Corona-Treffen Über diese Regeln beraten Bund und Länder
FFP2-Maskenpflicht, mehr Homeoffice, Ausgangsbeschränkungen: Wie der Bund sich offenbar positionieren will, ist aus einer Beschlussvorlage bekannt geworden. Doch die Länder haben teils eigene Vorstellungen.
Wie ist die Ausgangslage vor dem heutigen Bund-Länder-Treffen?
Die Interpretation der Infektionszahlen war in den vergangenen Wochen wegen der verspäteten Meldungen und der Feiertage schwierig. Nun könnte die Datenlage langsam verlässlicher werden. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete heute 11.369 Corona-Neuinfektionen und 989 neue Todesfälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 131,5. Der höchste Wert war am 22. Dezember mit 197,6 gemeldet worden.
Bisher brachten die Maßnahmen aber nicht jenen Effekt, den sich die Politik erhofft. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach gestern von einer vorsichtig positiven Tendenz, warnte aber: "Die Inzidenz ist bedeutend zu hoch." Man sei noch lange nicht da, wo man hin wolle und müsse, sagte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Vor allem die mutierten Varianten bereiten der Politik große Sorgen. Die Mutation B.1.1.7 mache wohl weniger als ein Prozent der Fälle aus, sagt SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Sie wachse aber so schnell, dass eine "Pandemie in der Pandemie" drohe. Spahn hat inzwischen eine breitere Suche nach Virus-Varianten angeordnet.
Auch eine Expertengruppe warnte bei einem gestrigen Treffen noch einmal eindringlich vor der Gefahr von Coronavirus-Mutationen.
Ziemlich wahrscheinlich ist also: Es wird eine Verlängerung des Lockdowns über den 31. Januar hinaus geben. Die SPD-Länderchefs wollen nach Angaben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer eine Verlängerung der Einschränkungen bis zum 14. Februar vorschlagen. Und es könnte wohl zudem eine Verschärfung der Regeln geben. Über die Regelungen im Detail dürfte noch eifrig gestritten werden.
Was ergab das Treffen von Virologen und Politikern gestern Abend?
Laut "Spiegel"-Informationen ließen sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten gestern unter anderem von folgenden Experten beraten: Rolf Apweiler vom European Bioinformatics Institute in Großbritannien, Virologe Christian Drosten, Lothar Wieler vom Robert Koch-Institut, Michael Meyer-Hermann und Gérard Krause vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, Cornelia Betsch von der Universität Erfurt, Kai Nagel von der TU Berlin und Virologin Melanie Brinkmann.
Über das Vorbereitungstreffen gibt es keine offiziellen Verlautbarungen. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios warnten die Experten aber eindringlich vor der neuen Virus-Variante und rieten etwa zu einer Ausweitung des Homeoffice und zu zügigen Impfungen.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters warnte Apweiler, dass die in Großbritannien festgestellte Virus-Variante für sechs bis achtmal mehr Corona-Fälle im Monat sorge als das herkömmliche Virus. Er forderte einen "scharfen Lockdown", schnelles Impfen und eine breite Gensequenzierung.
Der Berliner Mobilitätsforscher Nagel empfahl laut Reuters strikte Einschränkung von Aktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände und eine Ausgangssperre am Abend. Eine FFP2-Maskenpflicht am Arbeitsplatz bezeichnete er nach Teilnehmerangaben als sinnvoll.
Kommt eine FFP2-Maskenpflicht an bestimmten Orten?
Eine bundesweite Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken im öffentlichen Nahverkehr und in Geschäften wird nach bayerischem Vorbild diskutiert. Die Masken gelten als sehr effizient, sie sind dichter und filtern so mehr kleinere Partikel - vorausgesetzt, sie werden korrekt getragen. Bayern hatte in der vergangenen Woche eine FFP2-Masken-Pflicht für Läden und öffentliche Verkehrsmittel beschlossen - seit gestern ist sie in Kraft. Aber gibt es überhaupt genügend Masken? NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann äußerte sich vor dem Treffen skeptisch, ob eine ausreichende Zahl zur Verfügung stehen würden. Und was heißt das für Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben und sich die verhaltnismäßig teuren Masken nicht leisten können? "Für Menschen ohne beziehungsweise mit geringem Einkommen müssen die Masken kostenlos zur Verfügung gestellt werden", forderte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas auf t-online. Sie schlug die Prüfung einer Preisbindung für Masken vor.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte, bei einer möglichen FFP2-Maskenpflicht sollte der Bund alle Bürgerinnen und Bürger mit solchen Masken ausstatten, wie es bei den Älteren bereits der Fall sei.
Die Linkspartei fordert einen Zuschlag auf Hartz IV, damit sich auch ärmere Menschen FFP2-Masken leisten können.
