Auf dem Prüfstand Wie gerecht ist die Grundsteuer?
Das Verfassungsgericht berät darüber, ob die Grundsteuer für Grundstücke und Gebäude noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Warum ist eine Reform überfällig? Und was passiert, wenn die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt wird? Hier finden Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist die Grundsteuer überhaupt?
Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Etwa 13 Milliarden Euro spült sie den Städten und Gemeinden jährlich in die Kassen. Die Steuer betrifft so gut wie alle Bürgerinnen und Bürger, denn zahlen muss sie jeder Grundstückseigentümer. Vermieter legen die Steuer meist über die Nebenkosten-Abrechnung auf die Mieter um.
Warum befasst sich jetzt das Verfassungsgericht damit?
Mehrere Grundstückseigentümer halten die Berechnung der Grundsteuer für ungerecht und damit verfassungswidrig. Hintergrund ist folgender Sachverhalt: Die Grundsteuer basiert auf dem Wert eines Grundstücks. Auf wertvolle Grundstücke sollte eine höhere Steuer gezahlt werden als auf billige. Allerdings wurde der Wert der Grundstücke seit Jahrzehnten nicht mehr festgestellt. In Westdeutschland basiert die Grundsteuer damit auf Werten von 1964, in Ostdeutschland sogar auf Werten von 1935. Da sich auf dem Immobilienmarkt seit dem einiges getan hat, kommt es teils zu erheblichen Wertverzerrungen. Zwei Grundstücke können 1964 gleich viel wert gewesen sein, sich heute im Wert aber ganz deutlich unterscheiden. Was damals unbegehrte Stadtrandlage oder in Berlin ein unattraktiver Mauerrandbezirk war, kann sich zum beliebten Wohnviertel entwickelt haben. Außerdem müssen Neubauten nach einem Maßstab von 1964 bewertet werden – eine etwas abstruse Lage.
Ist das nicht ganz offensichtlich ungerecht?
Dass an diesem veralteten Zustand etwas geändert werden muss, darüber besteht in der Politik weitgehend Einigkeit. Eine Mehrheit der Bundesländer hatte deshalb 2016 ein neues Berechnungsverfahren vorgeschlagen. Demnach sollte es nicht mehr auf den Marktwert eines Grundstücks ankommen. Stattdessen sollte sich die Höhe der Grundsteuer unter anderem nach folgenden Kriterien richten: Größe, Lage und Verkehrsanbindung des Grundstücks sowie Grundfläche und Herstellungskosten des Gebäudes. An den alten Regeln wollte man nicht festhalten, weil eine Neubewertung der Grundstücke auf dieser Grundlage zu aufwändig gewesen wäre.
Warum ist aus dem Vorschlag zur Neuberechnung nichts geworden?
Hamburg und Bayern wollten nicht mitmachen. Beide Bundesländer befürchteten, dass die vorgeschlagene Neubewertung für ihre Bürger zu Steuererhöhungen führen könnte. Der Bund, der die Gesetzgebungskompetenz hat, wartete deshalb weiter ab. Erst sollten sich die Länder untereinander einig sein. Schließlich geht es um das Geld ihrer Gemeinden. Es blieb damit bei der Berechnung aufgrund der veralteten Werte.
Was passiert, wenn Karlsruhe den aktuellen Zustand für verfassungswidrig hält?
Im für die Städte und Gemeinden schlimmsten Fall kann erst mal keine Grundsteuer mehr erhoben werden. Für die Kommunen wäre das finanziell eine Katastrophe. Das Bundesverfassungsgericht könnte dem Gesetzgeber aber auch eine Frist einräumen, damit er den verfassungswidrigen Zustand beheben kann. Das passiert häufig. Allerdings gewähren die Richter in der Regel eine Frist um die zwei Jahre. Und eine Neubewertung der Grundstücke, wie sie die Bundesländer 2016 vorgeschlagen hatten, könnte bis zu zehn Jahre dauern. Es geht nämlich um 35 Millionen Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe.
Gibt es eine Alternative zu diesem aufwändigen Bewertungsverfahren?
Einfacher wäre es, lediglich die Größe und den Wert des unbebauten Grundstücks zugrunde zu legen. Eine solche reine Bodensteuer fordert etwa eine Initiative unter Beteiligung des Deutschen Mieterbundes. Das würde Eigentümer von unbebauten Grundstücken verhältnismäßig stärker in die Pflicht nehmen. Wie ein mögliches neues Gesetz aussehen könnte, ist eine politische Frage. Das Bundesverfassungsgericht urteilt nur über Rechtsfragen zum aktuellen Gesetz.
Droht wirklich eine Steuererhöhung?
Die kommunalen Spitzenverbände betonen, es solle insgesamt nicht zu einer höheren Belastung von Immobilienbesitzern kommen. Es könnte allerdings Verschiebungen geben. Das heißt: Wer heute wenig Grundsteuer zahlt, könnte künftig stärker zur Kasse gebeten werden - und umgekehrt. Wer am Ende wie viel zahlen wird, lässt sich im Detail aber kaum vorhersagen.
Aktenzeichen 1 BvL 11/14, BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12