Rückführungsabkommen Osteuropäer widersprechen Merkel
14 Länder haben laut Kanzlerin Merkel Abkommen zur beschleunigten Rückführung von Migranten zugesagt. Drei der Länder dementierten diese Darstellung inzwischen. Am Abend beriet Merkel mit CSU-Chef Seehofer.
Die Regierungen Tschechiens, Ungarns und Polens haben die Darstellung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den Ergebnissen des EU-Gipfels zur Asylpolitik zurückgewiesen. Sie dementierten in Teilen Aussagen Merkels, wonach sie von 14 Ländern politische Zusagen für Abkommen zur beschleunigten Rückführung vom Flüchtlingen gemäß der Dublin-Verordnung habe.
Zu diesen Ländern gehören nach Angaben der Bundeskanzlerin auch Tschechien, Ungarn und Polen. Das bestritten die drei Regierungen aber wenige Stunden nach Bekanntwerden des Papiers, das die CDU-Vorsitzende an die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Koalitionspartner CSU und SPD richtete.
"Völliger Unsinn"
Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis sagte: "Diese alarmierende Nachricht ist völliger Unsinn." Sein Land habe keine derartige Zusage gemacht. Man habe auch keinen Grund, über eine solche Vereinbarung zu verhandeln. Mit Blick auf gegenteilige Berichte aus Berlin fügte er hinzu, man lehne derartige chaotische Informationen ab.
Ein Regierungssprecher in Berlin bekräftigte daraufhin: "Von tschechischer Seite war die Bereitschaft ausgedrückt worden, ein Verwaltungsabkommen über verbesserte Zusammenarbeit bei Rücküberstellungen (...) zu verhandeln." Diese Verwaltungsabkommen hätten zum Ziel, die Effizienz der EU-Asylregeln zu erhöhen. "Wir nehmen die heutigen Äußerungen aus Prag bedauernd zur Kenntnis."
Orban spricht von Zeitungsente
Auch Ungarn bestritt, mit Deutschland die beschleunigte Rückführung von Flüchtlingen verabredet zu haben. "So eine Vereinbarung ist nicht erreicht worden", sagte der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs der Nachrichtenagentur Reuters. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bestritt ebenfalls, dass seine Regierung Merkel Zusagen zur beschleunigten Rückführung von Asylbewerbern gegeben hat. "Das ist eine gewöhnliche Zeitungsente, es ist zu keinerlei Vereinbarung gekommen", sagte der rechtsnationale Politiker der staatlichen Nachrichtenagentur MTI.
Ein Sprecher des polnischen Außenministers sagte am Abend der Nachrichtenagentur Reuters, dass es von Seiten der polnischen Regierung keine neue Vereinbarung zur Rücknahme von Flüchtlingen gebe.
In dem Schreiben Merkels, das auch dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, listet die Kanzlerin 14 Staaten auf, von denen es "Zusagen auf politischer Ebene" gebe, Verwaltungsabkommen zur beschleunigten Rückführung im Rahmen der Dublin-Verordnung zu schließen. Dies seien Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Lettland, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal, Schweden, Tschechien und Ungarn.
Koalitionspartner informiert
Bereits am Freitag hatte Merkel die Koalitionspartner in getrennten Telefonaten über der Ergebnisse ihrer EU-Verhandlungen zu einer besseren Steuerung der Migration informiert. Seither kommen von der CSU überwiegend Signale, die auf eine Beilegung der unionsinternen Streits über die Zurückweisung bestimmter Migranten an der deutschen Grenze hindeuten. Über ihr Vorgehen werden die Parteigremien auf Basis der Ergebnisse des EU-Gipfels am Sonntag in getrennten Sitzungen beraten.
Keine Details zu Treffen Merkels mit Seehofer
Am Abend traf sich Merkel zunächst mit CSU-Chef Horst Seehofer im Kanzleramt. Zuvor hatte der Bundesinnenminister nach dpa-Informationen Experten seines Ministeriums die von Merkel vorgelegten Maßnahmen prüfen lassen und mit ihnen darüber beraten. Über Ergebnisse des zwei Stunden währenden Zweiergesprächs wurde allerdings nichts bekannt.
"Es geht absolut in die richtige Richtung"
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärte bereits zuvor: "Es geht absolut in die richtige Richtung". Der CSU-Politiker fügte aber hinzu, dass viele Beschlüsse vage und ungenau seien. Die Beschlüsse von Brüssel seien aber mehr, als ursprünglich erwartet werden konnte.
"Man kann sagen: Bei diesem Gipfel wäre sicher nicht so viel erreicht worden, hätte Bayern nicht vorher soviel Druck gemacht. Bayern hat da sehr viel bewegt." Klar sei aber auch, dass die Zeitpläne sehr lang seien und viele Vereinbarungen auf Freiwilligkeit basierten.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lobte die Ergebnisse des EU-Gipfels.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte allerdings deutlich, dass er an dem Plan von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) festhalten wolle, bestimmte Flüchtlingsgruppen an der Grenze zurückzuweisen. Im Gipfelpapier seien "klar nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Sekundärmigration innerhalb Europas vorgesehen", sagte Dobrindt den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Dobrindt betonte, der Europäische Rat habe den Kurs der CSU bestätigt, europäische Lösungen und nationale Maßnahmen zu verbinden.
CDU und SPD mahnen zur Einigung
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warnte die CSU vor einem Alleingang und rief die Schwesterparteien auf, sich zusammenzuraufen. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erklärte im "Tagesspiegel", die Kanzlerin habe "alles getan, um zu einer Lösung des Konflikts zu kommen". Die Vereinbarungen beim EU-Gipfel ließen ihn auf eine Einigung der Union hoffen.
SPD-Chefin Andrea Nahles verlangte von der CSU, "wieder zur Vernunft zu kommen" und "die Instrumentalisierung dieses Themas jetzt einzustellen". Sie betonte, dass aus ihrer Sicht "Alleingänge und Zurückweisungen an der Grenze vom Tisch sind". Für die geplante Einrichtung zentraler Sammellager in der EU müssten Unterbringungsstandards verbessert werden. Es dürften keine geschlossenen Einrichtungen sein, was Merkel auch versichert habe.