Auf einen Blick Die wichtigsten Fakten zur Flüchtlingskrise

Stand: 24.09.2015 22:16 Uhr

Beim Thema Flüchtlingskrise gibt es viele Missverständnisse und Vorurteile. Beispielsweise stimmt es nicht, dass Deutschland die meisten Flüchtlinge aufnimmt oder dass Balkanflüchtlinge nur abkassieren. tagesschau.de mit den Fakten auf einen Blick.

Von Sandra Stalinski, tagesschau.de

Wie viele Flüchtlinge gibt es eigentlich?

- Weltweit gibt es derzeit etwa 60 Millionen Flüchtlinge, so viele, wie seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr.
- Allein 2014 flüchteten 13,9 Millionen Menschen aus ihrem Heimatland.
- Den Großteil machen Binnenflüchtlinge aus. Die globalen Schätzungen gehen von 38,2 Millionen IDPs (Internally Displaced Persons) aus.
- 19,5 Millionen Menschen flüchten ins Ausland. Weitere 1,8 Millionen sind anerkannte Asylbewerber, die aufgrund von politischer oder sonstiger Verfolgung um Aufnahme in einem anderen Land ersuchen.

Somit gibt es auf der Welt fast so viele Flüchtlinge wie Einwohner in Italien.

Wo kommen die Menschen her?

Die meisten Flüchtlinge kamen im Jahr 2014 aus Syrien (3,88 Mio.), Afghanistan (2,59 Mio.) und Somalia (1,11 Mio.)

- Von denjenigen, die in Deutschland Asyl beantragen, waren bis August 2015 ebenfalls die meisten Syrer (22,9 Prozent).
- Die zweitgrößte Gruppe der Asylbewerber kam mit 16,3 Prozent aus Albanien, 13,3 Prozent aus dem Kosovo.
- Insgesamt kamen in den vergangenen Monaten etwa 40 Prozent der Asylsuchenden in Deutschland vom Balkan.

Wer gilt als Flüchtling? Wer als Asylbewerber?

Das Völkerrecht zieht eine klare Trennlinie: Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, werden als "Flüchtlinge" bezeichnet. Menschen, die aus eigenem Antrieb ihr Land verlassen, gelten als "Migranten". Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht entschieden wurde, werden als "Asylbewerber" bezeichnet.

Umgangssprachlich sprechen wir bei den meisten Menschen, die aus Not nach Deutschland kommen, von Flüchtlingen. Juristisch ist der Begriff enger gefasst: Die "Genfer Flüchtlingskonvention" definiert als "Flüchtling" eine Person, die sich außerhalb ihres Heimatstaates aufhält, da ihr dort aufgrund ihrer Ethnie, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Verfolgung droht. Diese Definition gilt für die gesamte Europäische Union. Niemand, der diese Voraussetzungen erfüllt, darf abgeschoben werden. "Flüchtlinge" und "Asylberechtigte" erhalten ein Aufenthaltsrecht für drei Jahre. Schon während des Verfahrens erhalten die Bewerber Sach- und Geldleistungen zur Existenzsicherung.

Weitere Informationen zu den unterschiedlichen Begriffen, finden Sie hier.

Warum fliehen gerade jetzt so viele Menschen?

Ein wesentlicher Grund für den Anstieg ist der Bürgerkrieg in Syrien, der im fünften Jahr tobt. Dass die Menschen gerade jetzt massenweise nach Europa fliehen, erklärt die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Karolin Eberle, so: "Nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges wollten die Flüchtlinge so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren." Inzwischen hätten die Menschen aber die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr verloren. Zumal das Ausmaß der Zerstörung immer schlimmer wird. Das Assad-Regime bombardiert Zivilisten aus der Luft mit Fassbomben, und der "Islamische Staat" hat eine Terrorherrschaft aufgebaut, die auch viele Iraker zur Flucht zwingt.

40 Prozent der Asylsuchenden in den vergangenen Monaten kamen aber auch vom Balkan, im Februar 2015 beispielsweise insbesondere viele Kosovo-Albaner. Kurz zuvor hatten sich in dem Land die beiden eigentlich tief verfeindeten großen Parteien zu einer Regierung zusammengefunden. Das werteten die Menschen als Zeichen, dass die politische Klasse das Land weiter ausbeuten wolle und an eine Besserung der sozialen Lage nicht zu denken sei. Ähnlich ist die Situation in Mazedonien, Serbien und Bosnien.

