Vereitelte Lauterbach-Entführung Prozessbeginn im Fall "Operation Klabautermann"
Fünf Menschen stehen wegen eines geplanten Umsturzes ab heute in Koblenz vor Gericht. Sie sollen bundesweite Stromausfälle, die Absetzung der Regierung und die Entführung von Karl Lauterbach geplant haben.
Eigentlich ist Neustadt an der Weinstraße als idyllischer Touristenort bekannt. Seit April 2022 wird der Ort im Südwesten Deutschlands aber noch mit etwas anderem im Verbindung gebracht. Eine Gruppe mutmaßlicher Terroristen wollte damals dort Sturmgewehre vom Typ AK 47 kaufen. Glücklicherweise war der angebliche Verkäufer ein verdeckter Ermittler der Polizei. Am 13. April 2022, kurz nach einer Waffenübergabe, griff die Polizei zu.
Terroristen aus der Mitte der Gesellschaft?
Vier Männer und eine Frau stehen deshalb ab heute als Angeklagte in einem Staatschutzverfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Das Gericht ist seit Jahren spektakuläre Strafprozesse gewohnt. Zuletzt hatte die Vorsitzende Richterin Anne Kerber und ihr Senat über Staatsfolter in Syrien zu entscheiden. Früher schon hatte sie mit islamistischen Terroristen zu tun. Nun geht es um mutmaßliche Terroristen aus der Mitte der Gesellschaft.
Chatgruppe "Vereinte Patrioten"
In einer Chatgruppe mit dem Namen "Vereinte Patrioten" sollen sich die Angeklagten kennengelernt haben. An dem Chat selbst haben deutschlandweit viele Dutzend Menschen teilgenommen. Teils radikal, teils großmäulig ging es um patriotisches Gedankengut - oder das, was die Menschen im Chat dafür hielten.
Doch die nun Angeklagten seien viel weiter gegangen, als das Gros der Chatgruppe, sagen Ermittler. Und der Versuch, die Sturmgewehre zu kaufen, sei nur ein Beleg dafür. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz wurde als erste deutsche Sicherheitsbehörde aufmerksam und sah sich die Gruppe näher an.
Andere Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene wurden informiert. Zunächst führte die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz das Verfahren, später übernahm es der Generalbundesanwalt. Für die Behörden wurde die Sache immer größer und immer deutlicher, dass die Gruppe radikaler war als andere Gruppen im Reich der "Querdenker" und "Reichsbürger".
Die "Gruppe Reuß" taucht auf
Im Laufe der Ermittlungen tauchten auch andere Personen auf dem Radar der Ermittler auf, die heute nicht zu den Angeklagten gehören. Vor allem Peter W. aus Bayern, ein Überlebenstrainer und "Wolfexperte", den die Ermittler ebenfalls für verdächtig hielten. Allerdings schien der sein eigenes Ding zu machen und die Gruppe um Elisabeth R. eher auf Abstand zu halten.
Die Ermittler bekamen den Eindruck: Es ist noch eine zweite, ähnliche Gruppe am Werk. So entdeckten sie die "Gruppe Reuß" um einen "Prinzen" aus Thüringen, gegen die ein separates und noch weit größeres Ermittlungsverfahren läuft.
"Operation Klabautermann"
Doch die frühere Lehrerin Elisabeth R., 75 Jahre alt, als ideologischer Kopf und ihre vier mutmaßlichen Komplizen ließen sich offenbar nicht beirren. Ihr Ziel laut Anklageschrift: Mit Gewalt bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen, um die Bundesregierung zu stürzen.
Einen dreistufigen Plan soll die Gruppe dafür ausgeheckt haben. Stufe 1: Einrichtungen der Stromversorgungen zerstören und einen großen Blackout verursachen. Stufe 2: Die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach - für viele in der Szene die Symbolfigur der deutschen Corona-Politik. Seine Leibwächter sollten notfalls getötet werden, womöglich am Rande eines Talkshow-Auftritts. Stufe 3: In Berlin wollte die Gruppe schließlich öffentlichkeitswirksam eine neue "konstituierende Versammlung” einsetzen. Ein Schauspieler sollte den Bundespräsidenten oder Bundeskanzler imitieren und live im Fernsehen verkünden, dass die Bundesregierung abgesetzt sei. Das alles unter dem Codewort "Klabautermann".
Lange Diskussionen vor Gericht?
Was die Angeklagten zu den Vorwürfen sagen, ist bislang öffentlich nicht bekannt. Geht es nach den Vorstellungen des Gerichts, wird am Vormittag die Anklage des Generalbundesanwalts verlesen und die Personalien der Angeklagten werden aufgenommen.
Gut denkbar wäre allerdings, dass die Angeklagten den Sinn des Verfahrens und die Berechtigung des Gerichts infrage stellen. In der "Reichsbürger"-Bewegung ist das eine übliche Vorgehensweise, und auch bei der Anhörung vor dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe nach der Festnahme soll es teilweise lange politische und rechtliche Diskussionen gegeben haben, heißt es in Ermittlungskreisen.
Der Anwalt von Elisabeth R. will sich vor dem Prozess nicht äußern. Die Verteidigung eines anderen Angeklagten hat eine Stellungnahme in Aussicht gestellt. Doch ob die mutmaßliche Verschwörergruppe auch nach der Festnahme noch an einem Strang zieht, ist unklar. Denn statt einem neuen "Deutschen Reich" droht nun eine lange Haftstrafe.