Unterhalt nach Trennung Der Staat zahlt - Kinder profitieren
Wenn ein Elternteil keinen Unterhalt zahlt, übernimmt der Staat mit einem Unterhaltsvorschuss. Eigentlich will er diesen dann wieder eintreiben - doch in vier Fünftel der Fälle gelingt das nicht.
Steffi und ihre beiden Söhne stehen auf dem Balkon einer Reha-Klinik auf der Insel Fehmarn und beobachten die Möwen, die kreischend vorbeifliegen. Steffi ist alleinerziehend und erschöpft. In der Mutter-Kind-Kur soll sie Kraft tanken für ihren Alltag.
Als Steffis Partner sie vor einigen Jahren verließ, war sie von heute auf morgen mit zwei kleinen Kindern auf sich alleine gestellt. Mit der Trennung begann ihre finanzielle Not.
Weil der Vater der Kinder keinen Unterhalt zahlt, springt der Staat ein - mit dem Unterhaltsvorschuss. Dabei streckt der Staat Alleinerziehenden Geld vor, das er vom nicht zahlenden Elternteil wieder eintreibt - eigentlich. Tatsächlich hat der Staat im vergangenen Jahr jedoch nur 19 Prozent des ausgezahlten Vorschusses zurückgezahlt bekommen.
Bis Ende 2022 blieb die öffentliche Hand so auf rund 4,5 Milliarden Euro offenen Forderungen sitzen. Diese Summe dürfte sich seitdem weiter erhöht haben. Aktuellere Zahlen konnte das zuständige Familienministerium auf Anfrage jedoch nicht nennen.
Warum holt der Staat sich das Geld nicht zurück?
Wie kann es sein, dass sich der Staat in Zeiten von Sparzwängen und zunehmenden Verteilungskämpfen um öffentliche Gelder Milliarden an Rückzahlungen beim Unterhaltsvorschuss entgehen lässt? Wer sein Bußgeld für falsches Parken nicht bezahlt, bei dem steht schnell der Gerichtsvollzieher vor der Tür. Unterhaltspflichtige Elternteile, in gut 90 Prozent der Fälle Väter, kommen dagegen oft davon.
Ein Problem: Nicht alle Väter und Mütter sind finanziell in der Lage, für ihre Kinder aufzukommen - zum Beispiel, weil sie zu wenig verdienen.
Knapp ein Drittel zahlt nicht
Was aber ist mit denen, die nicht zahlungsunfähig, sondern zahlungsunwillig sind? Laut aktuellen Zahlen des Familienministeriums wären 50,9 Prozent durchaus in der Lage, das Geld zurückzuzahlen.
Doch von diesem Anteil sind die Behörden weit entfernt. Das zeigt der Blick auf die offizielle Rückgriffquote, also der Anteil der Rückzahlungen. Die ist in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen, 2023 jedoch leicht gesunken. Es gibt ein großes Missverhältnis zwischen dem, was laut dem Familienministerium an Rückzahlungen möglich wäre, und dem, was tatsächlich erreicht wird.
Luft nach oben bei Rückgriffquoten
"Die Kommunen hätten Zugriff auf einen Topf voll Geld, sind aber nicht in der Lage, die Forderungen einzutreiben", sagt Thomas Seitz des Rechts- und Steuerberatungsunternehmens Roedl & Partner aus Nürnberg. Die Kanzlei hat nach eigenen Angaben bis jetzt rund 25 Kommunen in Deutschland bei der Steigerung ihrer Rückholquoten unterstützt. Man habe ein Plus von bis zu zehn Prozent erreicht.
Der Schlüssel liege darin, die Fälle auf lange Sicht durch Digitalisierung und Automatisierung im Blick zu behalten, sodass sie nicht in den Kellerarchiven der Ämter verschwinden. Ein Beispiel: Wer aktuell Bürgergeld bezieht und deshalb nicht unterhaltspflichtig sei, werde auch dann oft nicht belangt, wenn er wieder einen Job habe, so Seitz. In jedem Fall sei noch "Luft nach oben".
Wie viel Luft nach oben beim Eintreiben des Unterhalts besteht, hängt auch vom Bundesland ab. So sind die Rückgriffquoten in den Stadtstaaten Hamburg (12 Prozent) und Bremen (11 Prozent) besonders niedrig. Am besten stehen Bayern, Baden-Württemberg (je 23 Prozent) und Rheinland-Pfalz (22 Prozent) da.
Mehr Kinder profitieren vom Unterhaltsvorschuss
In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der unterstützten Kinder und Jugendlichen fast verdoppelt. Seit 2017 werden Kinder von Alleinerziehenden nicht mehr nur bis zum 12., sondern bis zum 18. Geburtstag finanziell unterstützt. Im Herbst 2023 waren es gut 830.000.
Zwei davon sind die Söhne der Alleinerziehenden Steffi. Sie gehen inzwischen zur Schule. Auf die Schulranzen, den ganzen Stolz der Jungen, hat Steffi mehrere Jahre gespart. Der Vater der beiden zahlt weiterhin keinen Unterhalt. Und der Staat bleibt auf seinen Kosten sitzen.
Um dieses Thema geht es auch in der WDR-Dokumentation "Alleinerziehend und alleingelassen".
Wir haben den Text korrigiert und nun geschrieben, dass der Vater nach wie vor keinen Unterhalt zahlt. In der ersten Version hatte es geheißen, er sei sogar verschwunden.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen