Coronavirus Weshalb manche trotz Impfung erkranken
Zwei Wochen nach der zweiten Impfung gilt man als vollständig geschützt - eigentlich. Doch immer wieder erkranken Geimpfte trotzdem an Covid. Wie kann das sein?
Fast 11.000 sogenannte Impfdurchbrüche zählt das Robert Koch-Institut seit Februar 2021 in seinem aktuellen Bericht. Das bedeutet: Diese Menschen sind an Covid erkrankt, obwohl sie vollständig geimpft waren. 11.000 Fälle, das klingt viel. Doch für Professor Reinhold Förster vom Institut für Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover sind diese Zahlen nicht besorgniserregend. "Mit einer solchen Anzahl an Impfdurchbrüchen musste mindestens gerechnet werden. Wir wussten schon aus den großen Impfstudien, dass die Impfstoffe keinen hundertprozentigen Schutz bieten."
Bereits in den Zulassungsstudien erkrankten Probanden trotz der vollständigen Impfung, es waren jedoch viel weniger als in der ungeimpften Vergleichsgruppe. Da die Anzahl der vollgeimpften Menschen in Deutschland steigt, war es zu erwarten, dass auch die Zahl der Impfdurchbrüche zunimmt. Laut RKI machen diese aber nur einen kleinen Teil der Neuinfektionen aus. Der Großteil der gemeldeten Infizierten sei nicht oder nicht vollständig geimpft gewesen.
Delta-Variante führt auch zu mehr Impfdurchbrüchen
Die Behörde geht aktuell von einer Impfeffektivität von 87 Prozent bei allen Altersgruppen über 18 Jahren aus. Und das, obwohl sich die Delta-Variante des Virus mittlerweile in Deutschland durchgesetzt hat. Diese Variante gilt als deutlich ansteckender. Wenn sich viele Menschen anstecken, kommen auch viele Geimpfte damit in Kontakt. Die Wahrscheinlichkeit für Impfdurchbrüche steigt. Die Delta-Variante führt also zumindest indirekt auch bei Geimpften zu mehr Erkrankungen. Dazu kommt, dass die Delta-Variante in Verdacht steht, die Effektivität der Impfungen zu schmälern. Doch wie stark dieser Effekt sein könnte, ist noch nicht abschließend geklärt.
Ältere sind stärker betroffen
Unabhängig von der Virus-Variante gilt: Das größte Risiko trotz Impfung an Covid zu erkranken, haben Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Das kann zum Beispiel nach einer Organtransplantation der Fall sein oder während einer Krebsbehandlung. Doch auch mit steigendem Alter wächst die Gefahr eines Impfdurchbruchs. Denn das Immunsystem wird mit dem Alter unflexibler - vor allem bei der Abwehr von bisher unbekannten Erregern. Die Folge: Die Impfung schlägt zum Teil nicht so gut oder gar nicht an, der Impfschutz ist nicht mehr so lang anhaltend.
Weiterer Faktor: Zeit
Mit der Zeit nimmt der Impfschutz ab, das gilt wahrscheinlich für alle Altersgruppen. Der Antikörperspiegel, den der Körper gegen das Coronavirus aufgebaut hat, sinkt einige Zeit nach der Impfung ab. Schutzlos ist der Körper damit aber nicht, erklärt Christine Dahlke vom Institut für Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Denn der langfristige Immunschutz basiere nicht nur auf den Antikörpern: "Wenn man Antikörper-Level hat, die nicht messbar sind, kann es zwar zu Durchbruchsinfektionen kommen. Aber es gibt ja immer noch die T-Zellen und die Gedächtniszellen: Die können in kürzester Zeit die Antikörper wieder auf ein Niveau hochheben, sodass das Virus wieder bekämpft wird und der Körper geschützt ist."
Geimpfte haben also einen klaren Vorteil - selbst im Fall einer Infektion. "Wir sehen momentan, dass diese Impfdurchbrüche mit einem milderen Verlauf einhergehen, als wenn Menschen nicht geimpft sind", erklärt Reinhold Förster vom Institut für Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Häufig zeigten die Betroffenen Symptome wie bei einer Erkältung - mit laufender Nase, Halskratzen oder leichtem Husten. Es gebe zwar auch schwere Verläufe nach der Impfung, "aber die sind wirklich extrem selten, auch wenn man sie nicht ganz ausschließen kann."
Geimpfte sind nicht Treiber der Pandemie
Dass die Impfdurchbrüche meist mild verlaufen, kann jedoch auch dazu führen, dass sie unentdeckt bleiben. So nehmen Erkrankte die Infektion beispielsweise kaum wahr oder verwechseln sie mit einem Schnupfen oder eine Allergie.
Interessant ist daher die Frage, wie ansteckend Menschen sind, die sich trotz Impfung mit dem Coronavirus infizieren. Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass Geimpfte bei einer Erkrankung ähnlich hohe Virenmengen in sich tragen wie Ungeimpfte. Gleichzeitig ist noch nicht klar, wie lange diese Virenlast bei ihnen auf einem kritischen Level bleibt - es gibt erste Hinweise darauf, dass Geimpfte bei einer Infektion wahrscheinlich kürzer ansteckend sind.
Für Reinhold Förster vom Institut für Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover zeigen die aktuellen Infektionszahlen jedoch: "Menschen, die zweimal geimpft sind, sind keine Treiber der Pandemie." Man könne nicht ausschließen, dass sie in einzelnen Fällen andere infizieren könnten, "aber die Geimpften sind nicht der Grund dafür, dass momentan die Infektionszahlen in Deutschland hochgehen."
Trotzdem müsse man die Zahl der Impfdurchbrüche im Herbst und Winter genau beobachten, schließlich könnten sie ein Hinweis darauf sein, ob und bei wem eine Auffrischungsimpfung nötig sei.