Welche Fluchtrouten gibt es?

Eine der wichtigsten Fluchtrouten, um in die EU zu gelangen, ist die Balkanroute. Sie führt über die Türkei, dann über das Meer nach Griechenland, durch Mazedonien und Serbien nach Ungarn.

Nach der Schließung der ungarisch-serbischen Grenze ist nun der Weg über Kroatien eine Alternative für die Flüchtlinge auf ihrem Weg Richtung Nordeuropa.

Es gibt aber noch weitere, viel genutzte Wege nach Europa:

Gibt es Möglichkeiten, auf sicherem Weg nach Deutschland zu kommen?

Es gibt einige wenige Möglichkeiten, aus Krisenregionen sicher nach Deutschland zu gelangen. Beispielsweise gibt es unterschiedliche Arten von Visa für Arbeitsmigranten, für Studien- oder Forschungsaufenthalte, Saisonarbeiter oder für ausländische Ehegatten oder Kinder von deutschen Staatsangehörigen.

Die Kriterien für solche Visa regelt das im Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz. In der Regel werden die Visa in den deutschen Botschaften und Konsulaten im Ausland beantragt. Die Kosten für die Einreise sind selbst zu tragen.

Für Menschen aus ärmeren Ländern und Krisenregionen wie Syrien oder dem Irak seien die Hürden, ein Visum zu bekommen allerdings sehr hoch, kritisieren Migrationsforscher und Nichtregierungsorganisationen. Auf einen Studienplatz seien die Chancen sehr gering und um ein Arbeitsvisum zu erhalten, müsse man bereits einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen. Besonders problematisch sei auch die Situation in den deutschen Botschaften von Transitländern wie beispielsweise dem Libanon, wo sich besonders viele Flüchtlinge insbesondere aus Syrien aufhalten. Dort bildeten sich oft lange Schlangen vor den Botschaften, und bis Anträge bearbeitet werden, könne es viele Monate dauern.

Für Flüchtlinge aus bestimmten Krisenregionen gab es in der Vergangenheit zudem immer wieder bestimmte Aufnahmekontingente. Nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs hat Deutschland beispielsweise 20.000 besonders schutzbedürftige syrische Flüchtlinge aufgenommen. Über Sonderprogramme der Bundesländer kamen mindestens weitere 5500. Bevorzugt aufgenommen werden Syrer, die bereits Verwandte in Deutschland haben oder solche, bei denen besondere humanitäre Gründe vorliegen. Viele von ihnen werden aus Flüchtlingscamps des UNHCR in Transitländern geholt.

Nimmt Deutschland die meisten Flüchtlinge auf?

Nein. Das Land, das 2014 weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, ist mit 1,59 Millionen die Türkei. Auch Pakistan beherbergt viele Flüchtlinge (1,51 Mio.) Selbst der kleine Libanon mit nur 4,8 Millionen Einwohnern bot im vergangenen Jahr 1,15 Millionen Flüchtlingen Zuflucht. Deutschland nahm hingegen 2014 nur 455.000 Flüchtlinge auf.

Innerhalb der EU hingegen ist Deutschland das Land, in dem die meisten Asylanträge gestellt werden. Gefolgt von Ungarn, Italien, Frankreich und Schweden. Von Januar bis August 2015 waren es rund 172.000 Asylbewerber. Betrachtet man die Zahlen aber in Relation zu den Einwohnern der Aufnahmeländer liegt Deutschland mit 2,1 Bewerbungen pro 1000 Einwohner nur an vierter Stelle. Deutlich mehr Menschen haben Ungarn, Österreich und Schweden aufgenommen.

Wie werden Flüchtlinge in der EU verteilt?

Bislang ist das zentrale Regelwerk die sogenannte "Dublin III-Verordnung". Darin ist geregelt, dass Flüchtlinge ihren Antrag in dem Land der EU stellen müssen, in dem sie zuerst angekommen sind. Dieses Land ist dann für das gesamte Asylverfahren zuständig. Das hat zur Folge, dass klassische "Ankunftsstaaten" wie Griechenland mit der Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen überfordert sind. Asylanträge von Syrern haben in sehr vielen Fällen Erfolg. Deutschland kann Flüchtlinge in das Ankunftsland abschieben. Das ist allerdings nicht zwingend. Die Bundesregierung hat dies zum Beispiel für Flüchtlinge aus Syrien vor Kurzem ausgesetzt.

