Appell an Mitgliedsstaaten NATO für Einsatz westlicher Waffen gegen Russland
Während die Angriffe auf Charkiw andauern, verschärft sich die Diskussion über den Einsatz westlicher Waffen gegen Russland. Die NATO hat ihre Mitglieder nun dazu aufgerufen, Kiew die Verwendung zu erlauben - Deutschland ist bislang dagegen.
Die NATO hat ihre Mitgliedsstaaten aufgerufen, der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen gegen Militärziele in Russland zu erlauben. Die Parlamentarische Versammlung (PV) der NATO verabschiedete bei einer Frühjahrstagung in der bulgarischen Hauptstadt Sofia eine entsprechende Erklärung. Die Zeit sei gekommen, einige Einschränkungen für den Einsatz der bereitgestellten Waffen aufzuheben, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Stoltenberg appellierte an alle Verbündeten, den Einsatz der von ihnen gelieferten Waffen gegen Ziele in Russland zu prüfen, und begründete dies insbesondere mit dem schwierigen Verlauf der Kämpfe in der Region Charkiw an der russischen Grenze. "Die Frontlinie und der Grenzverlauf sind mehr oder weniger identisch, und den Ukrainern sind die Hände gebunden, wenn sie keine militärischen Ziele auf russischem Territorium angreifen können", argumentierte Stoltenberg.
Deutschland bislang gegen den Einsatz
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich bisher gegen den Einsatz westlicher Waffen gegen Russland ausgesprochen. Er sehe derzeit keinen Anlass, die mit der Ukraine vereinbarten Regeln für den Einsatz, der von Deutschland gelieferten Waffen zu lockern, sagt er bei einem Bürgergespräch auf dem Demokratiefest in Berlin am Sonntag.
Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert lehnt den Einsatz westlicher Waffen gegen Stellungen auf russischem Territorium ab. Der Angriff auf die Stadt Charkiw und andere ukrainische Orte sei von Russland ausgeübter "Terror gegen die Zivilbevölkerung", sagte Kühnert im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Trotzdem ermöglicht uns das im Gegenzug, nicht alles zu machen, was man sich so wünscht."
Die Ukraine habe zwar das Recht, auf russischem Staatsgebiet die militärische Infrastruktur anzugreifen, betonte der SPD-Politiker. Er gab jedoch zu bedenken, "was wir dann für eine Diskussion haben", würde mit einer westlichen Waffe aus Versehen eine zivile Infrastruktur in Russland getroffen werden.
Selenskyj fordert Lockerung der Regelungen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dringt derweil ebenfalls weiter darauf, dass die Ukraine auch westliche Waffen gegen Russland einsetzen darf. In einer Videoansprache am Sonntag sagte Selenskyj, dass viele Staaten angesichts der tödlichen Bombenangriffe auf die Großstadt Charkiw ihr Beileid ausgesprochen hätten. "Es ist wichtig, dass diese Verurteilung zu angemessenen Konsequenzen führt", so Selenskyj.
Die Ukraine brauche mehr Luftabwehr und sie brauche das Recht, mit ihren ausländischen Waffen auch auf russisches Gebiet schießen zu dürfen. "Wir sehen jeden Konzentrationspunkt der russischen Truppen. Wir kennen alle Gebiete, in denen russische Raketen und Kampfflugzeuge gestartet werden", sagte er. Es sei eine politische Entscheidung, die Vernichtung dieser Streitkräfte zu erlauben, bevor sie die Ukraine angreifen. "Eine Entscheidung, die getroffen werden muss."
Aktuell befindet sich der ukrainische Präsident zu seinem ersten offiziellen Besuch in Spanien. Der Besuch war ursprünglich für Mitte des Monats geplant. Selenskyj hatte diese und andere Auslandsreisen aber angesichts der intensiven Kämpfe im Gebiet Charkiw abgesagt.
60 Millionen insbesondere für den Osten der Ukraine
Unterdessen sind weitere Hilfen für die Ukraine geplant. Außenministerin Annalena Baerbock gab bekannt, 60 Millionen Euro humanitäre Hilfe für die Ukraine bereitzustellen. Diese sei insbesondere für den Osten des Landes gedacht, sagte Baerbock bei einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel.
Die Außenminister der 27 EU-Staaten haben außerdem einen neuen Rechtsrahmen zur Sanktionierung schwerer Menschenrechtsverletzungen in Russland beschlossen. Er soll es unter anderem ermöglichen, Strafmaßnahmen gegen Personen und Organisationen zu erlassen, die für die Unterdrückung der Opposition verantwortlich sind, wie mehrere Diplomaten der Nachrichtenagentur dpa sagten. In einem ersten Schritt werden mit dem neuen Sanktionsregime nach Angaben von Diplomaten etwa 20 neue Listungen vorgenommen.
In einer früheren Version war von 60 Milliarden Euro die Rede, die die Bundesrepublik als humanitäre Hilfe für die Ukraine bereitstellen möchte. Es sind aber 60 Millionen Euro.
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