Ermittlungen zum Germanwings-Absturz Amt wusste nichts von Depression
Vor dem Germanwings-Absturz hat das Luftfahrtbundesamt nichts über die medizinische Vorgeschichte des Copiloten gewusst. Ein Versäumnis der Lufthansa-Ärzte? Seit 2013 muss das Amt als Aufsichtsbehörde über schwere Krankheiten informiert werden. Doch gilt das auch rückwirkend?
Der medizinische Dienst der Germanwings-Mutter Lufthansa hat das Luftfahrtbundesamt (LBA) nicht über die vor dem Jahr 2009 abgeklungene schwere Depression des Copiloten Andreas L. informiert. Das teilte die Behörde in einem Schreiben mit, das tagesschau.de vorliegt, und bestätigte damit einen Bericht der "Welt am Sonntag".
Wörtlich heißt es: "Bis zu dem - durch das Luftfahrtbundesamt eingeforderten - Zeitpunkt der Akteneinsicht am 27. März 2015 (nach dem Absturz) im Aeromedical Center (AMC) der Lufthansa in Frankfurt hatte das LBA keinerlei Informationen über die medizinischen Hintergründe zu dem Fall." Man sei vom Flugmedizinischen Zentrum nicht "über die abgeklungene schwere Depressionsphase" bei L. informiert worden.
Das LBA erläutert auf seiner Internetseite die Bestimmungen zu gesundheitlichen Problemen und schreibt: "Nicht jede gesundheitliche Störung darf bezüglich der Tauglichkeit Klasse 1, (LAPL), abschließend durch den Fliegerarzt beurteilt werden. Bestimmte Störungen müssen zur abschließenden Tauglichkeitsentscheidung vom Fliegerarzt an die lizenzführende Behörde verwiesen, also abgetreten werden." Zu einer solchen Verweisung kam es im Fall L. anscheinend nicht.
Regelmäßige Tests für alle Piloten
Ein Versäumnis der Lufthansa-Ärzte? Seit April 2013 müssen Flugmediziner in Fällen schwerer Krankheiten wie Depressionen das LBA als Aufsichtsbehörde einschalten, das sieht eine EU-Verordnung vor. Unklar ist aber, ob das auch rückwirkend gilt.
Bisher ist bekannt, dass L. als Flugschüler seine Lufthansa-Verkehrsfliegerschule 2009 über eine "abgeklungene schwere depressive Episode" informierte, wie die Germanwings-Mutter am 31. März eingeräumt hatte. Seit Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung gab es nach Informationen der "Welt am Sonntag" noch zwei Tauglichkeitsprüfungen beim Copiloten - im Sommer 2013 und im Jahr 2014. Beide bestand er.
Piloten von Verkehrsflugzeugen müssen sich in Europa je nach Alter alle sechs oder zwölf Monate körperlich testen lassen, um das für ihren Beruf notwendige Flugtauglichkeitszeugnis der Klasse 1 zu er- oder behalten. Bei der Katastrophe vom 24. März besaß L. nach früheren Lufthansa-Angaben "ein voll gültiges Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1".
Zu den routinemäßigen Tests gehören etwa Blut- und Urinuntersuchungen, Sehtests oder Untersuchungen des Herzkreislaufsystems. Ein psychischer Check ist nicht vorgeschrieben; die Piloten sind aber verpflichtet, entsprechende Probleme offenzulegen. Psychologische Untersuchungen sind nur zum Beginn der Karriere und beim Wiedereinstieg vorgesehen. Auch L. wurde 2009 entsprechend gecheckt.
Lufthansa kommentiert Bericht nicht
Die Lufthansa wollte den Bericht wegen der laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht kommentieren. Ein Sprecher betonte aber, das Unternehmen komme seinen Informationspflichten gegenüber dem Luftfahrtbundesamt nach.
L. hatte die Maschine laut bisherigen Ermittlungsergebnissen am 24. März bewusst in einen Berg in den französischen Alpen gesteuert. Dabei kamen 150 Menschen ums Leben. Inzwischen ist bekannt, dass der 27-Jährige wegen schwerer psychischer Probleme mit Suizidgefahr behandelt worden war.