Bilanz nach Demonstrationen Wie die Bauern auf ihre Protestwoche schauen
Die Großkundgebung in Berlin war der Höhepunkt einer Woche voller Proteste. Die Landwirte haben ihren Unmut deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Bilanz fällt bei den Bauern unterschiedlich aus.
Albert Rohlmann sitzt zufrieden im Bus, der ihn aus Berlin zurück ins Münsterland bringt. Mit mehreren Kollegen war er dort, um auf der Großkundgebung vor dem Brandenburger Tor dabei zu sein. Hinter ihm und Tausenden Landwirten liegt eine bewegende Woche voller Protest und Demonstrationen.
Rohlmann ist Schweinezüchter in Hörstel und Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Bei einer vom Verband organisierten Sternfahrt am vergangenen Montag kamen 2.500 Landwirte mit ihren Traktoren und 1.500 mit ihren Schleppern aus allen Orten nach Saerbeck. Über die ganze Woche verteilt gab es Veranstaltungen auf Wochenmärkten und verschiedene Präsenzfahrten.
Die Bilanz der Protestwoche von Landwirt Albert Rohlmann fällt positiv aus.
"Schulterschluss mit der Bevölkerung"
"Bislang ist alles super gelaufen, es war ein toller Schulterschluss mit der Bevölkerung", so Rohlmanns erste Bilanz. Er habe durchweg positive Unterstützung festgestellt, viele Menschen hätten ihn angesprochen. "Die sagen alle: Es geht nicht mehr, dass die Politik entscheidet, ohne die Folgen abzuschätzen", so Rohlmann.
Es werde einfach nicht geschaut, wie das alles leistbar sei. "Es wird enger für jeden - und für uns Landwirte ist es nicht mehr machbar. Was man mit uns die letzten Jahre gemacht hat, war hanebüchen." Rohlmann geht davon aus, dass die Botschaft der Landwirte angekommen ist: "Wir erwarten, dass sich jetzt klar etwas ändern wird."
Massive Zunahme an Bürokratie
Auch Andreas Puckert, Landwirt in Saerbeck, war bei der Sternfahrt am Montag dabei. Nach Berlin hat er es nicht geschafft. Aber aus Solidarität hat er einen Schlepper vor seinen Hof an die Straße gestellt. Eine gelbe Rundumleuchte blinkt und am Fahrzeug hängen Banner mit Schriftzügen, wie "Zu viel ist zu viel" oder "Stirbt der Bauer, stirbt das Land".
Er ist weniger optimistisch, was Veränderungen angeht. Ein Ende der Agrardiesel-Subvention würde ihn knapp 6.000 Euro im Jahr kosten. Dennoch ist das nicht der Punkt, der ihn am meisten beschäftigt. Er beschwert sich vor allem über die massive Zunahme der Bürokratie, die inzwischen viel zu viel Zeit einnehme. "Wir müssen anmelden, ummelden, Datenbanken pflegen. Das wird immer mehr", beschwert er sich.
Landwirt Andreas Puckert stört vor allem die zunehmende Bürokratie.
Puckert befürchtet aber, dass sich kaum etwas ändern wird. "Die versprechen nun alle, Bürokratie abzubauen. Was wir aber brauchen, wäre eine grundlegende Reform", ist er überzeugt.
Dabei gehe es nicht nur um die Landwirte. "Das braucht einen grundsätzlichen Ruck durch alle Branchen. Meine Frau ist Krankenschwester an der Uniklinik in Münster, die schreiben mehr Papiere als sich um Patienten kümmern zu können", so Puckert. Von grundlegenden Veränderungen sei man aber noch weit entfernt.
Mehr Gestaltungsspielraum für die Landwirtschaft
Nach der Protestwoche zieht er eine nüchterne Bilanz. "Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Politik groß bewegen wird. Die werden uns ein wenig entgegenkommen. Aber viel verspreche ich mir nicht von den weiteren Gesprächen", so Puckert.
Die Landwirte hätten jedenfalls alles getan, sagt der Kreisvorsitzende Rohlmann. Was mit dem Agrardiesel passiere, sei nun Aufgabe der Politik. "Heute hat sich Christian Lindner erst mal gegen uns positioniert und nur kleine Häppchen hingeworfen", so Rohlmann. Vielleicht müsse er die Veranstaltung erst einmal auf sich wirken lassen. Da sei noch Spielraum.
Kein Platz für Rechtsextreme
Insgesamt hofft er darauf, dass Landwirtschaft wieder mehr Gestaltungsspielraum bekomme. "Unternehmerische Entscheidungsfähigkeit muss wieder mehr beim Bauern liegen, nicht bei der Politik in Berlin", so Rohlmann.
Glücklich ist der Kreisvorsitzende darüber, dass es rechtsextremen Gruppierungen kaum gelungen sei, die Bauernproteste zu unterwandern. "Wir Bauern stehen so dicht zusammen, dass da kein Platz für Rechte ist", so Rohlmann. "Wir wollen geschlossen unsere Anliegen kundtun in Form von zugelassenen Demos. Da sind wir eine Einheit und passen aufeinander auf."