Logan, Jako, Minnie und Sozialarbeiterin Jana Roth malen im Kita-Mobil.
Mittendrin

Beruflich Reisende Wenn die Kita zu den Kindern kommt

Stand: 06.04.2023 13:19 Uhr

In vielen Regionen ist es schon schwer, einen normalen Kita-Platz zu bekommen. Was aber machen Schausteller, die den Großteil des Jahres unterwegs sind? In Hessen gibt es für sie das Kita-Mobil.

Wenn das Wohnmobil mit dem grünen Schriftzug auf den Festplatz in Gießen rollt, steigt bei den beiden Vierjährigen Logan und Jako und bei der sechsjährigen Minnie der Puls. Der Kindergarten kommt. "Kita für Kinder beruflich Reisender" steht auf dem Auto - ein speziell ausgebautes Wohnmobil. Für die drei Schaustellerkinder ist es jedes Mal ein Moment der Freude. Aufgeregt rennen sie auf das Auto zu, an dem Sozialarbeiterin Jana Roth sie schon gut gelaunt in Empfang nimmt. "Hallo, schön dass ihr wieder da seid", ruft sie den Kindern zu.

Drinnen erwartet die Kinder all das, was man sonst von einem normalen Kindergarten auch kennt: Wasserfarben, Knete, Bastelmaterial und jede Menge Spiele. Wie bei jeder stationären Kita gibt es natürlich auch im Kita-Mobil Regeln. Auf Karten geschrieben hängen sie direkt neben der Tür an der Wageninnenseite: "Wir helfen uns gegenseitig", "Wir arbeiten im Team" oder "Wir spielen miteinander, nicht gegeneinander".

Und natürlich müssen erst einmal die Hausschuhe angezogen werden, bevor es dann zum Begrüßungsritual geht, in dem wenige Quadratmeter Platz bietenden Wohnmobil. Für heute sind drei Kinder angemeldet, aber jederzeit können Schnupperkinder dazu kommen.

"Hier kann es natürlich sehr turbulent werden, wegen der Enge im Auto", sagt Roth. "Aber ich mag das, ich mag das Wilde, wenn die Kinder zu mir ins Wohnmobil steigen, mir macht das Spaß."

#mittendrin in Gießen: Mobile Kita für Schaustellerkinder

Alex Jakubowski, HR, tagesthemen, tagesthemen, 05.04.2023 22:15 Uhr

Das Kita-Mobil reist mit

Keine 20 Meter weiter steht der Süßwarenladen von Familie Renz, direkt neben dem Riesenrad. Bereits in fünfter Generation ist Michael Renz mit seiner Frau Scarlett als Schausteller unterwegs. Alle paar Wochen wechseln sie den Standort. Heute stehen sie in Gießen, demnächst in Frankfurt am Main, danach vielleicht im nordhessischen Eschwege.

"Für uns ist das Kita-Mobil eine sehr große Hilfe", sagt der 33-Jährige. "Wir können Minnie und Jako ja nicht hunderte Kilometer weit morgens in eine Einrichtung bringen und sie am Nachmittag wieder abholen, das geht nicht." Und so freut er sich gemeinsam mit seiner Frau darüber, dass das Kita-Mobil mehrmals die Woche von Wiesbaden aus auf den Festplatz kommt.

Drei weiße Transporter.

Dem Kita-Mobil stehen drei Fahrzeuge zur Verfügung.

"Die fahren uns im Prinzip hinterher", erklärt er. "Der Bus kommt immer mit, damit unsere Kinder mit den gewohnten anderen Kindern und auch denselben Sozialarbeiterinnen spielen und lernen können."

Auch für Schaustellerin Franziska Endres ist das Kita-Mobil eine große Hilfe. Die Mutter von Logan meint: "Für unseren vierjährigen Sohn ist das einfach toll, wenn er unter Anleitung spielerisch was lernt. Das ist im Kita-Mobil mit Jana einfach was anderes, als wenn wir das bei uns zuhause machen."

Modellprojekt läuft aus

In Hessen sind insgesamt drei solcher mobilen Kitas unterwegs. Im September 2020 wurde das Modellprojekt gestartet. Vorbild ist das schulische Angebot für Kinder beruflich Reisender, finanziert wird das Modell vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, von der Diakonie, von der Glücksspirale und aus Spenden. Träger ist die EVIM Bildung GmbH - EVIM bedeutet Evangelischer Verein für Innere Mission in Nassau.

Doch weil die Modellprojektphase im September 2023 ausläuft, machen sich die Eltern große Sorgen. "Wenn das Projekt nicht weitergeführt wird, müssen wir uns mit der Kinderbetreuung abwechseln", erklärt Schausteller Renz. "Das wäre schwierig, denn auch in unserer Branche gibt es Personalmangel. Wir wären also extrem froh, wenn wir unsere Kinder weiter in so gute Hände geben könnten."

Michael und Scarlett Renz.

Michael und Scarlett Renz stehen in ihrem Verkaufswagen für Süßwaren.

Derzeit wird das Modellprojekt im Auftrag des hessischen Sozialministeriums von der Fachhochschule Südwestfalen evaluiert. Bis Herbst, spätestens bis Jahresende sollen die Ergebnisse vorliegen. Und die Hoffnung ist groß, dass es für das Kita-Mobil weitergeht - auch, weil es den Kindern gut tut, meint Roth.

"Wenn wir mal eine Woche nicht da sind, weil das Auto in der Werkstatt ist etwa, dann werden wir natürlich sehr vermisst", sagt die Sozialarbeiterin. "Wir selbst merken den Kindern an, dass ihnen bei einer längeren Pause einfach etwas fehlt."

Dem kleinen Jako fehlt im selben Moment nur seine Knete. Roth geht zurück in den Wagen und kümmert sich um die Kinder. Nach drei Stunden Arbeit auf dem Festplatz geht es für sie mit dem Kita-Mobil wieder zurück nach Wiesbaden. Aber morgen wird sie wiederkommen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 05. April 2023 um 22:15 Uhr.