Debatte neu entfacht Streit um die Rente mit 67

Stand: 20.08.2010 16:35 Uhr

In der SPD schwelt ein interner Streit über die Rente mit 67. Regierung und Arbeitgeber wollen an der bisherigen Regelung festhalten. Auch Gewerkschafter sind gegen den SPD-Vorschlag und fordern ein Aus der Rente mit 67. tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Rentenstreit.

Wie sieht die aktuelle gesetzliche Regelung aus und was soll geändert werden?

Derzeit beträgt das gesetzliche Renteneintrittsalter in Deutschland 65 Jahre. Im Jahr 2006 beschlossen Union und SPD in der Großen Koalition ein Gesetz, wonach die Altersgrenze für die Rente zwischen 2012 und 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird. Die neue Altersgrenze soll für Versicherte ab Geburtsjahrgang 1964 gelten. Das Gesetz sieht allerdings eine Überprüfungsklausel vor. Dabei sollen die Arbeitsmarktchancen Älterer analysiert werden.

Wann gehen die Deutschen tatsächlich in Rente?

Nur wenige Erwerbstätige in Deutschland gehen tatsächlich mit 65 in Rente. Laut einer Übersicht des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaft (Eurostat) sind die Deutschen im Schnitt 61,7 Jahre alt, wenn sie sich aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Damit liegt Deutschland knapp über dem EU-Durchschnitt (61,4 Jahre). Mit 59 Jahren gehen die Franzosen und einige osteuropäische Lander im EU-Vergleich besonders früh in Rente. Iren, Bulgaren und Rumänen ziehen sich erst spät in den Ruhestand zurück - sie sind im Schnitt 64 und älter. Zwischen 2001 und 2008 hat sich das tatsächliche Renteneintrittsalter im Durchschnitt der 27 EU-Staaten von 59,9 auf 61,4 Jahre erhöht.

Warum soll überhaupt das Rentenalter in Deutschland angehoben werden?

Die damalige schwarz-rote Regierung hat als Grund für ihre Rentenreform vor allem den demografischen Wandel in Deutschland aufgeführt. Laut Arbeitsministerium wird die Zahl der Bürger im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2030 von über 50 Millionen Menschen auf etwa 45 Millionen sinken. Finanzierten 2005 noch 3,2 Beschäftigte einen Renter mit ihren Beiträgen, würde dieses Verhältnis, wenn es beim Renteneintrittsalter von 65 Jahren bliebe, im Jahr 2030 umkippen. Auf einen Beschäftigten kämen dann zwei Rentner. Die Rente mit 67 soll diesen Trend abfedern.

Warum ist die Debatte jetzt noch einmal neu entfacht?

In einem parteiinternen Streit diskutiert die SPD darüber, inwieweit die Partei in der Rentenfrage vom bisherigen Kurs aus schwarz-roten Regierungszeiten abweichen möchte. Laut Medienberichten einigten sich SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Generalsekretärin Andrea Nahles auf einen Kompromiss, wonach der Beginn der Rente mit 67 solange ausgesetzt werden soll, bis die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen. Derzeit haben nur 21,5 Prozent dieser Altersgruppe einen solchen Job. Die Verlängerung der Arbeitszeit solle frühestens 2015 beginnen. Bis dahin solle geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die schrittweise Erhöhung des Renten-Eintrittsalters auf 67 bis 2029 vorliegen.

Ist damit die Debatte beendet?

In der SPD ist man sich nicht einig über den aktuell diskutierten Vorschlag. Der linke Flügel der Partei fordert daher einen Beschluss zur Rente auf dem SPD-Parteitag am 25. September in Berlin. Der konservative Seeheimer Kreis hält das für unnötig und möchte lieber Finanz- und Wirtschaftsthemen auf der Agenda des Bundesparteitages sehen. Auch Altkanzler Gerhard Schröder und Ex-Parteivorsitzender Franz Müntefering wollen den bisherigen Kurs beibehalten.

Aber nicht nur die SPD ringt mit dem Kompromissvorschlag aus der Partei- und Fraktionsspitze. Auch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften kritisieren ein Aussetzen der bisher geplanten Rentenreform. So sagte der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, dass die niedrige Beschäftigungsquote älterer Erwerbsfähiger das Ergebnis jahrzehntelanger Frühverrentungspolitik sei. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft geht gar davon aus, dass das Eintrittsalter langfristig auf 70 Jahre steigen muss. Die Gewerkschaften sind traditionell gegen die Rente mit 67 und befürchten, dass ältere Erwerbstätige nicht voll bis zum Eintrittsalter 67 arbeiten und die Reform somit effektiv Kürzungen für die Rentner bedeuten würde.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich der SPD-Vorschlag im Bundestag durchsetzt?

Nicht sehr wahrscheinlich. Die Kompromisslösung der SPD stößt sowohl bei der Regierung als auch bei der Opposition auf Ablehnung. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Kritik an der Rente mit 67 zurückgewiesen. Sie sieht angesichts des drohenden Fachkräftemangels keine Alternative. Auch die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, möchte am bisherigen Rentenzeitplan festhalten und das Renteneintrittsalter ab 2012 schrittweise erhöhen. Die Linke sieht für den SPD-Vorschlag keine Chancen auf eine Mehrheit im Bundestag. Die Oppositionspartei fordert eine Verschiebung des Einstiegs bei der Rente mit 67 auf 2016.

Zusammengestellt von Lazar Backovic für tagesschau.de