Unfallforschung der Versicherer Mehr Aggressionen im Straßenverkehr
Auf Deutschlands Straßen geht es immer aggressiver zu. Das berichten Verkehrsteilnehmer bei einer Befragung der Unfallforschung der Versicherer. Die Hälfte gab an, dass sie sich nach Ärger gelegentlich im Verkehr abreagieren.
Die Menschen im deutschen Straßenverkehr zeigen häufiger aggressives Verhalten als in den vergangenen Jahren. Das hat eine aktuelle Umfrage des Instituts O.trend im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer ergeben. Rund die Hälfte der Befragten sagte, dass sie sich nach Ärger zumindest gelegentlich sofort abreagieren müsse - zum Beispiel, dass sie schneller fahren als sonst.
"Bei dieser Frage müsste man doch eigentlich klar sagen: 'Nein, das trifft nicht zu.' Das Auto ist kein angemessener Ort, um Aggressionen los zu werden," sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, dazu.
Bremse, Lichthupe, Auffahren
Auf die Aussage "Drängelt mich die Person hinter mir, trete ich kurz auf die Bremse, um diese zu ärgern", sagten 44 Prozent, dass dies bei ihnen zumindest gelegentlich zutrifft - auch hier wurden alle Nennungen außer einem klaren Nein zusammengefasst. 21 Prozent gaben an, dass sie beim Überholen auf der Autobahn auch mal mit Lichthupe und Blinker auf sich aufmerksam machen - ein Plus von neun Prozentpunkten im Vergleich zu 2016.
Rund 31 Prozent gaben an, zumindest gelegentlich aufs Gaspedal zu treten, wenn sie überholt werden. 34 Prozent sagten, dass sie auf "notorische Linksfahrer" zumindest vereinzelt auch mal dicht auffahren, damit diese die Überholspur frei machen - ein Plus von acht Prozentpunkten zu 2016.
"Aus Ärger oder zum eigenen Vorteil die Verletzung oder gar den Tod anderer in Kauf zu nehmen, ist vollkommen inakzeptabel", erklärte Brockmann. "Alle Verantwortlichen müssen jetzt im Lichte der Ergebnisse beraten, wie sich die Situation verbessern lässt."
Unterschiede bei Selbst- und Fremdwahrnehmung
Unfallforscher Brockmann erklärte, dass es aus seiner Sicht in Deutschland insgesamt einen Trend zu aggressiverem Verhalten gebe - und dass der auch vor dem Verkehr nicht Halt mache. Das zeige der Vergleich zu Vorgängerstudien etwa aus den Jahren 2016 und 2019.
Den Studienangaben zufolge erkennen die meisten Verkehrsteilnehmer Aggression zwar als Problem, den meisten fehle aber das Bewusstsein für die eigene Mitwirkung daran. So antworteten 96 Prozent aller Autofahrer, dass sie Radfahrer mit besonders viel Rücksicht überholen würden. Gleichzeitig gaben sie aber an, dass sie bei 93 Prozent der anderen Autofahrer einen zu geringen Sicherheitsabstand beim Überholen von Fahrradfahrern wahrnähmen. Allerdings sind unter diesem Wert alle Aussagen von "trifft kaum zu" bis "trifft voll zu" subsumiert - es wurden also alle Nennungen außer "trifft nicht zu" zusammengefasst.
Auch Radfahrer beobachten häufig aggressives Verhalten anderer Radler: Auf die Aussage "Wenn ich schneller vorankommen will, weiche ich auch mal auf den Gehweg aus" sagten knapp die Hälfte von ihnen (48 Prozent), dies treffe selten, gelegentlich, oft oder sehr oft zu; 52 Prozent sagten, dies treffe nicht auf sie zu. Allerdings sagten die Befragten gleichzeitig, sie würden bei 92 Prozent der anderen Radfahrer beobachten, dass diese auch mal auf den Gehweg ausweichen.
Die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer in Deutschland fühlt sich dennoch sicher oder sehr sicher im Straßenverkehr. Der Wert erhöhte sich von 55 Prozent im Jahr 2019 geringfügig auf 56 Prozent. Grundsätzlich fühlen sich Männer mit einem Anteil von 64 Prozent deutlich sicherer als Frauen mit 49 Prozent.
Null-Promille-Grenze und weniger Tempo
Zur Verbesserung der Sicherheitslage wird als Maßnahme am häufigsten eine Null-Promille-Regelung mit Blick auf den Alkoholkonsum gewünscht - und zwar von 68 Prozent der Befragten. Dieser Wert hatte allerdings 2019 noch um acht Prozent höher gelegen.
Strengere Geschwindigkeitsbegrenzungen werden im Vergleich deutlich kritischer gesehen. Tempo 30 in Städten als Maßnahme für mehr Sicherheit befürworteten 41 Prozent der Menschen, Tempo 80 auf Landstraßen 47 Prozent. Ein Geschwindigkeitslimit auf Autobahnen bei Tempo 130 befürworteten 53 Prozent der Befragten.
Alter spielt eine große Rolle
Inwieweit Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit befürwortet werden, hängt auch vom Alter ab: Tendenziell stehen ältere Menschen strengeren Tempolimits offener gegenüber als jüngere Befragte. Dafür können die Älteren Maßnahmen wie einer verpflichtenden Selbstauskunft ab 70 Jahren alle fünf Jahre weniger abgewinnen. Hier dürfte eine große Rolle spielen, dass sie von einer solchen Maßnahme selbst am stärksten betroffen wären. Einen verpflichtenden Sehtest alle 15 Jahre befürworteten aber auch viele der älteren Befragten.
Für die Umfrage wurden zwischen dem 2. Juni und 2. Juli deutschlandweit 2002 Menschen ab 18 Jahren befragt. Sie kann als repräsentativ bewertet werden.