Frachter-Kollision auf Nordsee "Keine Hoffnung" für vermisste Seeleute
Die vier seit der Kollision zweier Frachter auf der Nordsee vermissten Seeleute sind vermutlich tot. Das Havariekommando sieht keine Hoffnung mehr auf ihr Überleben. Ermittlungen sollen klären, wie es zu dem Unglück kommen konnte.
Mehr als 24 Stunden nach dem Zusammenstoß zweier Frachter in der Nordsee geht das zuständige Havariekommando nicht mehr davon aus, die vermissten vier Seeleute noch lebend zu finden. Für die Vermissten gebe es keine Hoffnung mehr, sagte der Leiter des Kommandos, Robby Renner. Damit ist davon auszugehen, dass bei Kollision der Frachter am Dienstagmorgen insgesamt fünf Seeleute ums Leben gekommen sind. Kurz nach dem Zusammenstoß der Schiffe hatten Rettungskräfte zwei Seeleute aus dem Wasser retten können, ein Seemann war tot geborgen worden.
Noch in der vergangenen Nacht hatten Schiffe und Hubschrauber die Deutsche Bucht nach den vier vermissten Seeleuten abgesucht, allerdings ohne Erfolg. Bereits nach dieser Suche hatte das Havariekommando mitgeteilt, dass die Suche eingestellt und an der Wasseroberfläche nicht wieder aufgenommen werde.
Die Voraussetzungen für die Suche hätten sich bei Windstärke sechs und bis zu drei Meter hohen Wellen bereits in der vergangenen Nacht weiter verschlechtert, sagte Benedikt Spangardt vom Havariekommando im ARD-Morgenmagazin. Bei zwölf Grad Wassertemperatur hätten die Vermissten "unter optimalen Bedingungen ein Zeitfenster von 20 Stunden", um zu überleben. Dieses Fenster habe sich in der Nacht geschlossen. Es sei deswegen "nicht sinnvoll", die Suche an der Wasseroberfläche fortzusetzen, sagte Spangardt. Wenn allerdings festgestellt werde, dass es doch noch eine Chance gibt, Menschen zu retten, werde diese natürlich genutzt.
Auch Christian Stipeldey von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger sagte bei tagesschau24, nach allem, was man wisse, gebe es "keine Überlebenschance" mehr.
"Alles, was helfen konnte, war draußen", Sebastian Duden, NDR, zu eingestellter Suche nach Seeleuten
Keine Lebenszeichen aus gesunkenem Frachter
Die beiden Frachter "Polesie" und "Verity" waren am Dienstagmorgen rund 22 Kilometer südwestlich der Hochseeinsel Helgoland und 31 Kilometer nordöstlich der ostfriesischen Insel Langeoog zusammengestoßen. Der Unfallort liegt in einem der meistbefahrenen Seegebiete weltweit. Die deutlich kleinere "Verity" war nach dem Zusammenstoß gesunken.
Mithilfe eines ferngesteuerten Tauchroboters war geprüft worden, ob aus dem Wrack des gesunkenen Schiffes Lebenszeichen zu erkennen waren. Es hätten jedoch keine Menschen erkannt werden können, sagte ein Sprecher des Havariekommandos. Die Sicht sei nicht schlecht gewesen, das Gerät habe in die Brücke des gesunkenen Küstenmotorschiffs filmen können.
Die Auswertung der Daten des Unterwasserfahrzeugs laufe aber noch. Ein erneuter Tauchgang mit Tauchern zu dem Wrack in rund 30 Metern Tiefe sei definitiv nicht geplant.
Bundesstelle ermittelt zu Havarie
Die Staatsanwaltschaft Hamburg nahm die Ermittlungen auf. Ermittelt werde wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Schiffsverkehrs, sagte eine Behördensprecherin.
Wie es zu der Kollision kommen konnte, ist nach wie vor unklar. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) begann mit Ermittlungen zur Unfallursache. Es handele sich um einen "sehr schweren Seeunfall", sagte der Leiter der BSU, Ulf Kaspera, der Nachrichtenagentur dpa. Der Unfall ereignete sich an einer Stelle, an der sich zwei Schifffahrtsrouten kreuzen. "Wir gucken natürlich nach: Welche Vorfahrtsregeln gelten da, haben sich die Schiffe gegebenenfalls anders abgesprochen?", sagte Kaspera. Noch könnten dazu keine Angaben gemacht werden.
Die Untersuchung werde zusammen mit den beiden Flaggenstaaten der Frachter - Bahamas und Großbritannien - geführt, wobei die zuständige Seeunfalluntersuchungsbehörde in Großbritannien die Leitung übernehme. In Kürze fänden die Abstimmungen statt, sagte Kaspera. Mit Untersuchungen habe man aber schon begonnen. Unter anderem seien etwa erste Verkehrsdaten gesichert worden.
Auch die Besatzungsmitglieder der Frachter sollen zügig befragt werden - etwa die Crew der inzwischen in Cuxhaven liegenden "Polesie".
Das Frachtschiff "Polesie" liegt inzwischen im Hafen von Cuxhaven.
Sorge vor Umweltkatastrophe
Derweil mehren sich die Sorgen vor einer Umweltkatastrophe. Denn nach NDR-Informationen ist bei dem Unfall Marinediesel ausgetreten. Die "Verity" hatte Stahl geladen, an Bord befinden sich rund 130 Kubikmeter Kraftstoff. Das Wrack liegt in etwa 30 Metern Tiefe.
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer sagte dem NDR, das Schiff sei nicht auseinandergebrochen und Kraftstoff somit nicht flächendeckend ausgetreten. Spezialschiffe beobachteten nun die Situation vor Ort und schauten, ob der Diesel entweder sicher verschlossen ist oder ob man ihn abpumpen kann.
In einer früheren Version dieser Meldung haben wir geschrieben, dass Marinediesel ein Kraftstoff ist, dem Schweröl beigemischt ist. Das ist falsch und wir haben dies korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen