Dorf in Schwaben Wo die Integration Geflüchteter gelingt
Im Dörfchen Dietenbronn in Oberschwaben sind 120 Geflüchtete untergebracht - bei nur 35 Einwohnern. Entgegen ursprünglicher Sorgen läuft es besser als erwartet. Was machen Gemeinde und Kreis dort anders?
Der Aufschrei vor drei Monaten war groß: Der Landkreis Biberach kündigte an, 170 Geflüchtete in dem 35-Seelen-Dörfchen Dietenbronn unterzubringen - in einer alten, leerstehenden Klinik. Familien aus der Ukraine, aber auch junge syrische Männer, werden seitdem dort untergebracht.
Die Anwohner des kleinen Teilorts der 6000-Einwohner-Gemeinde Schwendi liefen Sturm. Fünf Geflüchtete auf einen Einwohner, das sei zu viel, mahnten die Gegner. Viele sahen den Frieden im Dorf in Gefahr. Doch der große Knall ist ausgeblieben. Jetzt, drei Monate später, scheinen viele der Verantwortlichen selbst überrascht, wie gut alles läuft.
Sprachkurse helfen den Geflüchteten bei der Integration.
Ehrenamtliche leisten Großteil der Arbeit
Bernd Karrer vom Helferkreis Asyl Schwendi kommt gerade von seiner Stippvisite in der alten Klinik. Er ist einer von denen, die immer gesagt haben: Wenn alle mit anpacken, kriegen wir das hin. Dass er so schnell Recht behalten sollte, hätte aber wohl auch er nicht gedacht. "Die Lage ist absolut ruhig, es gab bisher keinerlei Zwischenfälle", berichtet Karrer.
Seine Erklärung: Die Integration der Geflüchteten funktioniert - nicht nur im Dorf, sondern auch in der Gesamtgemeinde. Gerade hat er eine ukrainische Bewohnerin mit ihrer Tochter zum Kirchenchor im benachbarten Großschafhausen vermittelt. "Ein anderer hat gesagt, dass er gerne Volleyball spielt. Der geht jetzt mal mit zum Verein in Schwendi", sagt Karrer.
Bernd Karrer vom Helferkreis Asyl Schwendi.
In der Unterkunft gibt es zwei hauptamtliche Integrationsmanagerinnen, die nicht nur die Geflüchteten betreuen, sondern auch als Bindeglied zwischen Anwohnern und Bewohnern fungieren sollen. Sie haben schon ganz zu Beginn die ehrenamtlichen Helfer und die Neuankömmlinge nach Hobbys, Interessen und Berufen gefragt - und dann aktiv versucht, Kontakte herzustellen.
So seien viele Vorurteile abgebaut worden. Und das, obwohl in Spitzenzeiten tatsächlich sogar bis zu 180 Geflüchtete in der alten Klinik untergebracht gewesen seien. Aktuell sind es zwischen 120 und 130 - immer noch genug für ein kleines Dörfchen wie Dietenbronn.
Einer der wohlhabendsten Kreise im Land
"Die Situation ist viel entspannter als von vielen befürchtet", berichtet auch der parteilose Landrat Mario Glaser. "Ganz ausdrücklich sage ich: Nicht von uns befürchtet", fügt er hinzu. Als im Winter klar wurde, der Landkreis muss eine große Anzahl an Geflüchteten unterbringen, musste er entscheiden: Zahlreiche Sporthallen belegen oder das Wagnis mit der alten Klinik eingehen - in dem Wissen, dass das den sozialen Frieden gefährden könnte? Der Landkreis hat die zweite Variante gewählt - und offenbar Recht behalten.
Warum aber schaffen es die Gemeinde Schwendi und der Landkreis Biberach, die Geflüchteten in Dietenbronn nicht nur unterzubringen, sondern ihnen zumindest auch eine erfolgreiche Integrationsperspektive zu geben? Wo doch die meisten anderen Kreise die fehlende Finanzierung durch den Bund und schier unlösbare Aufgaben beklagen?
Ohne die vielen Freiwilligen würde die Integration der Geflüchteten weniger gut gelingen, sagt Landrat Mario Glaser.
Der eine Teil der Wahrheit: Der Landkreis Biberach zählt zu den wirtschaftsstärksten in ganz Deutschland. Das liegt vor allem an den zahlreichen großen Unternehmen, die hier angesiedelt sind, wie Böhringer Ingelheim, Liebherr, Kässbohrer oder Diehl Aviation. Es herrscht quasi Vollbeschäftigung, der Kreis ist schuldenfrei - das lässt natürlich mehr Spielraum bei der Betreuung von Geflüchteten.
Zwei hauptamtliche Integrationsmanagerinnen muss man sich auch erst einmal leisten können. Und dennoch sagt auch der Landrat: Der Schlüssel zum Erfolg seien die Ehrenamtlichen. "Das Engagement hat nie nachgelassen, auch als der Gegenwind am größten war", sagt Glaser. Der Kreis finanziere zwar seit Jahren die Arbeit der ökumenischen Flüchtlingsarbeit von Diakonie und Caritas, unter deren Dach auch der Helferkreis Asyl agiert. Doch ohne die vielen Freiwilligen sei eine Arbeit undenkbar.
Auch Dietenbronn braucht auf lange Sicht mehr Geld
Trotzdem: Auch der Kreis Biberach wird die Aufgaben irgendwann nicht mehr alleine stemmen können. Die Erstunterbringung wie in Dietenbronn sei schließlich nur der erste Schritt, sagt der Landrat. Kindergartenplätze müssten her, Kapazität in den Schulen, mehr Sprachkurse. Auch einen reichen Kreis wie Biberach bringt das irgendwann in finanzielle Sorgen.
Deswegen fordert auch Landrat Glaser, dass die Finanzierung durch den Bund langfristig gesichert wird. Auf seine Ehrenamtlichen kann er dabei weiter setzen: Bernd Karrer und seine Mitstreiter vom Helferkreis Asyl planen Ende des Monats ein so genanntes "Kulturen-Café" in der alten Cafeteria der Klinik. Geflüchtete und Anwohner sollen dabei miteinander ins Gespräch kommen - und Hürden weiter abbauen.