Tino Chrupalla, Alice Weidel und Hans-Christoph Berndt
analyse

Wahl in Brandenburg AfD - radikal und radikal aussichtslos

Stand: 23.09.2024 04:58 Uhr

Die AfD in Brandenburg tritt radikal auf, auch Co-Chefin Weidel heizt diese Stimmung gerne mit an. Dabei führt das die AfD nirgendwo hin. Wie lange machen das AfD-Wählende noch mit?

Von Bianca Schwarz, ARD Berlin und Gabor Halasz, ARD-Hauptstadtstudio

Rund anderthalb Wochen vor der Landtagswahl in Werder an der Havel: Alice Weidel und Brandenburgs Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt haben in den Ort mit 27.000 Einwohnern eingeladen. Im Ballsaal der "Bismarckhöhe" ist Platz für 450 Personen, vor der Halle lange Schlangen, nicht alle Interessierten kommen an diesem Abend rein.

Als Weidel die Bühne betritt, tobt der Saal. Über eine halbe Stunde dauert die Rede der AfD-Chefin, sie hetzt gegen Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock, macht sich lustig über die "Kauleiste" von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Es sind die tief hängenden Früchte, nach denen Weidel zuerst greift. Die Ampel ist unbeliebt und ihre Schenkelklopfer-Sprüche funktionieren in Werder.

Von zynisch zu extrem wechselt ihr Tonfall, sobald es um das Kernthema der AfD geht: Migration. Weidel spricht im üblichen AfD-Sound von "Messerstechern", "Gruppenvergewaltigungen" und einem "Kulturkrieg": "Das, was wir auf den deutschen Straßen erleben, ist der Dschihad. Hier wird ein Glaubenskrieg gegen die deutsche Bevölkerung bereits geführt. Und das ist auch der Grund, warum - sobald wir in der Regierung sitzen - wir diese Leute alle achtkantig rausschmeißen." Ihre letzten Worte sind im tosenden Applaus kaum noch zu verstehen.

Immer mehr halten die AfD für kompetent

Kompromisslosigkeit demonstriert die AfD bei solchen Auftritten, und vielleicht ist es diese Härte in der Sprache, die dazu führt, dass immer mehr Menschen der AfD zutrauen, Probleme auch lösen zu können.

In Brandenburg steht die SPD in der Kompetenzzuweisung zwar gut da bei Kernthemen wie Wirtschafts- oder Sozialpolitik. Nur sind es leider nicht Wirtschafts- oder Sozialpolitik, die die Menschen gerade umtreiben. Die wichtigsten Themen für die Brandenburgerinnen und Brandenburger: Die Sorge vor steigender Kriminalität und ungesteuerter Migration, der Krieg in der Ukraine und der Umgang mit Russland.

Umfragen zeigen, dass die Menschen der AfD von allen Parteien bei der Kriminalitätsbekämpfung und bei der Asyl- und Flüchtlingspolitik am meisten zutrauen. Zweitrangig scheint dabei zu sein, dass Themen wie der Ukrainekrieg nicht durch das Land Brandenburg gemanagt werden, sondern von der Bundesregierung.

Hans-Christoph Berndt

Wird nicht der künftige Ministerpräsident von Brandenburg: AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt.

Der schmale Grat zwischen Beschönigung und Lüge

Als Weidel anderthalb Wochen vor der Brandenburg-Wahl in Werder den AfD-Spitzenkandidaten Berndt vorstellt, nennt sie ihn "den künftigen Ministerpräsidenten von Brandenburg". Tosender Applaus, obwohl Weidel, Berndt und wahrscheinlich auch den meisten anderen im Saal klar sein dürfte, dass das mindestens eine Beschönigung ist.

Selbst wenn die AfD die Wahl gewonnen hätte - von Werten über 50 Prozent und damit der Möglichkeit, alleine zu regieren, ist die Berndt-AfD meilenweit entfernt. Und selbst mit dem guten Ergebnis, das sie letzten Endes eingefahren hat, führt kein Weg in eine Regierung. Wie schon zuvor in Thüringen und Sachsen ist keine andere Partei bereit, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Dabei hatte die Brandenburg-AfD betont, allen nach der Wahl ein Gesprächsangebot machen zu wollen, sogar den Grünen.

Wie lange ist der Geduldsfaden der AfD-Fans?

Am Tag der Landtagswahl selbst klingt Weidel schon ganz anders. Nur wenige Minuten nach Bekanntgabe der ersten Prognose um 18 Uhr wird sie live in die Wahlsendung der ARD geschaltet. Tenor: Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis, das muss man so akzeptieren, ist nur eine Etappe, der Osten ist blau, siehe Sachsen und Thüringen. Hätte Weidel jemals wirklich mit einem Ministerpräsidenten Berndt gerechnet, hätte sie anders geklungen.

Der AfD-Bundesspitze in Berlin war schon vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen klar, dass die AfD in keinem der drei Bundesländer mitregieren wird - auch wenn sie ihrem Publikum gerne was anderes verkauft. Und das ist der springende Punkt: Je radikaler die Partei auftritt, desto mehr Stimmen fliegen ihr zu. Spitzenkandidat Berndt gilt als Scharfmacher, der Björn Höcke aus Thüringen nahesteht. "Der Osten ist blau" spielt auf die AfD-Parteifarbe an und auf das Ziel, das AfD-Co-Chef Tino Chrupalla noch beim Bundesparteitag in Essen Ende Juni ausgegeben hatte: "Wir werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Regierung stellen und das Land vom Kopf wieder auf die Füße stellen."

Tino Chrupalla, Alice Weidel und Hans-Christoph Berndt

Chrupalla, Weidel und Berndt am Wahlabend in Potsdam. Eine Machtoption ist nicht in Sicht.

Der Osten ist nur zu einem Drittel blau

Drei Monate später kann man sagen: Der Osten ist nur zu einem Drittel blau - und das reicht nicht zum Regieren, aber es reicht mindestens in Thüringen für die Sperrminorität. In der Zukunft wird die AfD manches mitbestimmen können, überall da, wo sie mehr als ein Drittel der Sitze erhält und somit qualifizierte Mehrheiten im Landtag verhindern kann.

Dennoch stellt die AfD in keinem Land die Regierung und hat wegen ihrer Radikalität jegliche Chance auf Akzeptanz durch demokratische Parteien verspielt. Hinter vorgehaltener Hand hört man, die AfD erwarte ohnehin keine Wahlsiege in diesem oder nächstem Jahr. Aber im Superwahljahr 2029 werde man nicht nur im Osten alle Ministerpräsidenten stellen, sondern bei der Bundestagswahl auch den Kanzler.

Fragt sich nur, wie lange der Geduldsfaden der AfD-Fans reicht, wie lange sie eine Partei wählen, die es am Ende doch nie in die Regierung schafft, weder aus eigener Kraft noch durch ihr wohlgesonnene befreundete Parteien. Wer so auftritt, gewinnt halt keine Freunde. Wer so auftritt, gewinnt noch nicht einmal die Mehrheit: Die Mehrheit des Ostens verhindert die AfD, das haben die Menschen in Brandenburg gerade bewiesen.