Strittiger Teil der Asylreform Bundesregierung will EU-Krisenverordnung zustimmen
Die Bedenken bleiben - doch nach monatelangem Zögern will Deutschland den Weg für den strittigen Teil der EU-Asylreform freimachen. Innenministerin Faeser erklärte, man werde dem Kompromiss zur Krisenverordnung zustimmen.
Trotz anhaltender Bedenken will Deutschland der umstrittenen Krisenverordnung als Teil der geplanten EU-Asylreform zustimmen. "Obwohl wir noch weiteren Änderungsbedarf hätten und auch darüber hinaus, werden wir heute unserer Verantwortung gerecht", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser beim EU-Innenministertreffen in Brüssel. Deswegen werde man zustimmen. Die SPD-Politikerin sprach von einem "hervorragend ausgehandelten Kompromiss".
Tobias Reckmann, ARD Brüssel, über die Einigung der EU-Innenminister über die umstrittene Asylreform
Damit ist nach Angaben des spanischen Innenministers und amtierenden Ratsvorsitzenden Fernando Grande-Marlaska der Weg für den letzten Baustein der europäischen Asylreform frei. Die sogenannte Krisenverordnung sieht deutlich verschärfte Maßnahmen vor, wenn durch besonders viele Migranten eine Überlastung der Asylsysteme droht.
So kann dann etwa der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen streng abgeschottet festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.
Vor allem Kritik der Grünen
Bisher hatte die Bundesregierung die Verordnung vor allem wegen Kritik der Grünen abgelehnt. In Brüssel hatte sie das bislang damit erklärt, dass dieses Regelwerk EU-Staaten ermöglichen könnte, Schutzstandards für Migranten inakzeptabel zu senken.
In Deutschland äußerten Außenministerin Annalena Baerbock und andere Politiker der Grünen zuletzt zudem die Befürchtung, dass die Krisenregeln "Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland" setzen könnte. Im Rat der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel wurde vermutet, dass diese Argumentation mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern in Verbindung stehen könnte, weil diese Linie in den EU-Verhandlungen bis dato keine Rolle spielte.
Den Plänen für die Asylreform zufolge müssten die Mitgliedstaaten auch bei einem starken Anstieg der Migration alle ankommenden Menschen registrieren. Eine mögliche Verlängerung von Fristen dafür wäre zudem nur nach vorheriger Zustimmung des Rates der Mitgliedstaaten möglich. Das Gleiche gilt auch für die Aufweichung von Schutzstandards. Es blieben demnach auch in einer Krisensituation noch etliche Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern.
Scholz dringt auf Ende der Blockade
Am Mittwoch hatte Kanzler Olaf Scholz nach Angaben aus Regierungskreisen im Kabinett den Kurs ausgegeben, dass die Krisenverordnung nicht länger blockiert werden dürfe. Sobald der Streit über die Krisenverordnung beigelegt ist, können voraussichtlich auch die für die Reform wichtigen Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament fortgesetzt werden. Denn das Parlament hatte zuletzt angekündigt, Teile der Gespräche zu blockieren, bis sich die EU-Staaten bei dem Thema Krisenverordnung positioniert haben.
Angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024 drängt die Zeit. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.