Angesichts der vielen Engpässe ist inzwischen aber mehr Koordination gefragt, weil nicht jedes Land, das nach dem regulären System gerade eine größere Zahl an Flüchtlingen aufnehmen müsste, auch genügend leere Plätze in Unterkünften hat. Diese Koordinierungsaufgabe übernimmt nun der Bund. Er richtet "Wartezentren" für ankommende Flüchtlinge ein und verteilt die Menschen von dort aus.

Jüngst haben sich die 28 EU-Innenminister zudem auf eine einmalige Verteilung von 120.000 Flüchtlingen geeinigt, die sich bereits mehrheitlich in Griechenland und Italien befinden. Deutschland wird etwas mehr als 30.000 von ihnen aufnehmen. Auf einen festen Verteilschlüssel ("Quote"), wie er unter anderem von Deutschland gefordert wurde, konnten sich die Länder allerdings nicht einigen.

Wer bekommt in Deutschland Asyl?

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht", heißt es in Artikel 16a GG. Damit ist nur staatliche Verfolgung gemeint. Menschen, die von anderen Gruppen verfolgt werden, fallen nicht darunter. Armut allein reicht nicht aus, um in Deutschland Asyl zu bekommen.

Von den im ersten Halbjahr 2015 bearbeiteten Asylanträgen (rund 129.000) wurde etwa ein Drittel abgelehnt, ebenfalls etwa ein Drittel wurde zugelassen. Den Rest machen formelle Entscheidungen aus. Hierunter fallen alle Anträge, die sich bereits vor der Entscheidung erledigen. Von den Syrern, die in Deutschland Asyl beantragen, wird keiner zurückgeschickt. Auch mindestens 90 Prozent der Iraker und 80 Prozent der Flüchtlinge aus Eritrea dürfen in Deutschland bleiben.

Haben Balkanflüchtlinge Asylrecht in Deutschland?

Nach Recherchen von WDR-Korrespondent Demian von Osten verhindert das deutsche Asylrecht derzeit fast vollständig, dass Flüchtlinge aus dem Westbalkan in Deutschland bleiben dürfen. Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien gelten seit November 2014 als sichere Herkunftsstaaten und so werden Asylanträge von Staatsbürgern dieser Länder fast vollständig abgelehnt. Das gilt beispielsweise für sämtliche Flüchtlinge aus Serbien und Bosnien und Herzegowina, deren Anträge im ersten Halbjahr 2015 bearbeitet wurden. Von den 15.600 Asylbewerbern in diesem Zeitraum darf kein einziger bleiben. Aus Mazedonien bekamen gerade einmal sechs Flüchtlinge Asyl in Deutschland, von insgesamt 4100 bearbeiteten Anträgen in diesem Zeitraum. Ähnlich ist es bei den anderen Westbalkanstaaten wie Montenegro, Albanien und Kosovo. Diese drei Länder sollen jetzt ebenfalls als "sichere Herkunftsländer" eingestuft werden.

Wollen Balkanflüchtlinge in Deutschland nur abkassieren?

Der Vorwurf, Flüchtlinge würden in Deutschland nur abkassieren, kann sich nur auf die Monate bis zur Abschiebung beziehen. Bei Asylbewerbern aus dem Westbalkan versucht die zuständige Behörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), schnell zu einer Entscheidung zu kommen: 4,7 Monate dauert das Verfahren durchschnittlich bei mazedonischen Flüchtlingen, 4,2 Monate bei Asylbewerbern aus Bosnien und Herzegowina und 2,5 Monate bei Flüchtlingen aus dem Kosovo. (Stand: August 2015)

Während dieser Zeit bekommen sie vom deutschen Staat Unterstützung in Form von Unterkunft und Sachleistungen und einem Taschengeld von 143 Euro pro Monat in bar. Addiert man die Monate bis zur Abschiebung, würde ein Asylbewerber aus dem Kosovo im Schnitt 357,50 Euro Taschengeld mit nach Hause nehmen. Ein mazedonischer Flüchtling bekäme 672,10 Euro, weil sein Verfahren in der Regel länger dauert. Davon müssen beide Ausgaben wie Hygieneartikel oder Bus- und Bahnfahrten in Deutschland tragen.

