Unterbringung von Geflüchteten Kommunen an der Kapazitätsgrenze
Die Unterbringung von Geflüchteten ist für die Kommunen ein Kraftakt. Viele planen Containerdörfer wie in Bad Hönningen in Rheinland-Pfalz. Doch die allein reichen nicht. Bringt der Flüchtlingsgipfel Lösungen?
In seinem Wohncontainer in Bad Hönningen, neben dem Parkplatz eines Discounters, sitzt Michail Meschkow auf dem Bett und erzählt von der Zerstörung seiner Heimatstadt Charkiw. Sein Haus, die gesamte Straße: alles Schutt und Asche. Im Norden von Rheinland-Pfalz ist der 65-Jährige mit seinem minderjährigen Sohn untergekommen.
Gemeinsam mit 70 anderen Geflüchteten aus der Ukraine leben sie im Containerdorf, das kurz nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine hochgezogen wurde. So mancher Container wird als "Männer-WG" genutzt, wie sie vor Ort halbernst sagen. Das heißt: vier Fremde, zwei Stockbetten, 15 Quadratmeter. Michail Meschkow sei sehr dankbar für die Unterkunft und die tolle Unterstützung, erzählt er, aber hätte gerne eine eigene Wohnung. Doch eine zu finden - das sei nun mal enorm schwierig.
Im Büro des Containerdorfs mustert Flüchtlingskoordinatorin Barbara Schmitz den Belegungsplan. "Zwei junge Männer, die hier Anschluss haben, kommen noch", berichtet sie, "außerdem drei Frauen". Dann sei die Unterkunft erneut voll. Fluktuation bei den Container-Bewohnern gebe es ohnehin kaum. Wo sollen die Geflüchteten auch hin? "Der soziale Wohnraum ist komplett erschöpft", sagt Schmitz. Einige Wohnungen seien noch von Menschen belegt, die mit der großen Fluchtbewegung 2015 nach Deutschland kamen. "Und wir können ja niemanden obdachlos machen", fasst Schmitz zusammen.
Europäische Lösung gefordert
Mehr als 3500 Geflüchtete hat der Landkreis Neuwied, in dem Bad Hönningen liegt, im vergangenen Jahr aufgenommen, darunter 3000 aus der Ukraine. Das seien 20 Prozent mehr, als der Kreis nach der Verteilquote innerhalb von Rheinland-Pfalz aufnehmen müsste, heißt es aus der Kreisverwaltung. Weitere Zuweisungen würden dennoch kommen. Landrat Achim Hallerbach (CDU) fragt sich, wie das gehen soll. Die Landesregierung könne jedenfalls auch nicht viel machen, sagt er. Denn die müsse nun mal die Geflüchteten verteilen, die sie wiederum vom Bund zugewiesen bekommt. Hallerbach appelliert also in Richtung Bundesregierung. "Wir brauchen dringend eine europäische Lösung", sagt er. Der Bund müsse "Steuerungsmöglichkeit aufbauen", sodass Geflüchtete mehr in andere EU-Staaten verteilt werden.
In Kaiserslautern sieht man das ähnlich. Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) referiert die Zahlen, um die Belastung seiner Kommune deutlich zu machen: 1560 ukrainische Geflüchtete habe die Stadt aufgenommen, "45 Prozent mehr als wir eigentlich aufnehmen sollten", sagt Weichel. Zehn Gemeinschaftsunterkünfte seien inzwischen eingerichtet worden, darunter zwei Wohnblöcke, ein Hotel, ein ehemaliges Seniorenheim, ein ehemaliges Fitnessstudio. Hinzu kämen mehrere Hallen, von denen nun drei weitere umgenutzt werden sollen. "Mehr ist nicht mehr zu machen", meint Weichel.
Bundesländer in Zwangslage
Ende vergangenen Jahres hatte Kaiserslautern einen dreimonatigen Zuweisungsstopp bei der Landesregierung erwirkt, der sei allerdings nicht verlängert worden, wie Weichel schildert. Nun kommen weitere Geflüchtete, allein seit Januar seien es mehr als 200 gewesen. Wie Landrat Hallerbach sieht auch er die Bundesländer letzten Endes in einer Zwangslage, in der sie nicht mehr wüssten, wie sie mit den hohen Zahlen an Geflüchteten umgehen sollen.
Antworten darauf dürften sich die Landesregierungen beim Flüchtlingsgipfel heute mit der Bundesinnenministerin versprechen. Auch die kommunalen Spitzenverbände sind vertreten und fordern unter anderem, dass der Bund eigene Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete aufbaut. Vor allem geht es aber ums Geld. Der Bund hat Ländern und Kommunen für das laufende Jahr 2,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt; für 2022 waren es 3,5 Milliarden Euro. Die kommunalen Spitzenverbände fordern jedoch seit langem anstatt der Pauschalen, dass der Bund zusagt, die Kosten für Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten vollständig zu übernehmen.
"Am Ende der Integrationsfähigkeit"
"Der Forderung, dass die Refinanzierungsquote bei 100 Prozent liegen muss, schließe ich mich an", sagt Kaiserslauterns Oberbürgermeister Weichel. Aber das löse das Problem auch nicht, allein mit der Unterbringung sei es ohnehin nicht getan. Es brauche ja auch die soziale Betreuung, also mehr Personal in der Verwaltung, in Kitas und Schulen. "Unsere Schulsozialarbeiter gehen auf dem Zahnfleisch", sagt Weichel. "Wir haben uns zum sicheren Hafen erklärt", bilanziert er die Lage, "aber sind am Ende der Unterbringungs- und Integrationsfähigkeit angekommen."
Zurück in den Kreis Neuwied, in den Norden von Rheinland-Pfalz. Geld sei nicht das Hauptproblem, sagt Landrat Hallerbach, sondern die Kapazitäten. Auch die Ankündigung aus Berlin, verfügbare Bundesliegenschaften für die Unterbringung bereitzustellen, laufe im Kreis ins Leere - die gebe es vor Ort schlichtweg nicht.
Die Wohnproblematik veranschaulicht sich auch an einer Turnhalle in Neuwied, in der 220 Geflüchtete untergebracht sind. Mussten sie hier anfangs noch rund zwei Wochen warten, um eine Anschlussunterkunft zu finden, dauert das inzwischen Monate. Helfer vor Ort erzählen, dass so manche sogar zwei Mal in der Sammelunterkunft aufschlagen: das erste Mal, wenn sie auf der Flucht hier ankommen - und ein weiteres Mal, wenn die Hilfsbereitschaft von örtlichen Vermietern endet.
Eine neue Fluchtbewegung bahnt sich an
In Bad Hönningen, dem Ort, in dem ein paar Kilometer entfernt das Containerdorf steht, dürfte deswegen wohl noch ein weiteres hinzukommen. Doch die Standortsuche ist für die Kommune schwierig. Außerdem sind die Kosten für die Container in die Höhe gestiegen.
Dabei dürfte sich die Lage mit dem Erdbeben in der Türkei und Syrien noch weiter verschärfen, sagt Flüchtlingskoordinatorin Schmitz. "Letztlich brauchen wir viel mehr sozialen Wohnungsbau", sagt sie, gerade wenn sich eine neue große Fluchtbewegung anbahnt. Ein weiteres Containerdorf dürfte dann jedenfalls auch nicht mehr reichen.