Vor Präsentation der neuen IGLU-Studie Es könnte wieder schlechte Noten geben
Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung zeigt die Lesekompetenz von Schülern im internationalen Vergleich. Mehr als zwanzig Jahre nach dem PISA-Schock könnte das deutsche Schulsystem erneut schlecht dastehen.
Es drohen erneut schlechte Nachrichten zum Thema Bildung. Vorzeichen gibt es hinreichend. So zeigt der IQB-Bildungstrend aus dem vergangenen Oktober, dass 2021 zwischen knapp 13 Prozent (Sachsen) und 31 Prozent (Bremen) der Viertklässler die Mindeststandards beim Lesen nicht erreicht haben.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte vor dem heutigen Erscheinen der Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU): "Studie für Studie zeigt uns, dass Rechnen, Schreiben, Lesen unseren Schülern immer schwerer fällt, deshalb brauchen wir eine bildungspolitische Trendwende, die wir aber nur gemeinsam schaffen", so die FDP-Politikerin. Von diesem "gemeinsam" allerdings sind die verschiedenen Ebenen, also Bund, Länder und Kommunen, Eltern und Bildungsexperten noch ganz schön weit entfernt.
Seit PISA ist eine Menge passiert
Wenigstens kann man der deutschen Bildungspolitik keine Untätigkeit unterstellen. Seit dem PISA-Schock vor über zwanzig Jahren, als Deutschland bei einem internationalen Bildungsvergleich schlecht abschnitt, ist eine Menge passiert: Ganztagsschulen sind inzwischen Normalität, es gibt mehr Kitas mit oft höheren Standards, es floss mehr Geld ins Bildungssystem.
Aber auch die Kinder von heute unterscheiden sich von den Kindern damals. Die Bildungswissenschaftlerin Nele Mc Elvany leitet die IGLU-Studie und hat festgestellt, dass der Anteil der Kinder, bei denen daheim nicht oder selten deutsch gesprochen wird, angestiegen ist. Damit diese Kinder in der Grundschule mitkommen können, müssen sie zuvor erkannt und besonders gefördert werden. In Hamburg gibt es dafür Mc Elvany zufolge gute Beispiele.
Schulen unter Druck
Der Bildungspolitiker Thomas Jarzombeck sieht folgerichtig Handlungsbedarf schon vor der Grundschule: "Das wäre aus meiner Sicht superwichtig, dass wir auf die Lebensjahre vier und fünf gucken, nämlich das, was vor der Schule passiert", sagt der CDU-Politiker. "In die Grundschule am Ende Kinder hineinzustecken, die wirklich extreme Defizite im sprachlichen Bereich haben, übt einen unglaublichen Druck auf das Grundschulsystem aus."
Und die Schulen stehen ohnehin unter Druck. Allein schon, weil es oft genug an Lehrkräften fehlt. Kai Gehring ist Vorsitzender des Bildungsausschusses im Bundestag. Der Grüne befürchtet inzwischen, dass aus der Bildungskrise eine Bildungskatastrophe werden könnte.
Gehring fordert mehr Geld für die Kitas und Grundschulen, damit sie besser auf die Sprachprobleme eingehen können: "Während die gymnasiale Oberstufe finanziell nach wie vor sehr gut ausgestattet ist, müssen wir, glaube ich, eine ordentliche Schippe drauflegen bei den Kitas und Grundschulen." Dort kämen die unterschiedlichsten Schüler zusammen und man müsse gleiche Startchancen herstellen.
Die Startchancen haben auch einem Programm von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger den Namen gegeben. Damit will sie 4000 Schulen fördern, die es besonders nötig haben. Immerhin 60 Prozent davon sollen Grundschulen sein. Das Startchancenprogramm steht zwar schon im Koalitionsvertrag, ist aber noch immer in der Konzeptionsphase. Der Bund muss alles mit den Ländern abstimmen, denn sie sind zuständig und haben nun einmal die Bildungshoheit in der Bundesrepublik.
Bildungsaufsteiger haben es schwer
Tatsächlich ist das deutsche Bildungssystem bis jetzt sozial undurchlässig. Kinder aus weniger gebildeten oder eben armen Familien haben schlechtere Chancen in der Schule. Ein Zustand, den das Land sich nicht leisten kann, findet auch die Bundesbildungsministerin. Für sie ist die "Lesefähigkeit von heute die Grundlage für die Fachkräfte von morgen".
Um diese Lesefähigkeit ist es nicht gut bestellt - die Schulschließungen während der Pandemie dürften die Situation noch verschlimmert haben. In den jüngsten Studien erfüllen bis zu 31 Prozent der Viertklässler nicht die Mindeststandards beim Lesen. Dabei schneiden Bayern (14,1 Prozent) und Sachsen (12,9 Prozent) besonders gut ab, Berlin (27,2 Prozent) und Bremen (31,0 Prozent) besonders schlecht.
Die IGLU-Studie droht, das einmal mehr zu bestätigen. Immerhin haben die Wissenschaftler im Rahmen der Studie gute Beispiele kennengelernt, die zeigen, dass es Auswege aus der Misere gibt. Und Handlungsempfehlungen für die Politik bringen sie auch mit.