CDU-Chefin unter Druck Merkels Baustellen
Kanzlerin Merkel ist schwach wie nie - das zeigte zuletzt auch der Sturz ihres Vertrauten Kauder als Unionsfraktionschef. Keine guten Voraussetzungen für die nächsten Monate.
Der Rückhalt in der Union für Bundeskanzlerin Angela Merkel schwindet. Das zeigte zuletzt auch die Entscheidung der Unionsfraktion im Bundestag, nicht ihren Kandidaten Volker Kauder zum Vorsitzenden zu wählen, sondern dessen Herausforderer Ralph Brinkhaus. Das fällt nun auch auf Merkel zurück. Die Fraktion hat sich gegen ein "Weiter-wie-bisher" mit Kauder entschieden. Wie Merkel insgesamt in der CDU dasteht, wird sich jedoch erst im Dezember auf dem Parteitag in Hamburg entscheiden, auf dem ihre Wiederwahl zur Vorsitzenden ansteht.
Merkel hat zudem mit einer wachsenden Entfremdung in der Bevölkerung zu kämpfen. Diese zeigt sich unter anderem in den Umfragen. Die CDU sackte in der Sonntagsfrage des ARD-Deutschlandtrends von 34 Prozent im März auf 28 Prozent Ende September. Die Beliebtheitswerte der Kanzlerin schwinden ebenfalls. Ihre Schwäche fördert den Eindruck einer chronisch zerstrittenen Großen Koalition. Merkel fehlt die Macht, sich durchzusetzen. Eine Rückkehr zu Sachpolitik mahnte sie zuletzt an. Das sind ihre Baustellen:
Dieselkrise: Die Autobauer lehnen Hardware-Nachrüstungen an Diesel-Fahrzeugen als zu aufwendig ab und warnen vor technischen Nachteilen. Kommenden Freitag findet nun ein Spitzentreffen von Regierungsvertretern im Kanzleramt statt. Dabei soll über ein Konzept von Verkehrsminister Andreas Scheuer beraten werden. Das Modell des CSU-Politikers sah unter anderem zunächst bei Hardware-Nachrüstungen eine Selbstbeteiligung der Autobesitzer von bis zu 600 Euro vor. Nach heftiger, auch parteiinterner Kritik wird es dazu zwar wohl nicht kommen. Dennoch ist ein erneuter Streit der Regierungsparteien entfacht, in dem Merkel schlichten, vermitteln oder sich durchsetzen muss. Am Montag will der Koalitionsausschuss sich mit dem Thema befassen.
Klimaziele und Kohleausstieg: Merkel sprach sich zuletzt gegen Pläne der EU-Kommission für ehrgeizigere Klimaschutzziele aus. Das permanente Setzen neuer Ziele sei nicht sinnvoll, sagte sie im ARD-Sommerinterview. Die Bundesregierung arbeite an einem Klimaschutzgesetz zur Erreichung der Ziele bis 2030 - dies werde schon schwer genug. Für die Opposition ist das nicht genug. Vor allem die Grünen werfen der Kanzlerin fehlende Entschlossenheit beim Klimaschutz vor.
Flüchtlingskrise und Asyl-Konfrontation: Geschadet hat der Kanzlerin der wochenlange Streit im Sommer mit CSU-Chef Horst Seehofer über eine mögliche Zurückweisung von Flüchtlingen an der bayerischen Grenze. Seehofer drohte mit einem Alleingang, Merkel wollte eine EU-weite Lösung. Zwar schloss die Bundesregierung mittlerweile Abkommen mit einzelnen EU-Staaten über die Rückführung von Asylbewerbern. Der ganz große Wurf ist das aber noch nicht. Die Flüchtlingskrise 2015 und die nach wie vor nicht abschließend organisierte Verteilung von Asylbewerbern in der EU lasten wie eine Bürde auf Merkel.
Integrationspolitik: Die Vorkommnisse in Chemnitz wurden von vielen als Ablehnung von Merkels Flüchtlingspolitik gewertet. Andere fühlten sich ermuntert, für eine offene Gesellschaft einzustehen und gegen Hass und Hetze zu demonstrieren. Laut Studien gibt positive Zeichen in der Integrationspolitik. Das Zusammenleben mit Zuwanderern in Deutschland wird von der Bevölkerung weiterhin gut bewertet, heißt es im Integrationsbarometer 2018. Es gebe jedoch eine größere Skepsis im Osten des Landes als im Westen. Das Integrationsklima habe sich dort "eingetrübt", wo "kulturelle Vielfalt nicht erlebt" werde, so die Studienbetreiber. Die Integrationsfrage ist ein Dauerthema und kann jederzeit wieder aufbrechen. Das zeigte zuletzt die Debatte um den Fußballstar und ehemaligen deutschen Nationalspieler Mesut Özil.
Umgang mit der AfD: Die AfD fordert lautstark und bei jeder Gelegenheit die Ablösung der Kanzlerin - vor allem wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Merkels Umgang mit den Bundestagsabgeordneten der Partei ist kühl und reserviert. Auf ihre Provokationen reagiert sie in bewährter Manier - nämlich gar nicht. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz lehnt sie ab, da es - wie sie sagt - zurzeit von den Sicherheitsbehörden keine entsprechende Empfehlung gebe. Sie suche stattdessen die politische Auseinandersetzung mit der Partei. Merkel sucht sie vor allem deshalb, weil sie die an die AfD verloren gegangenen Wähler zurückgewinnen will.