Interne Chatgruppe AfD-Vize beschimpft die Bundeswehr
AfD-Vize Boehringer schmäht in einer Chatgruppe die Bundeswehr als "komplett verdorbenes und vollpolitisiertes wokes System", dem man derzeit kein Geld zur Verfügung stellen sollte. Die Zitate liegen dem ARD-Hauptstadtstudio vor.
Die AfD rühmt sich gerne für ihre angebliche Nähe zur Bundeswehr: So versah sie erst unlängst einen Podcast mit dem Titel "AfD: Die einzige Partei, die sich für die Bundeswehr einsetzt". Doch schon die Warnungen von Parteichef Tino Chrupalla vor dem 100-Milliarden-Sondervermögen und die Tatsache, dass mehr AfD-Abgeordnete im Bundestag dagegen stimmten als dafür, hatten Zweifel an dieser Selbsteinschätzung aufkommen lassen. Nun geben abfällige Äußerungen von Vize-Parteichef Peter Boehringer einen seltenen Einblick, was sogar führende AfD-Politiker wirklich von der Bundeswehr halten.
"Verweichlichung" bei der Truppe
Als "Fass ohne Boden", das mit Geld nicht zu retten sei, bezeichnet Boehringer die Truppe diese Woche in einer internen Chatgruppe, wie das ARD-Hauptstadtstudio erfuhr. Man könne der Bundeswehr auch 1000 Milliarden Euro geben, schreibt Boehringer auf dem Telegram-Kanal: "Und man würde nur Kiew aufrüsten, die amerikanische Rüstungsindustrie reich machen und einigen woken Einhörnern und Transen in der BW geile Partys finanzieren."
Über "Verweichlichung" bei der Truppe schimpft Boehringer - einst selbst Wehrdienstleistender - in einer Reihe von Posts nach der Veröffentlichung des Wehrberichts am Dienstag und klagt über eine Führung, die seiner Meinung nach ausgetauscht werden müsse. Er nennt das einen Radikalumbau: "Wir dürfen diesem KOMPLETT verdorbenen und vollpolitisierten woken System bis in die mittleren Offiziersränge hinein […] erst nach einem VÖLLIGEN NEUSTART Geld zur Verfügung stellen."
Im Juni, als über das Sondervermögen im Bundestag abgestimmt wurde, hatte sich der AfD-Vize noch grundsätzlich für Investitionen in die Bundeswehr ausgesprochen - das 100-Milliarden-Paket jedoch abgelehnt.
Die Verachtung, mit der Boehringer in seinen Äußerungen die Truppe bedenkt, macht auch vor deren neuem ranghöchsten Offizier nicht halt: Am Mittwoch hatte das Verteidigungsministerium angekündigt, dass Generalleutnant Carsten Breuer neuer Generalinspekteur werden soll. Boehringer schmäht Breuer in dem Chat als "voll linientreuen Ex-Corona-Lügengeneral". Breuer hatte für Bundeskanzler Olaf Scholz während der Pandemie als Chef des Corona-Krisenstabs unter anderem die Impfkampagne der Bundesregierung geleitet. Weite Teile der AfD lehnen Schutzimpfungen ab.
Peter Boehringer selbst erklärte auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios zu den Formulierungen in den Text-Nachrichten: "So steht das nicht in mir bekannten Chats." Seine Haltung zur Finanzierung der Bundeswehr sei die folgende: "Von den 100 Mrd Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr sind genau NULL Cent bei der Truppe angekommen und das ist ein Skandal. Man würde mit mehr Geld nur Kiew aufrüsten."
Der AfD-Verteidigungsexperte Rüdiger Lucassen zeigte sich, angesprochen auf die Chat-Einträge, überrascht: "Dass mein Kollege Peter Böhringer derart beleidigende Äußerungen über Angehörige der Bundeswehr gemacht haben soll, ist für mich nur schwer vorstellbar. Denn damit würde er die jahrelange Arbeit unserer Fraktion torpedieren und sich auch offen gegen das Grundsatzprogramm der AfD wenden. So etwas würde ein Mitglied des Bundesvorstands der AfD nicht machen."
Lucassen weist auf Nachfrage des ARD-Hauptstadtstudios auch darauf hin, dass Boehringer als haushaltspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion Forderungen nach einer massiven Steigerung des Verteidigungshaushalts über fünf Jahre verlässlich mitgetragen habe. Die AfD stehe als national-konservative Partei "zu 100 Prozent hinter den Soldaten der Bundeswehr", so zumindest sein Fazit.
Innerhalb der AfD wird seit Langem über den richtigen Ukraine-Kurs gestritten. Zudem bröckelt seit einigen Wochen in der Partei auch der Rückhalt für eine Forderung aus dem Grundsatzprogramm der AfD: die Reaktivierung der Wehrpflicht. Eine gleichlautende, bereits angekündigte Bundestagsdebatte auf Antrag der AfD verschwand wieder von der Tagesordnung.