Unionsstreit über Konsequenzen aus Euro-Krise Mehr Europa - oder weniger?
Die Union streitet über ihren Kurs in der Europapolitik. Für Finanzminister Schäuble ist klar: Die Lehre aus der Euro-Krise kann nur ein Mehr an Europa sein. Nichts da, heißt es aus der CSU. Bloß kein europäischer Zentralstaat, warnt Innenminister Friedrich. Einigkeit herrscht beim Thema Rettungsschirm.
Kurs Europa - das ist klar. Aber wieviel oder wie wenig Europa soll es sein? Darüber streitet derzeit die Union. Für CDU-Schwergewicht und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist klar: Die Konsequenz aus der Euro-Krise kann nur ein Mehr an Europa bedeuten. "Ohne begrenzte, aber zielgerichtete weitere Schritte im Sinne einer Vertiefung der europäischen Institutionen werden wir auf Dauer unsere europäische Handlungsfähigkeit verlieren", schreibt Schäuble in der "Welt am Sonntag".
Niemand wolle einen europäischen Superstaat, der nur das Regelungsmonopol des überholten Nationalstaats auf eine größere Einheit zu übertragen versuchen würde, so Schäuble weiter. Daher sei eine neue Form der Zusammenarbeit der Staaten nötig. Am Ende dieses Prozesses werde die politische Union stehen.
Widerspruch kommt aus der CSU
Bloß nicht, schallt es dem Finanzminister aus der Schwesterpartei CSU entgegen. "Wer aus der Schuldenkrise den Schluss zieht, dass der europäische Zentralismus jetzt noch verstärkt werden muss, macht sich auf den völlig falschen Weg", sagt Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dem "Spiegel". Der wachsenden Euro-Skepsis könne man "nicht dadurch begegnen, dass die durch das Volk gewählten nationalen Parlamente und Regierungen noch weiter entmachtet werden."
Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein wandte sich in dem Magazin direkt an den Finanzminister: "Wenn es Schäuble darum geht, seine europapolitischen Träume in der Krise zu verwirklichen, wird er seinem Job nicht mehr gerecht."
Unterstützung von Merkel und Sarkozy
Schäuble kann sich allerdings gewichtiger Rückendeckung gewiss sein. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatten sich jüngst für eine engere Verzahnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Staaten ausgesprochen. Stichwort: europäische Wirtschaftsregierung.
Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier plädierte in der "Rheinischen Post" für eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. "Dies wird dauerhaft nicht ohne eine Änderung der Verträge gehen." Wie dies aber genau ausgestaltet werden könnte, ist offen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht hier eine Chance, Brüssel zu stärken.
Finanziell ist für Schäuble die Grenze erreicht
Während Schäuble für ein Mehr an Europa als Antwort auf die derzeitige Krise plädiert, so ist für ihn in einer anderen Frage jedoch die Grenze erreicht: Mehr Geld für Schuldenstaaten gibt es nicht. "Der europäische Rettungsschirm hat eine Obergrenze von 440 Milliarden Euro - auf Deutschland entfallen 211 Milliarden. Und das war es. Schluss. Bis auf die Zinsen, die kämen noch obendrauf", sagt Schäuble der Zeitschrift "Super Illu"
Beim so genannten Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, der den EFSF spätestens 2013 ersetzen soll, werde es dann weniger. Dann seien es insgesamt 190 Milliarden, für die Deutschland einstehen müsse, inklusive aller Zinsen, sagte der Finanzminister. Die Haftung für Deutschland sei klar umrissen und begrenzt. "Und wir haben die Stabilität der Eurozone durch den sehr verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt deutlich verbessert."
Länder tragen Aufstockung des EFSF mit
Einen Tag nach dem Bundestag hatte gestern auch der Bundesrat grünes Licht für die EFSF-Erweiterung gegeben. Damit wurde die letzte parlamentarische Hürde in Deutschland genommen. Mit der Reform des Rettungsschirms wird unter anderem dessen tatsächliche Ausleihkapazität insgesamt von bislang 250 auf 440 Milliarden Euro erhöht. Die deutschen Garantien steigen von 123 Milliarden Euro auf 211 Milliarden Euro.
Westerwelle fordert schärfere Kontrollen
Derweil geht die Debatte um den Umgang mit hoch verschuldeten Staaten weiter. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach sich für schärfere Kontrollen aus: "Einsichtsrechte und Empfehlungen reichen nicht aus. Staaten, die in Zukunft die Solidarität des Rettungsschirms in Anspruch nehmen wollen, müssen in dieser Zeit der europäischen Ebene verbindliche Durchgriffsrechte in ihre Haushaltsentscheidungen einräumen", schrieb Westerwelle in der "Süddeutschen Zeitung".
Steinmeier plädiert für europäische Treuhandanstalt
Im konkreten Fall Griechenlands plädierte SPD-Fraktionschef Steinmeier für die Einrichtung einer europäischen Treuhandanstalt. Diese könnte griechisches Staatsvermögen privatisieren, sagte er der "Rheinischen Post". "Es wird nicht ausreichen, nur immer neue Rettungsschirme aufzulegen. Wir müssen über neue Ansätze nachdenken." Ein Problem sei beispielsweise, "dass die Griechen zwar Staatsvermögen haben, es aber momentan nur zu Ramschpreisen verkaufen könnten", sagte Steinmeier. Eine EU-Treuhand könnte innerhalb von zehn bis 15 Jahren griechisches Staatsvermögen privatisieren.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete und Euro-Skeptiker Peter Gauweiler hält dagegen den Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone für unausweichlich. "Wenn die Griechen ihre Demokratie nicht verkaufen wollen, müssen sie sich vom Euro trennen, zumindest auf Zeit", sagte er der "Bild am Sonntag".