Reaktionen auf Proteste "Demos in Ostdeutschland machen Mut"
Bundesweit haben wieder Zehntausende gegen Rechtsextremismus demonstriert - auch in vielen kleineren Orten. Die Proteste müssten sich nun aber auch im Alltag auswirken, sagte die Integrationsbeauftragte des Bundes, Alabali-Radovan.
In ganz Deutschland haben die Menschen auch am Wochenende wieder gegen Rechtsextremismus demonstriert - die Politik sieht dadurch die Demokratie gestärkt. "Die Demonstrationen machen Mut - im ganzen Land, aber vor allem auch in Ostdeutschland", sagte etwa die aus Thüringen stammende Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Dort haben wir 1989 die Demokratie erkämpft, jetzt gilt es, sie erneut zu verteidigen", so die Grünen-Politikerin. "Nicht nur in den großen Städten, sondern auch in ganz vielen kleineren Orten stehen die Menschen auf. Manch einer beteiligt sich hier zum ersten Mal an einer Demo."
"Aktiv gegen Rassismus einschreiten"
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, hofft, dass sich die bundesweiten Proteste gegen rechts auch im Alltag niederschlagen. Die Sorge vor Rechtsextremismus sei in der Mehrheit der Gesellschaft angekommen, sagte die SPD-Politikerin dem digitalen Medienhaus Table.Media. Sie wünsche sich, dass jede und jeder Einzelne mit der Familie, im Freundeskreis oder im Verein ins Gespräch gehe und bei Rassismus und Verschwörungstheorien einschreite: "Sich der Konfrontation stellen, auch wenn es manchmal zwischenmenschlich schwierig wird", sagte sie.
Der frühere Bundespräsident Christian Wulff (CDU) bezeichnete die Proteste gegen Rechtsextremismus als "etwas Großes", das ihn tief beeindrucke. Auch Menschen, die im Alltag politisch konkurrierten, zeigten sich geeint "durch den Ernst der Lage", sagte Wulff dem "Tagesspiegel". Nie wieder dürfe eine Minderheit in Deutschland alleine bleiben, wenn sie bedroht werde. Sollte die AfD an Einfluss gewinnen, würde das nicht nur diese massiv gefährden, "sondern dem ganzen Land schaden", warnte Wulff.
Juristin: Demokratie ist stark genug
Die Verfassungsrechtlerin Gertrude Lübbe-Wolff hält die Demokratie in Deutschland für stabil genug, um den aktuellen Herausforderungen durch Rechtsextremismus und Hass wirksam entgegentreten zu können. "Wenn manche Leute meinen, die Lage sei wieder so wie kurz vor 1933, dann ist das wirklich Hysterie", sagte die langjährige Richterin am Bundesverfassungsgericht und emeritierte Professorin für öffentliches Recht an der Universität Bielefeld der "Neuen Westfälischen".
Gleichzeitig warnte sie vor "erkennbaren Radikalisierungs- und Polarisierungstendenzen". Niemand könne sicher wissen, was los wäre, wenn zum Beispiel noch eine große ökonomische Krise hinzukäme. Risiken für die Demokratie sieht die Verfassungsrechtlerin in der "zunehmenden Abschottung der verschiedenen politischen Milieus voneinander".
Erneut viele Proteste in Deutschland
In vielen Städten und Gemeinden sind auch am Sonntag wieder zahlreiche Menschen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie auf die Straße gegangen. In der Hamburger Innenstadt kamen erneut Zehntausende zusammen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Die Polizei sprach von mindestens 60.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Veranstalter, ein Bündnis um die Bewegung Fridays for Future (FFF), gaben die Zahl mit 100.000 an.
In zahlreichen Städten und Gemeinden im ganzen Bundesgebiet gab es Demonstrationen und Veranstaltungen gegen rechts. Im Norden etwa in Schleswig, Nortorf und Neumünster.
Am Wochenende vom 20. und 21. Januar hatten sich bundesweit nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als 900.000 Menschen an Demos gegen rechts beteiligt. Das Ministerium berief sich bei der Teilnehmerzahl auf Polizeiangaben.
Auslöser der Proteste waren Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter, an dem einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der konservativen WerteUnion in Potsdam teilgenommen hatten.