Was ist mit Ausgangssperren?
Mehrere Bundesländer haben bereits nächtliche Ausgangssperren in bestimmten Gebieten umgesetzt. Nun wird auch über eine bundesweit einheitliche Regel ab einer bestimmen Inzidenz diskutiert. Allerdings ist die Skepsis bei der Frage nach der Einschränkung der Bewegungsfreiheit noch groß. Nicht nur, weil die Frage der Kontrollen ungelöst bleibt. Aus den SPD-Ländern gibt es den größten Widerstand.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) lehnt ein generelles Ausgehverbot in den Abend- und Nachtstunden ab. "In ganz Niedersachsen liegen wir jetzt bei einer Inzidenz von knapp unter 100. Deshalb halte ich aktuell landesweite nächtliche Ausgangssperren nicht für gerechtfertigt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Lediglich in Städten und Landkreisen mit einer Inzidenz von mehr als 200 pro 100.000 Einwohnern und Woche sei eine solche Maßnahme sinnvoll und werde von den Menschen auch akzeptiert. "Wir stellen fest, wir sind dabei, die Schrauben zu fest zuzudrehen", sagte auch der niedersächsische Staatssekretär Jörg Mielke.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sagte zu möglichen Ausgangssperren, er sei momentan dagegen, dies "verbindlich für alle zu regeln, auch für die, die niedrige Infektionszahlen haben".
Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther sprach sich ebenso dagegen aus.
Wie könnten Homeoffice-Regeln verschärft werden?
Auch eine Verschärfung der Homeoffice-Regeln wird debattiert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte an, dass er nicht nur die Regeln für den Corona-Schutz am Arbeitsplatz verschärfen, sondern auch mehr Homeoffice ermöglichen wolle. Rechtsgrundlage dafür soll das Arbeitsschutzkontrollgesetz sein. Das ermöglicht es dem Bundesarbeitsministerium in epidemischen Lagen, bestimmte Verordnungen zu erlassen. Der Aufruf für mehr Homeoffice müsse "mit mehr Verbindlichkeit versehen" werden, sagte er.
"Business Insider" meldete, dass es möglicherweise auf ein "Homeoffice Light" hinauslaufen könne. Unternehmen könnten demnach gegebenenfalls verpflichtet werden. Eine Bestätigung dafür gibt es aber nicht. Laut Nachrichtenagentur dpa wird auch darüber diskutiert, ob Arbeitgeber künftig begründen müssten, warum ihre Beschäftigten unbedingt ins Büro kommen sollen.
Eine Pflicht zum Arbeiten im Homeoffice will Niedersachsens Regierungschef Weil. Arbeitgeber müssten dann darlegen, warum welche Bereiche definitiv nicht ins Homeoffice gehen können.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther (CDU) belässt es hingegen bei einem Plädoyer für mehr Homeoffice. "Das hätte auch eine weitere Entlastungswirkung für den öffentlichen Personennahverkehr und in allen Bereichen, wo es schwierig ist, Abstände zu halten", sagte Günther.
Der Deutsche Städtetag forderte die Kommunen auf, städtische Mitarbeiter verstärkt ins Homeoffice zu schicken: Die Städte müssten "beim Homeoffice als Vorbild wirken", sagte der Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther warnte vor einer Homeoffice-Pflicht. "Dies ist eine Scheindebatte, denn die Unternehmen haben einerseits seit Langem die Covid-19-Arbeitsschutzbedingungen zu beachten und andererseits weitreichend das Homeoffice ermöglicht", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe
Was ist mit Grenzkontrollen?
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat bereits am Sonntag mögliche Grenzkontrollen ins Spiel gebracht. Auch die Bundesregierung schließt nationale Grenzkontrollen nicht aus. Für die Bund-Länder-Gespräche lägen derzeit alle denkbaren Optionen auf dem Tisch, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
Was sagen andere?
FDP-Chef Christian Lindner hält besonders nächtliche Ausgangssperren für unverhältnismäßig: "Auf keinen Fall dürften sie ohne Befassung des Bundestages beschlossen werden", fordert er. Der Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, lehnt dies mit der Begründung ab, dies wäre eine "PR-Veranstaltung" der Freidemokraten. Der Bundestag sei eingebunden und habe jederzeit die Möglichkeit, alles wieder zurückzuholen, was von den Regierungen beschlossen werde.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte vor überzogenen Maßnahmen. Zwar sei eine Verlängerung des Lockdowns notwendig, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ein deutlich verschärfter Lockdown sei allerdings "keine Lösung und könnte die unverzichtbare Akzeptanz der Menschen für die zahlreichen Maßnahmen gefährden".
Die Kultusminister drängen laut Nachrichtenagentur Reuters in vielen Ländern auf eine Öffnungsperspektive zumindest für Grundschulen.