nach einer Grünen-Veranstaltung der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein Parteikollege Rolf Fliß nach eigenen Angaben attackiert und Fliß dabei geschlagen worden.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rief zur Solidarität mit allen Angegriffenen auf. "Diese Angriffe, sie sind kein Privatproblem. Sie gehen uns alle an", sagte der Grünen-Politiker und Vizekanzler in einem Video auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Angriffe seien Ausdruck einer Verrohung der politischen Debatte und auch Ausfluss einer Grenzüberschreitung in sozialen Medien. Solche Attacken schüchterten ein. "Dieser Einschüchterung, der können wir nur begegnen, wenn wir zusammenhalten, wenn wir den Tätern mit der Härte des Rechtsstaats begegnen, wenn wir denjenigen, die für ihre Rede- und Meinungsfreiheit eintreten, mit Solidarität begegnen."
Städtetag fordert härtere Strafen
Unterdessen forderte der Deutsche Städtetag härtere Strafen für Angriffe auf Politikerinnen und Politiker. "Wir müssen politisch Engagierte besser schützen", sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe (CDU) der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Dabei könne etwa eine Strafrechtsverschärfung helfen, die Nachstellungen, Aufmärsche vor Wohnhäusern und Drohungen gegen die Familien von Politikerinnen und Politikern verfolgt.
Lewe forderte, Angriffe auf Politikerinnen und Politiker müssten von Polizei und Justiz "konsequent verfolgt und bestraft" werden. Der Städtetag unterstütze einen entsprechenden Vorschlag aus Sachsen. Er sei entsetzt über die "feigen und brutalen Angriffe" der vergangenen Tage in Dresden, in Essen und anderswo. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte zu dem Thema bereits eine Sonderkonferenz von Bund und Ländern an.