50 Jahre Sesamstraße Tausend tolle Sachen
Ein Haufen bunter Monster, ein Griesgram, der in einer Mülltonne wohnt, dazu jede Menge Chaos: Die Sesamstraße gibt es seit 50 Jahren. Millionen Menschen in Deutschland sind mit der Sendung groß geworden.
Wer hat schon mal ein grünes Würmchen mit Hut und eine blaue Puppe mit Vollbart eine Swing-Nummer mit dem sinnlosen Text "U-wa-du, u-wa-du-bio" singen hören? Weiter geht es mit "Ü-Ü-Überraschung" - natürlich in einem Song in der Sesamstraße.
Überraschend war die Sesamstraße mit ihren wilden Ideen und Figuren immer. Ein Vielfraß in Blau, ein Vampirgraf und seine flatternden Fledermaus-Freunde, ein grünes Monster aus der Mülltonne, ein Frosch als Reporter, der überall im Einsatz ist, ein stets verzweifelnder Pianist namens Don Schnulze - die Liste der Charaktere, die sich im Laufe der 50 Jahre in die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer gespielt haben, ist lang.
"Erwachsene haben gleichermaßen Spaß daran"
Die Sendung habe eine humorvolle Ebene, aber spreche auch auf erzieherischer Ebene zu Vorschülern, sagt Sandra Le Blanc-Marissal. "Erwachsene, die das mitschauen, haben gleichermaßen Spaß daran. Sie sehen, wie da parodiert wird, wie da Archetypen agieren, die für Kinder eine Bedeutung haben, aber für Erwachsene auf einer anderen Ebene funktionieren."
Le Blanc-Marissal war lange Redakteurin bei der Kindersendung und hat wissenschaftlich gearbeitet zur deutschen Sesamstraße und dem Original, der "Sesame Street" aus New York. Es sei ein großes Verdienst gewesen, die Sesamstraße in den 1970er-Jahren aus den USA nach Deutschland zu holen.
Die erste Sendung am 8. Januar 1973 begann mit Ernie und Bert und dem Streit darüber, dass Ernie zwar kleiner ist als Bert, aber gerne größer wäre, "nur ein kleines Stückchen größer, das hab ich mir schon immer gewünscht, auch als ich noch ganz klein war".
Prominente Gastauftritte
Anfangs wurden die amerikanischen Folgen noch synchronisiert. Mit einer eigenen Rahmenhandlung mit Samson und Tiffy kam die Sesamstraße Ende der 1970er-Jahre näher an die deutsche Lebenswirklichkeit, und sie hat sich immer weiterentwickelt: mit neuen Formaten, neuen Charakteren, Wolle und Pferd, Finchen oder Rumpel, einem großen Lernangebot im Netz.
Zahlreiche Prominente gaben sich dauerhaft oder in Gastauftritten die Ehre: von Lilo Pulver bis Jan Delay. Und die Resonanz in TV und Netz zeigt, dass die Sesamstraße nicht an Bedeutung verliert.
Immer temporeich und bunt - oder nicht?
"Sesamstraße war bei uns zuhause noch schwarzweiß, weil wir natürlich einen Schwarzweiß-Fernseher hatten", erzählt Comedian Bernhard Hoecker in der fünfteiligen Doku-Reihe "Tausend tolle Sachen", mit der die Sesamstraße durch die Jahrzehnte reist.
"Der Vorspann war das Beste, weil der hatte dieses …" - da kann er nur mit den Fingern schnippen. Die Maultrommel beginnt, Orgel, Bass und Schlagzeug folgen und dann "Der die das". In der aktuellen Version singt Lena Meyer-Landrut von den "Tausend tollen Sachen".
Seit 50 Jahren gibt es die Sesamstraße im deutschen Fernsehen.
"Zu dem Zeitpunkt revolutionär"
"Tausend tolle Sachen" hat die Sesamstraße mit einem bahnbrechenden Konzept erklärt, erzählt Le Blanc-Marissal. "Das war zu dem Zeitpunkt absolut revolutionär, vor allen Dingen, was die Ästhetik betraf." Das Puppenspiel habe zwar eine starke deutsche Tradition. "Was aber ungewöhnlich war, dass es so schnell geschnitten war, dass es diesen Werbespot-Charakter hatte."
Die Idee war, dass Werbung auf einer bestimmten Ebene für Vorschulkinder funktioniert. Das wollte man sich zunutze machen und ihnen so Zahlen, Buchstaben und Konzepte zu vermitteln, vor allem durch Wiederholung. Unvergessen Grobis Auftritt beim Erklären von "nah und weit". Der arme Kerl rennt unzählige Male von ganz weit weg wieder ganz nah auf die Kamera zu.
Ernie und Bert - wie Ying und Yang
Stete Größen und die größten Stars der Sesamstraße sind aber wohl Ernie und Bert, die wie Yin und Yang eine Einheit aus Gegensätzen bilden. Carsten Haffke spielt seit 16 Jahren den Bert: "Ich finde es vor allen Dingen sehr lustig, jemanden darzustellen, der so unfassbar langweilig ist." Mit seiner Kronkorkensammlung und der Vorliebe für Tauben ist Bert ziemlich weit vorne in der Liebe zu faden Dingen. Vielleicht ist er aber auch ein geeignetes Idol für eine immer beschleunigtere Welt?
Haffke sagt, er versuche, Figuren nach dem Dreh wieder abzulegen, "aber bei Bert ist das schwierig, weil ich diese konsternierte Haltung der Welt gegenüber sehr gut nachvollziehen kann". Was er aber vor allem an Ernie und Bert schätzt, ist, dass sie bei aller Verschiedenheit der Charaktere sich am Ende immer vertragen.
Ernie und Bert sind die wohl bekanntesten Figuren der Sendung.
"Ich finde es gut, den Kindern genau das zu zeigen: Es ist möglich, dass man sich mal streitet und um ein Spielzeug kabbelt, aber am Ende ist das schon schön, wenn man den Konflikt gelöst hat und wieder beste Freunde ist. Das sind keine Worte von mir, das haben Ernie und Bert mir gesagt."
Seit 50 Jahren gibt die Sesamstraße allem Raum: Sorgen, Konflikten, gesellschaftlicher Wirklichkeit, und sie tut das mit Stars und Humor und mit Keksen. Fast immer. Heute gibt es Geburtstagstorte. Sorry, Krümel. "Ich will aber lieber Kekse!"