Die 357,50 Euro innerhalb von zweieinhalb Monaten für einen Flüchtling aus dem Kosovo sind etwa so viel, wie er in seiner Heimat in einem Monat verdienen würde - vorausgesetzt, er hätte dort einen Job. Tatsächlich ist im Kosovo jeder Dritte arbeitslos. Trotzdem: Ob sich die Reise wegen dieses Betrages lohnt, ist fraglich. Zumal oft für Schlepper ein Vielfaches dieses Geldbetrags ausgegeben wird.

Auch der Vorwurf von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, ein Lehrer aus Albanien bekomme in Deutschland mehr Geld vom Staat als er in seiner Heimat verdiene, stimmt nicht. Laut Bildungsministerium in Tirana verdient ein Lehrer in Albanien umgerechnet zwischen 300 und 500 Euro pro Monat. Also deutlich mehr als die 143 Euro Taschengeld, die er in Deutschland bekäme.

Handelt es sich bei den Balkanflüchtlingen um verfolgte Minderheiten?

Tatsächlich sind viele Balkan-Flüchtlinge Roma-Familien. Im ersten Quartal dieses Jahres sollen es 34 Prozent gewesen sein, also jeder Dritte. Serbische Flüchtlinge in Deutschland sind offenbar sogar zu über 90 Prozent Roma, im Kosovo dagegen nur zu neun Prozent, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus einem Papier der Bundesregierung. Laut Nichtregierungsorganisationen leiden Roma unter besonders starker Diskriminierung, Gewalt und Vertreibung.

Die Frage ist entscheidend in der aktuellen politischen Diskussion: Denn die überwiegende Ablehnung der Asylanträge von Balkan-Flüchtlingen gründet sich darauf, dass eine politische Verfolgung im Herkunftsland als ausgeschlossen gilt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) spricht deshalb von "sehr wenigen Einzelfällen", in denen Balkanflüchtlinge Asyl bekommen. Das BAMF fordert daher dringend, die Zahl der Anträge aus diesen Ländern zu reduzieren, zum Beispiel, indem auch das Kosovo, Albanien und Montenegro als sogenannte sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.

Ob es sich bei den Balkan-Flüchtlingen um diskriminierte Minderheiten handelt, wird von Land zu Land sehr unterschiedlich bewertet. Flüchtlingshilfsorganisationen befürchten aber, dass die Einstufung als sicheres Herkunftsland leichtfertig zur Ablehnung von Asylanträgen führt, die möglicherweise doch Berechtigung hätten.

Geben sich viele Asylbewerber fälschlicherweise als Syrer aus?

Weil die Anerkennungsquote bei Syrern so hoch ist, scheint es attraktiv für Flüchtlinge aus anderen Ländern, sich als Syrer auszugeben. Verschiedene Politiker, darunter auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière, hatten jüngst geäußert, dass nicht alle dieser Asylbewerber auch aus Syrien kommen. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sprach sogar davon, dass ein Viertel der angeblichen Syrer tatsächlich aus anderen arabischen oder afrikanischen Ländern stamme.

Tatsächlich scheint die Zahl solcher Fälle zu steigen. Dass es sich dabei um ein Massenphänomen handelt, ist aber unwahrscheinlich. Gesicherte Zahlen gibt es kaum, weil dazu keine umfassende Statistik geführt wird. Laut Bundesinnenministerium hat die Bundespolizei im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeiten immer wieder syrische Dokumente sichergestellt, die gefälscht waren oder zum Identitätsbetrug verwendet wurden. Dabei wurden im 1. Halbjahr 2015 durch die Bundespolizei insgesamt 133 ge- und verfälschte syrische Grenzübertrittsdokumente sichergestellt.

Durch sogenannte "Sreenings", also intensive Befragungen zur Überprüfung der Identität, sollen solche Täuschungsversuche aufgedeckt werden. Laut BAMF wird alles dafür getan: durch Dolmetscher, die bestimmte Dialekte erkennen können, die Abfrage von genauen Landeskenntnissen beziehungsweise Gegebenheiten vor Ort sowie Sitten und Gebräuche.

