Aschewolke sorgt für Chaos Stillstand am Flughafen, Schlangen bei der Bahn
Geschlossene Schalter, Feldbetten in den Abflughallen, von Urlaubsstimmung keine Spur: Die fast europaweiten Flugverbote infolge der Aschewolke zerren an den Nerven hunderttausender gestrandeter Passagiere. Während an den Airports gar nichts mehr geht, hat die Bahn alle Hände voll zu tun. Auch die Politik schaltet sich ein.
Die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull hat die Reise- und Terminpläne von Menschen weltweit durcheinandergewirbelt - wieviele Menschen direkt oder indirekt von den fast europaweit geltenden Flugverboten betroffen sind, weiß niemand. Nach Angaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) sind die Auswirkungen schlimmer als nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001.
In etwa 30 Staaten einschließlich Deutschland wurden fast alle Flüge abgesagt, die Reisenden suchten nach Ersatzlösungen mit Fähren, Zügen und Autos. Am Frankfurter Flughafen übernachteten viele Transitgäste bereits die dritte Nacht in Folge auf Feldbetten. Allein am Wochenende waren von der Sperrung in Deutschland rund 150.000 deutsche Pauschalurlauber betroffen. Zahlen, wie viele ihrer Kunden weltweit gestrandet sind, nennen die Veranstalter nicht. Der Reisekonzern TUI startete bereits eine Rückholaktion, vor allem aus Mallorca.
Bahn steht "Gewehr bei Fuß"
Während an den Flughäfen gähnende Leere an den Abflugschaltern herrscht, hat die Bahn alle Hände voll zu tun. Bundesweit bildeten sich bereits am Morgen vor den Service- Centern lange Schlangen - am Berliner Hauptbahnhof waren es etwa 100 Meter. Auch an den Bahnsteigen drängten sich die Reisenden. So warteten in Berlin mehrere hundert Menschen gegen Mittag auf den ICE Richtung Kopenhagen.
"Das ist sicher eine ganz besondere Situation für uns. Wir stehen sozusagen Gewehr bei Fuß", sagte ein Bahnsprecher. Einen riesigen Ansturm erwartete er für den Abend und Montagmorgen. Die Bahn unternehme alle Anstrengungen, um die Menschen an ihr Ziel zu bringen, fügte er hinzu. Zu größeren Verspätungen kam es bis zum Nachmittag nicht.
Die Bahn setzte zusätzliche Mitarbeiter an den Bahnhöfen und Schaltern ein, um Reisende zu informieren. Vor allem auf den ICE-Verbindungen zwischen den großen deutschen Flughäfen Frankfurt, München, Hamburg, Düsseldorf und Berlin sowie Richtung Wien und im Norden Richtung Dänemark rechnete die Bahn mit deutlich mehr Reisenden als sonst.
Auch in den Nachbarländern reagieren die Bahnunternehmen auf den Komplettausfall des Flugverkehrs. So kündigte die französische Bahn an, 8500 zusätzliche Plätze von Paris bereitzustellen, davon 6100 für den Eurostar nach London und 400 für den Zug nach Frankfurt am Main.
Sondersitzung der EU-Verkehrsminister
Bis 20 Uhr am Abend gilt das Flugverbot in Deutschland, eine erneute Verlängerung ist möglich. Andere europäische Länder haben die Sperrung bereits auf Montag ausgedehnt. Einige Fluggsellschaften kritiseren die Verbote bereits als überzogen. Angesichts der enormen Auswirkungen auf Menschen und Wirtschaft reagierte inzwischen auch die Politik: Für Montag berief die Europäische Union eine Sonderkonferenz der Verkehrsminister ein. Per Videokonferenz soll dabei über die Folgen der Aschewolke nach dem Vulkanausbruch in Island beraten werden, sagte der spanische Verkehrsminister José Blanco. Außerdem solle bei der Konferenz über mögliche Alternativen zum Flugverkehr gesprochen werden.
Auch EU-Verkehrskommissar Siim Kallas meldete sich zu Wort: Es werde geprüft, ob ab Anfang nächster Woche einige Flugstrecken über Europa wieder geöffnet werden können. Nach Angaben des französischen Ressortchefs Jean Louis Borloo könnte eine EU-weite Entscheidung über die Freigabe des Luftraums am Montag oder am Dienstag getroffen werden.
Letztlich entscheiden allerdings die zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedsländer, ob der eigene Luftraum wieder freigegeben wird. Die europäische Aufsichtsbehörde Eurocontrol trifft diese Entscheidung nicht. Sie sammelt zentral lediglich alle ihr übermittelten Flugdaten. Jedes Mitgliedsland greift zusätzlich auf die Einschätzungen eigener Wetterinstitute zurück.
"Paradiesische Zustände" in der Einflugschneise
Solange das Flugverbot gilt, genießen die Anwohner der großen Flughäfen die himmlische Ruhe. "Für uns sind diese paar Tage Ruhe wie ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk", sagte ein Familienvater der direkt in der Einflugschneise des Flughafens Düsseldorf lebt. Von "paradiesischen Zustände" schwärmte eine 79-Jährige. Sie wohnt am Ende einer der Start- und Landebahnen des Flughafens Langenhagen bei Hannover.