Anti-Asteroiden-Programm Vorwärtsverteidigung im All
Hunderte Asteroiden befinden sich auf Kollisionskurs mit der Erde. Höchste Zeit also für ein Abwehr-Programm. ESA und NASA gehen nun gemeinsam auf die Jagd. Die Verträge sind jetzt unterschrieben.
Die Wahrscheinlichkeit, samstags beim Lotto den Hauptgewinn zu kassieren, liegt bei 1 zu 140 Millionen. "Ich spiele kein Lotto", sagt Rolf Densing, Leiter des ESA Kontrollzentrums in Darmstadt. "Aber wenn das hier Gewinnchancen wären - man müsste wohl spielen."
Auf seinem Monitor sieht er eine Liste von Asteroiden und die Wahrscheinlichkeiten, dass die Erde von einzelnen davon getroffen wird. Da ist zum Beispiel der Asteroid "2010RF12". Trefferwahrscheinlichkeit 1 zu 14 im Jahr 2095. Oder "2018JD": Trefferwahrscheinlichkeit 1 zu 675 im Jahr 2067. Oder "2008JL3": Trefferwahrscheinlichkeit 1 zu 6993 im Jahr 2027. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Mehr als 1000 Asteroiden, die sich auf potenziellem Kollisionskurs mit der Erde befinden, beobachten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ESA derzeit. Die meisten Einschläge drohen erst in kommenden Jahrzehnten. Klar aber ist: Da kommt was auf die Erde zu.
Verletzte und Schäden in Tscheljabinsk
Im russischen Tscheljabinsk haben die Menschen das schon erlebt. An einem Wintertag vor sieben Jahren zerbrach ein heranrasender Asteroid über der Stadt. Durch die Druckwelle gingen rund 200.000 Quadratmeter Glas zu Bruch. Mehr als 1000 Menschen wurden verletzt. Dieses Ereignis habe noch einmal gezeigt, es sei nicht die Frage des "ob". Vielmehr sei die Frage, wann der nächste Einschlag kommt, sagt ESA-Spezialist Rolf Densing.
Kurs: Asteroid Dimorphos. Ankunft: 2022
Gemeinsam mit der NASA startet die ESA nun ein Asteroiden-Abwehr-Programm. Heute wurden entsprechende Verträge für den europäischen Teil der Mission unterschrieben. Bereits im kommenden Sommer wird zunächst eine Sonde der Amerikaner zum Asteroiden "Dimorphos" fliegen. Im Herbst 2022 soll sie dort einschlagen. Der Plan ist, den Asteroiden mit seinem Durchmesser von rund 160 Metern vom Kurs abzubringen. Die Auswertung des Versuchs übernimmt dann eine europäische Sonde.
Feinstarbeit im Umfeld eines kleinen Himmelskörpers - dafür sind die Europäer seit der "Rosetta"-Mission Experten. Zehn Jahre lang hatte die ESA die Sonde "Rosetta" sieben Milliarden Kilometer durchs All navigiert, um dann auf einem Kometen zu landen und diesen zu erforschen. Eine Pioniermission, die vor vier Jahren endete.
Arbeitsteilung im All
Der ehemalige Leiter des ESA-Missionsbetriebs, Paolo Ferri, sagt: "Die Amerikaner sind unsere Meister, wenn es darum geht, auf großen Planeten zu landen. Aber wir sind die einzigen, die Erfahrung haben, zu kleinen Himmelskörpern wie Asteroiden zu fliegen und dort Untersuchungen durchzuführen." Arbeitsteilung im All, also. Die Amerikaner lenken eine Sonde in einen Asteroiden, die Europäer steuern ihn anschließend an, um den Krater zu untersuchen und festzustellen, ob der Einschlag ausgereicht hat, um den Asteroiden vom Kurs abzubringen.
Gebaut wird die Sonde in Bremen
Geprobt wird an einem Himmelskörper, der der Erde nicht gefährlich werden kann. Dimorphos fliegt etwa elf Millionen Kilometer an der Erde vorbei. Es soll jetzt schnell gehen. Nach dem Asteroiden-Beschuss der Amerikaner wollen die Europäer 2024 zur Kontrollmission starten. Gebaut wird die Sonde, die den Namen der griechischen Göttin Hera trägt, in Bremen. Sie wird nicht größer sein als ein Schreibtisch und kleine Mini-Satelliten an Bord haben, die den Asteroiden aus nächster Nähe untersuchen können. Ein Asteroid auf Kollisionskurs: Gemeinsam wollen Amerikaner und Europäer für den Ernstfall proben. "Wir stecken gerade mitten in der Corona-Krise. Wir brauchen keine zweite Krise dieser Dimension", sagt Densing.