Wie gut sind die Flüchtlinge und Asylbewerber ausgebildet?

Laut einer Umfrage des Bundesamts für Migration (BAMF) ist der Bildungsstand vieler Asylbewerber niedrig: Etwa ein Viertel hat höchstens eine Grundschule besucht, jeder Dritte eine Mittelschule. Nur eine kleine Minderheit (13 Prozent) sind gut ausgebildete Flüchtlinge mit Hochschulabschluss. Bei den Syrern, darauf weist das BAMF hin, sieht das deutlich besser aus. Hier hat jeder Zweite mindestens Abitur. Dennoch: Auch unter den Syrern sind 40 Prozent, die nur auf eine Grund- oder Mittelschule gegangen sind. Die Umfrage ist allerdings nicht repräsentativ, die Angaben sind freiwillig.

Auch das Bundesministerium für Arbeit hat ähnliche Erkenntnisse: Modellprojekte zur Arbeitsförderung unter Flüchtlingen zeigten, dass nur jeder Zehnte die Voraussetzungen mitbringe, um direkt in Arbeit oder Ausbildung vermittelt werden zu können: "Der syrische Arzt ist nicht der Normalfall", sagte Bundesarbeitsministerin Nahles. Neben dem Erlernen der Sprache bräuchten viele Flüchtlinge ergänzende Qualifizierungen, oft aber auch eine Erstausbildung. Bei der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft sind noch viele Hürden zu nehmen.

Dürfen Asylbewerber in Deutschland arbeiten?

Laut ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam dürfen Asylbewerber nur arbeiten, wenn sie mindestens drei Monate in Deutschland sind und der Arbeitgeber keine anderen Beschäftigten aus Deutschland, der EU oder unter den anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten für die Stelle findet. Erst nach 15 Monaten dürfen Asylbewerber uneingeschränkt arbeiten.

Allerdings ist es wegen fehlender Zeugnisse und mangelnder Anerkennung der Abschlüsse für Flüchtlinge häufig schwierig, in Deutschland zu arbeiten:

Was ist der Unterschied zwischen Asyl und Zuwanderung?

Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht - verankert im Artikel 16a des Grundgesetzes. Ob jemand Asyl bekommt, hängt alleine von der politischen Verfolgung ab und nicht von anderen Faktoren wie Ausbildung, Sprachkenntnissen oder Familienstand. Auch gibt es keine Beschränkung oder eine Art Obergrenze dafür, wie vielen Menschen Deutschland Schutz gewährt.

Bei Menschen, die aus anderen Zwecken - etwa zum Arbeiten - nach Deutschland kommen, hat der Staat dagegen durchaus Möglichkeiten, steuernd einzugreifen. Er kann zum Beispiel vorschreiben, dass jemand einen Arbeitsvertrag, eine Sprachprüfung oder ein Mindestgehalt vorweisen muss. So gibt es auf der einen Seite Beschränkungen und auf der anderen Seite spezielle Anreize zur Arbeitsmigration. Bei dieser Zuwanderung handelt sich nicht um ein unverrückbares Grundrecht wie beim Asyl.

Das Asylsystem ist von anderen Zuwanderungswegen strikt getrennt. Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, kann nicht einfach aus diesem Verfahren ausscheren und ein Arbeitsvisum beantragen.

Welche Leistungen bekommen Asylbewerber?

Asylbewerber und Flüchtlinge erhalten Unterkunft, Essen, Kleidung, Medikamente und Hygieneartikel sowie ein Taschengeld. Die Leistungen sollen in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen als Sachleistungen ausgegeben werden, plus Taschengeld von 143 Euro. Leben Asylbewerber in Wohnungen oder provisorischen Unterkünften, die die Kommunen errichtet haben, erhält ein Erwachsener für Essen, Kleidung und Hygiene 216 Euro. Hinzu kommen die 143 Euro Taschengeld, insgesamt also 359 Euro monatlich. Zum Vergleich: Der Regelsatz für Hartz IV-Bezieher liegt bei 399 Euro pro Monat.

Kann man die Leistungen für Asylbewerber nicht kürzen?

Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 entschieden, dass alle Menschen in Deutschland Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum haben. Das gilt also für alle Deutschen und alle Menschen anderer Staaten, die hier leben. Hartz IV-Leistungen sichern ebenfalls das Existenzminimum, deshalb müssen die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge ähnlich hoch sein. Die Leistungen für Flüchtlinge dürfen nur dann niedriger sein, wenn nachgewiesen ist, dass der Bedarf für Unterkunft, Essen, Kleidung, Körperpflege, Gesundheit und Sozialleben niedriger ist.

Können Sachleistungen statt Geldleistungen ausgegeben werden?

Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht vor, dass Flüchtlinge in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen Sachleistungen erhalten. Nur das persönliche Taschengeld soll bar ausgegeben werden. Denn damit soll jeder Flüchtling selbst entscheiden können, was außer Essen, Kleidung und Wohnung noch zum Leben dazu gehört, erklärt ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam. Auch das zähle zum Existenzminimum, sagt das Bundesverfassungsgericht. Das Taschengeld kann also nicht so einfach auf Sachleistungen umgestellt werden.

In der Praxis bedeuten Sachleistungen zudem einen größeren Aufwand für die Behörden. Sie müssen Essen, Kleidung und anderes kaufen und verteilen. Deswegen sind viele Behörden in den vergangenen Monaten doch wieder auf Geldleistungen umgestiegen.

Trotzdem haben Bund und Länder beim jüngsten Flüchtlingsgipfel entschieden, dass Asylbewerber während ihres Aufenthalts in Erstaufnahmeeinrichtungen möglichst nur Sachleistungen erhalten sollen. Zumindest "sofern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich". Geldleistungen sollen künftig auch nur noch höchstens einen Monat im Voraus ausgezahlt werden.

Wie lange dauert die Bearbeitung von Asylanträgen?

Asylverfahren und die Anerkennung als Flüchtling dauern in Deutschland derzeit durchschnittlich 5,3 Monate. Allerdings gibt es je nach Herkunftsland unterschiedlich lange Wartezeiten. Antragsteller aus Afghanistan mussten in jüngster Zeit beispielsweise ungewöhnlich lange warten, bis ihr Verfahren abgeschlossen wurde: im Schnitt mehr als 12 Monate. Und das, obwohl im zweiten Quartal dieses Jahres 78,4 Prozent von ihnen Asyl gewährt wurde. Auch Eritreer müssen so lange warten. Bei Asylbewerbern aus Pakistan sind es sogar 15,2 Monate. Flüchtlinge aus Syrien werden im Vergleich dazu bevorzugt behandelt. Bei ihnen dauert das Verfahren derzeit nur 3,9 Monate.

Besonders schnell gingen die Verfahren bei Asylbewerbern aus den westlichen Balkanländern. Hier ist die Anerkennungsquote besonders niedrig. Für Flüchtlinge aus dem Kosovo lag sie im zweiten Quartal 2015 bei gerade mal 0,4 Prozent. Ihre Asylverfahren dauern derzeit im Schnitt nur 2,5 Monate. Bei Bewerbern aus Albanien 3,1 Monate, aus dem bereits als "sicheren Herkunftsstaat" geltenden Bosnien-Herzegowina 4,7 Monate.

Wie kann man Asylverfahren beschleunigen?

Nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hängt die Dauer der Verfahren vor allem davon ab, aus welchem Land die Asylbewerber kommen.

- Die Anträge von Flüchtlingen aus Syrien will das Bundesamt nun schneller behandeln, weil ihnen fast immer Asyl gewährt wird.
- Anträge von Menschen aus den Balkanländern sollen schneller bearbeitet werden können, wenn die Staaten "sichere Herkunftsstaaten" sind. Das gilt für Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina seit 2014.
- Albanien, Kosovo und Montenegro sollen nach den jüngsten Beschlüssen beim Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern ebenfalls zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, um die Verfahren zu beschleunigen.

Wie werden die Flüchtlinge und Asylbewerber in Deutschland verteilt?

In Deutschland funktioniert die Verteilung auf die Bundesländer nach dem Königsteiner Schlüssel. Anhand von Bevölkerungszahlen und Wirtschaftskraft werden Quoten festgelegt, welches Bundesland wie viele Flüchtlinge aufnehmen soll.